Großbritannien erfasst flächendeckend alle Autokennzeichen
Heute mal einen anderen Weg zur Arbeit genommen? Oder gestern Nacht noch mal auf einen Drink in die Stadt gefahren? Der britischen Polizei bleiben solche Fahrten künftig nicht mehr verborgen. Großbritannien ist dabei, den gesamten Verkehr im Land durch Kameras zu scannen und speichert dabei alle erfassten Kennzeichen. Auch Siemens ist in diesem Markt aktiv und hat gerade größere Aufträge aus Polen erhalten.
Eigentlich ist es nur eine Änderung zur Kfz-Steuer, die zum 1. Oktober dieses Jahres in Kraft tritt. Das bisherige Papiersiegel, das seit 93 Jahren an der Scheibe jedes britischen Autos klebt und anzeigt, für wie lange die Kfz-Steuer bezahlt ist, wird abgeschafft und durch ein elektronisches System ersetzt. Künftig sollen Kameras die Fahrzeuge erfassen und dann überprüfen, ob die Steuer bezahlt wurde. Mehr noch: Damit besteht in Zukunft die Möglichkeiten, von jedem Auto ein Bewegungsprofil zu erstellen.
Flächendeckende Erfassung von Kfz-Kennzeichen
Dafür hat Großbritannien in den vergangenen Jahren ein flächendeckendes Netz von Kameras entlang der Autobahnen, an Brücken, Kreuzungen, in Parkhäusern und Flughäfen aufgebaut. ANPR heißt es im abkürzungswütigen Großbritannien: Darunter versteht man die Automated Number Plate Recognition, also die automatische Erfassung von Kraftfahrzeugkennzeichen und deren Aufzeichnung in Computersystemen.
In jüngerer Zeit wurde das Kameranetz noch einmal drastisch ausgeweitet. Gegenwärtig sind an britischen Straßen schon 8000 dieser ANPR-Kameras installiert. Weitere kommen Tag für Tag hinzu. Schon jetzt verfügen mehrere hundert Polizeifahrzeuge ebenfalls über diese Kameras. In Kürze soll jedes Polizeiauto mit einer ANPR -Kamera ausgestattet sein. Hinzu kommen eine Reihe spezieller Fahrzeuge, die ständig auch in Gegenden unterwegs sind, die weit ab von den großen Straßen liegen und in denen auch wenig Polizeifahrzeuge unterwegs sind.
Täglich laufen 25 Millionen Kennzeichen-Meldungen in London ein
In Hendon in Nord-London ist das so genannte National ANPR Data Centre eingerichtet worden. Hierhin melden ununterbrochen sämtliche Kameras in Großbritannien alle erfassten Fahrzeugkennzeichen. Bislang sind das schon 25 Millionen Meldungen am Tag. Diese Zahl wird in den nächsten Wochen und Monaten drastisch steigen, je mehr Kameras installiert sind und je mehr Polizeifahrzeuge bei jeder Fahrt ständig sämtliche Autos auf den Straßen automatisch erfassen und an das Datenzentrum melden.
Vorgesehen ist, dass die in Hendon gespeicherten Fahrzeug- und Bewegungsdaten zwei Jahre lang gespeichert werden. In diesem Zeitraum ist auf Knopfdruck für ein bestimmtes Kennzeichen ein landesweites Bewegungsprofil verfügbar. Zu einer Zeit, in der die britische Regierung immer stärker mit baldigen terroristisch-islamischen Anschlägen im eigenen Land rechnet, kommt diese Möglichkeit rasch verfügbarer Bewegungsprofile den Behörden sehr gelegen.
Bewegungsprofile praktisch aller Autofahrer in Großbritannien
Seit 93 Jahren müssen britische Kraftfahrzeuge hinter der Frontscheibe eine papierne, runde Steuermarke ausweisen, die in großen Zahlen angibt, bis wann die Kraftfahrzeugsteuer bezahlt ist. Im automatisierungswütigen Großbritannien ist die Papier-Steuermarke den Behörden schon längst ein Ärgernis und wird zum 1. Oktober abgeschafft. Ob die Steuer bezahlt ist, lässt sich dann nur noch über das ANPR-System ermitteln, das zugleich ausweist, ob ein Fahrzeug gültig versichert ist und von der Technischen Überwachung – vergleichbar mit TÜV und Dekra – überprüft ist.
All diese Daten werden von der ANPR-Zentrale in Hendon gemeinsam mit dem britischen zentralen Kraftfahrzeug- und Führerscheinamt (DVLA) verwaltet. Wenn ein Polizeiwagen unterwegs ist und die ANPR-Kameras feststellen, dass ein anderes Fahrzeug entweder gestohlen oder nicht versichert oder nicht versteuert unterwegs ist, werden die Polizisten sofort vom ANPR-System alarmiert.
Sorgen um Sicherheitslücken des neuen Systems
Das vermeintlich sichere System birgt aber auch reichlich Sicherheitslücken, worüber in Großbritannien schon eingehend diskutiert wird. Als Hauptgefahr gilt, dass ein potenzieller Täter sich für sein Auto eine Kopie der Kennzeichen beschafft, die ein anderes Auto des gleichen Typs und Baujahres sowie der gleichen Farbe und äußerlich sichtbaren Ausstattung rechtmäßig führt.
Das würde nämlich dazu führen, dass ANPR die beiden Fahrzeuge nicht auseinanderhalten kann und damit auch jedes Bewegungsprofil unbrauchbar macht. Die Lösung dieses Problems wird in einer neuen, fälschungssicheren Kennzeichentechnik gesehen, die bisher aber zumindest noch nicht marktreif ist.
Siemens liefert Kamerasysteme nach Polen
Auch der Siemens-Konzern ist derzeit in diesem Markt aktiv und meldet einen größeren Auftrag aus Polen. Siemens rüstet in den nächsten Monaten das Straßennetz der rund 350.000 Einwohner-Stadt Bydgoszcz mit mehr als 50 Kameras zur automatischen Nummernschilderkennung aus. Die Kameras vom Typ Sitraffic Sicore werden pro Tag mehr als eine halbe Million Nummernschilder erfassen.
Die Videosysteme in Bydgoszcz dienen sowohl zur Früherkennung von Verkehrsbehinderungen als auch zur Erhöhung der Sicherheit im Straßennetz. Das System soll im Frühjahr 2015 in Betrieb gehen.
Im vergangenen Jahr hatte Siemens ähnliche Aufträge zur Installation von Kamerasystemen in Posen und Bialystok erhalten. Krakau und Warschau sind bereits mit Siemens-Kameras ausgerüstet.
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