Kläranlage überflüssig 10.06.2016, 07:12 Uhr

Die Toilette spülen mit dem Wasser aus der Dusche

Mit dem Wasser aus der Dusche die Toilette spülen und Blumenbeete bewässern? In einem Wohnkomplex in Lünen wird in Zukunft schwach verschmutztes Wasser getrennt und direkt noch einmal genutzt. Auch in einem Dorf in Thüringen und auf einer alten Zeche im Ruhrgebiet soll das System erprobt werden. Auf eine Kläranlage soll das System verzichten.

In einem Wohngebiet in Lünen wird jetzt nachträglich ein Trennsystem für leicht und stark verschmutztes Abwasser installiert. Das stark verschmutzte Wasser etwa aus den Toiletten wird in einem Grünstreifen vor den Häusern, der so genannte "Energieallee" gereinigt. Feuchtigkeitsliebende Pflanzen stehen mit den Wurzeln im Wasser, nehmen restliche Nährstoffe auf und haben selbst optimale Wachstumsbedingungen.

In einem Wohngebiet in Lünen wird jetzt nachträglich ein Trennsystem für leicht und stark verschmutztes Abwasser installiert. Das stark verschmutzte Wasser etwa aus den Toiletten wird in einem Grünstreifen vor den Häusern, der so genannte "Energieallee" gereinigt. Feuchtigkeitsliebende Pflanzen stehen mit den Wurzeln im Wasser, nehmen restliche Nährstoffe auf und haben selbst optimale Wachstumsbedingungen.

Foto: Fraunhofer ISI

Der Moment zum Einbau eines getrennten Abwassersystems für stark und schwach benutztes Abwasser im westfälischen Lünen ist günstig. In einem ausgewählten Wohnkomplex sind die Frisch- und Abwasserleitungen in die Jahre gekommen und müssen sowieso erneuert werden. Der Bauverein Lünen will nun in das Abwassersystem für die 120 Wohnungen, in denen rund 250 Menschen leben, nachträglich ein Trennsystem für Grau- und Schwarzwasser einbauen.

Entwickelt haben das System die Ingenieure des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) in Karlsruhe als Projektkoordinator gemeinsam mit zahlreichen Partnern wie der Bauhaus Universität Weimar, der Universität Stuttgart, dem Rheinisch-Westfälischen Institut für Wasserforschung und Ingenieurbüros wie 3S Consult und dem Leverkusener Chemieparkbetreiber Currenta.

Grauwasser im Auffangbehälter der Versuchsanlage: Das Wasser wird gefiltert und dann für Bewässerungen und die Toilettenspülung benutzt.

Grauwasser im Auffangbehälter der Versuchsanlage: Das Wasser wird gefiltert und dann für Bewässerungen und die Toilettenspülung benutzt.

Quelle: Twist

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Grauwasser nennen Fachleute das Abwasser aus Dusche, Waschbecken und Badewanne, gegebenenfalls auch aus der Waschmaschine. Schwarzwasser ist das Abwasser von Toiletten, Spüle und Spülmaschine. Das Grauwasser wird in einem Tank gesammelt, aus dem die Toilettenspülung versorgt wird. Das Schwarzwasser landet im Untergrund einer „Energieallee“, das ist ein nach unten abgedichteter Grünstreifen, auf dem Pflanzen wachsen, die Feuchtigkeit lieben. Die Pflanzen verwerten die Nährstoffe im Schwarzwasser.

Ein Bach ersetzt die Kanalisation

Übrig bleiben, wenn überhaupt, kleine Mengen an so gut geklärtem Abwasser, dass es in einen in der Nähe fließenden Bach geleitet werden kann. Es könnte auch in den Grauwasserbehälter geleitet oder zum Bewässern von weiteren Grünflächen genutzt werden. Nur wenn es keine dieser Möglichkeiten gibt, wird es in den Kanal geleitet.

Filtersieb zur Reinigung des Grauwassers.

Filtersieb zur Reinigung des Grauwassers.

