So wollen Berlin und NRW Autobahnen für Radfahrer bauen
Autobahnen für Radfahrer? Warum nicht? Kopenhagen, London und praktisch alle holländischen Großstädte bauen ein Netz aus Highways für Radfahrer, auf denen sie kreuzungsfrei, ohne Ampeln und schnell bis in die Innenstädte pendeln. Jetzt zieht auch Deutschland nach: Berlin, NRW und der Großraum Hannover setzen auf Radschnellwege.
Doch was ist überhaupt ein Radschnellweg? Fahrrad-Highways sind Radwege ohne Ampeln und Kreuzungen. Der Radverkehr wird auf einer eigenen Trasse geführt, an Kreuzungen gibt es möglichst Unter- oder Überführungen. Dadurch soll das Durchschnittstempo auf solchen Radschnellwegen auch entsprechend hoch sein. Wenn doch Straßen gequert werden müssen, dann hat der Radverkehr Vorfahrt, bei Ampelschaltungen bekommt der Radverkehr Grüne Welle.
Schon seit Jahren plant die Metropolregion Hannover-Braunschweig-Wolfsburg-Göttingen Radschnellwege, um die Pendler rasch zum Arbeitsplatz und in die Innenstädte zu bringen. Die Landesregierung in NRW hat vor zwei Jahren sogar einen Wettbewerb für Radschnellwege ausgeschrieben. Alle Regionen konnten sich bewerben mit konkreten Projekten für eine Fahrrad-Autobahn. Sechs Projekte wurden ausgewählt, die jetzt vom Land besonders bezuschusst werden.
Radschnellweg Ruhr soll 100 km lang werden
Das spektakulärste Projekt der ausgewählten Strecken ist der Radschnellweg Ruhr, kurz RS 1. Er soll auf 100 km quer durch das Ruhrgebiet führen. Die Strecke reicht von Duisburg im Westen über die Städte Mülheim, Essen, Gelsenkirchen, Bochum und Dortmund bis nach Hamm.
Knapp 184 Millionen Euro soll der Radschnellweg kosten und täglich 50.000 Autofahrten überflüssig machen. 2020 soll der Radweg RS 1, der sogar eine eigene Homepage hat, eingeweiht werden.
Weitere Radschnellwege sind geplant in den Großräumen Köln (8 km), Düsseldorf (31 km), Aachen (30 km), Bocholt-Velen (45 km) und Herford-Minden (36 km). Insgesamt sollen rund 250 km in NRW angelegt werden.
Auch die Bundeshauptstadt will jetzt ihre erste Fahrradautobahn bauen. Der Verkehrsauschuss der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg sprach sich jetzt einstimmig dafür aus. Entlang der S-Bahnlinie S 1 durch Schöneberg und Steglitz bis nach Lichterfelde soll die 8,5 km lange Strecke führen. Der Highway wird auf einer stillgelegten Eisenbahnstrecke geführt.
Verkürzt die Fahrtzeit von 45 auf 30 Minuten
„Es wäre ein sehr attraktiver Weg, traumhaft schön in einem Grünzug: ein Weg, der die Fahrzeit vom Potsdamer Platz nach Lichterfelde von 45 auf 30 Minuten verkürzen und dem Elektrofahrrad als urbanes Verkehrsmittel der Zukunft zum Durchbruch verhelfen würde“, sagt Tim Lehmann. Der Architekt und Stadtplaner, der im Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel (Innoz) forscht, hat das Konzept für den Multifunkitionsweg ausgearbeitet.
Beginnen soll der Fahrrad-Highway am Potsdamer Platz und schon 2017 den S-Bahnhof Schöneberg erreichen, später läuft er neben der Autobahn 103. 2020 soll der sechste Bauabschnitt zum S-Bahnhof Lichterfelde fertiggestellt werden. Der Multifunktionsweg wird mit etwa 4,5 Mio. € nicht viel Geld kosten.
Ungewohnte Denkweisen sind notwendig
Neben der Strecke in Berlin und der spektakulären Strecke quer durch das Ruhrgebiet gibt es weitere, sehr ungewöhnliche Vorschläge für Fahrradstraßen in Metropolen. So will eine Gruppe namens The River Cycleway Consortium einen 12 Kilometer langen Radweg von Battersea im Südwesten von London City bis zum Finanzzentrum Canary Wharf im Herzen der englischen Hauptsadt London kurzerhand auf die Themse verlegen.
Im niederländischen Eindhoven hängt an einem 70 Meter hohen Pylon der erste schwebende Kreisverkehr der Welt für Radfahrer.
Niederlande sind ganz weit vorne
Nicht weit von Eindhoven entfernt können Radfahrer über die Milchstraße sausen. Im kleinen Städtchen Nuenen funkeln auf dem 600 Meter langen Van Gogh-Roosengaarde Radweg in der Nacht die Sterne. Und in der Gemeinde Krommeniie in der Gemeinde Zaandstadt nördlich von Amsterdam erzeugt der SolaRoad genannte Radweg sogar Strom aus dem Licht der Sonne.
Dass eine gute Infrastruktur für Radfahrer wirklich die Menschen aus dem Autos holt und fürs Radfahren gewinnen kann, zeigen die Radverkehrsanteile. Obwohl 80 % aller Haushalte in Deutschland über wenigstens ein Fahrrad verfügen, werden in Deutschland nur rund 10 % aller Wege mit dem Fahrrad erledigt. Das ist wenig, wie ein Blick in europäische Nachbarländer zeigt. So beträgt der Radverkehrsanteil in Dänemark 18 %. Noch aktiver nutzen die Niederländer ihre geliebten Hollandräder: Dort werden 27 % aller Wege mit dem Fahrrad zurückgelegt.
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