Gibt es schon bald einen senkrecht startenden Passagier-Jet?
Boeing hat Patentschutz für das Konzept eines senkrecht startenden und landenden Verkehrsflugzeugs erhalten. Zwar schweigt sich das amerikanische Unternehmen noch dazu aus, ob dieses Flugzeug wirklich gebaut werden soll. Zugleich aber verweist Boeing auf seine große Erfahrung mit VTOL-Militärflugzeugen.
Seit 2007 bauen Bell und Boeing gemeinsam den so genannten Kippflügler V22 Osprey in Serie – im wesentlichen für die US-Marine. Inzwischen gibt es aber auch ausländische militärische Interessenten für diese Maschine. Die V22 kann 24 voll ausgerüstete Soldaten befördern und ist damit von der Kapazität her wesentlich größer als die allermeisten Hubschrauber. Außerdem fliegt die V22 auch schneller als fast alle Hubschrauber. Angetrieben wird sie durch zwei Turboprop-Triebwerke von Rolls Royce, von denen jeweils eines am Ende jeder der beiden Tragflächen angebracht ist.
Kinderkrankheiten überwunden
Bei Start und Landung ist das Triebwerk senkrecht nach oben gerichtet und damit kann das Flugzeug wie ein Hubschrauber starten und später auch landen. Nach dem Start schwenken die Triebwerke um und ziehen nun das Flugzeug nach vorne, so wie das bei jeder normalen Propellermaschine zu beobachten ist. Die technische Herausforderung der V22 Osprey lag vor allem in dem Schwenkmanöver, in der die Maschine stabil in der Luft gehalten werden muss.
Das ist in dem Moment besonders schwierig, wo der Horizontalflug beginnt, weil das Flugzeug anfangs noch zu langsam ist, um genügend Auftrieb entwickeln zu können. Bis zur Bewältigung dieser Schwierigkeit sind mehrere V22 abgestürzt – so viele, dass das gesamte Programm kurz vor der Einstellung stand. Heute liegen allerdings Aufträge für mehrere Hundert V22 vor.
Platz für 100 Passagiere
Das von Boeing anvisierte zivile Flugzeug soll 100 Passagieren und ihrem Gepäck Platz bieten und im Kurzstreckenreiseverkehr bis zu knapp 2.000 Kilometern Entfernung eingesetzt werden. Im Gegensatz zur Osprey sollen jeweils zwei Triebwerke in jede Tragfläche integriert werden. Außerdem sieht der Patentschutz für Boeing vor, dass das Flugzeug zusätzlich mit zwei oder vier kleineren Jet-Triebwerken versehen werden kann. Damit würde es eine deutlich höhere Reisegeschwindigkeit als jene 446 km/h der V22 Osprey erreichen.
Von Boeing ist keine Auskunft zu erhalten, wie wahrscheinlich die Ausstattung des zivilen Kippflüglers mit kleinen Jet-Triebwerken ist. Die vier großen Turboprop-Triebwerke werden für den senkrechten Start und die senkrechte Landung in jedem Falle benötigt.
Modernes Design
Während die V22 Osprey in der klassischen Hochdecker-Art gebaut ist, sollen die Tragflächen des Zivilflugzeugs wesentlich tiefer liegen und damit in etwa modernen Düsenverkehrsflugzeugen gleichen. Das Leitwerk der Passagiermaschine ist als einfaches T ausgelegt, während die V22 ein V-förmiges Leitwerk aufweist.
In Europa gibt es zwar ein Konkurrenz-Produkt – doch es ist viel kleiner: die italienisch-britische AW-BA609. Dieser Kippflügler befindet sich schon in der Flugerprobung, bietet aber nicht mehr als neun Passagieren Platz und kommt damit für den kommerziellen Luftverkehr nur in Ausnahmefällen infrage.
Die BA609 geht auf eine frühe amerikanische Entwicklung zurück, deren technische Nutzungsrechte Augusta-Westland erworben hatte. Die BA609 scheint mit den gleichen Schwenkvorgangs-Problemen behaftet zu sein wie anfänglich auch die V22 Osprey. Auch hier hat es schon Unfälle gegeben.
Eine vielversprechende Innovation in Sachen extravagante Fluggeräte haben Ingenieure in Bayern entwickelt. Der Elektro-Jet von Lilium Aviation startet und landet senkrecht, wird mit einem Joystick bedient und bringt es auf 400 km/h Höchstgeschwindigkeit. Im Januar 2018 soll der persönliche Flieger auf den Markt kommen.
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