Quelle: Twist

Die Energieallee, die die Kläranlage ersetzt, ist verhältnismäßig klein. Pro Bewohner reicht eine Fläche von einem Quadratmeter. Da das Schwarzwasser unterirdisch eingeleitet wird werden die Bewohner nicht durch üble Gerüche belästigt. Möglich ist es, Energiepflanzen anzubauen, die von Zeit zu Zeit geerntet und zu Pellets für Heizungsanlagen und entsprechende Kaminöfen gepresst werden.

50 Prozent des Frischwassers eingespart

In Deutschland verbraucht jeder im Durchschnitt 110 Liter Wasser pro Tag. Bis zu 50 Prozent davon sind Grauwasser. Das bedeutet, dass die Bewohner künftig nur noch halb so viel Frischwasser beziehen müssen wie bisher. Das senkt die Kosten. Ebenso der Verzicht auf die Nutzung des Kanalsystems. Selbst wenn die Energie-, Wasser- und Abwasserkosten nicht steigen, amortisiere sich das System in acht bis zwölf Jahren, meint Thomas Hillenbrand, Ingenieur am Fraunhofer-Institut ISI.

Auf der stillgelegten Zeche Lippe/Westerholt soll ein neues Stadtquartier entstehen. Das Abwasser soll getrennt und wiederverwendet werden.

Auf der stillgelegten Zeche Lippe/Westerholt soll ein neues Stadtquartier entstehen. Das Abwasser soll getrennt und wiederverwendet werden.

Quelle: Projektbüro Bergbaustandorte

Das „integrierte WasserEnergieTransitionskonzept“ (i.WET), wie die Fraunhofer-Forscher ihre Entwicklung nennen, könnte nach und nach das heutige Abwassersystem ersetzen und langfristig Kläranlagen weitgehend überflüssig werden lassen. Die Kanalisation müsste dennoch erhalten bleiben. Um übel riechende Ablagerungen zu verhindern soll sie von Zeit zu Zeit mit überschüssigem Grauwasser gespült werden.

Neben Lünen wird das System auch in Wohlsborn-Rohrbach im Rahmen der Internationalen Bauausstellung Thüringen als Beispiel für den ländlichen Raum erprobt.

Begehung des Geländes der ehemaligen Zeche Westerholt: Auch hier sollen Abwässer getrennt, wiedergenutzt und von Pflanzen gereinigt werden.

Begehung des Geländes der ehemaligen Zeche Westerholt: Auch hier sollen Abwässer getrennt, wiedergenutzt und von Pflanzen gereinigt werden.

Quelle: Fraunhofer ISI

Geplant ist das Trennsystem zudem bei der Besiedlung der 2008 stillgelegten Zeche Lippe/Westerholt. Dort wollen die beteiligten Städte Gelsenkirchen und Herten ein neues Stadtquartier entwickeln mit einer Mischung aus Wohnen, Arbeitsplätzen und Kultur.

Die Verhältnisse der drei ausgewählten Modellgebiete sind typisch für viele Orte in Deutschland. Die Forscher gehen deshalb davon aus, die Ergebnisse auch auf andere Städte übertragen zu können.

Wie man Abwasser auch noch gleich als Rohstoff zum Heizen nutzen kann, zeigt ein Baugebiet in Hamburg. Dort wird die Wärme des Abwasser genutzt, um die Wohnungen des Wohngebietes zu beheizen.

 

Ein Beitrag von:

  • Axel Mörer-Funk

    Axel Mörer-Funk ist Gesellschafter der Medienagentur S-Press in Bonn. Nach einem Volontariat beim Bonner Generalanzeiger und dem Besuch der Journalistenschule Hamburg arbeitete er u.a. als freier Journalist für dpa, Bunte und Wirtschaftswoche.

  • Wolfgang Kempkens

    Wolfgang Kempkens studierte an der RWTH Aachen Elektrotechnik und schloss mit dem Diplom ab. Er arbeitete bei einer Tageszeitung und einem Magazin, ehe er sich als freier Journalist etablierte. Er beschäftigt sich vor allem mit Umwelt-, Energie- und Technikthemen.

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