Kasseler Forscher machen aus Beton und Fruchtsaft Strom
Forscher aus Kassel könnten ein Stück Architekturgeschichte schreiben. Sie haben einen neuartigen Baustoff entwickelt, bei dem Beton und Solarzellen verschmelzen. Dafür übergießen sie leitfähigen Beton mit Fruchtsäften. Dieser Materialmix könnte sogar in eher schattigen Ecken Strom erzeugen.
Es klingt ein wenig nach Hexenküche, was die Kasseler Forscher da ausgetüftelt haben – und auf der heute in München beginnenden Messe BAU 2015 vorstellen: Man nehme einen speziellen leitfähigen Beton. Dieser wird mit Lagen aus Titandioxid, einer organischen Flüssigkeit, einem Elektrolyt, Graphit und einer transparenten Oberfläche beschichtet. Am Ende kommt eine sogenannte Farbstoffsolarzelle heraus.
Der Beton übernimmt dabei die Funktion einer Elektrode. Die Umwandlung der Sonnenenergie ähnelt der Photosynthese. Farbstoffsolarzellen nach dem Vorbild der Natur gibt es schon seit über 20 Jahren. Aber die Verschmelzung von Solarzelle und Baustoff ist definitiv neu.
Förderung vom Bund
Dieser neue Materialmix nennt sich „DysCrete“. Die ersten vier Buchstaben stehen für den englischen Ausdruck „Dye Sensitized Solar Cell, was „farbstoffsensitivierte Solarzelle“ bedeutet. Und das Kürzel „-crete“ steht für den Werkstoff Beton. Entwickelt wurde dieses Materialsystem von Professorin Heike Klussmann, Leiterin des Fachgebiets Bildende Kunst an der Universität Kassel, gemeinsam mit dem Architekten Thorsten Klooster, Projektleiter Forschung am Fachgebiet.
Mindestens bis Mitte 2015 wird dieses Projekt vom Bundesbauministerium mit rund 150.000 Euro gefördert.
Material könnte sogar auf Gebäude-Nordseiten Strom erzeugen
Die Forscher arbeiten daran, bewährte Herstellungsmethoden und Bauweisen zu erweitern. Zuvor haben sie zum Beispiel einen Licht reflektierenden Beton entwickelt. Mit ihrem Sonnenstrom-Beton haben sie jetzt viel vor: „Unser Ziel ist es, ein Material zu entwickeln, das in Zukunft in der Bauwirtschaft eingesetzt werden kann, beispielsweise für Fertigteile im Hochbau, Fassaden-Elemente und neuartige Wandsysteme“, erklärt Klussmann.
Auch Parkplätze oder Fahrradwege ließen sich damit ausstatten. Prototypen des Betonsexistieren bereits. Eine weiteres mögliches Einsatzgebiet: Das Material könnte sogar in eher schattigen Ecken verwendet werden, weil die Farbstoffsolarzellen darin auch diffuses Licht nutzen. Also etwa auf den Nordseiten von Gebäuden oder in Innenräumen.
Beschichtungen werden verbessert
Damit der Solarstrom-Beton möglichst viel Sonnenlicht umwandelt, verbessern die Forscher die Beschichtungen immer weiter. Anfangs verwendeten sie zum Beispiel Johannisbeersaft. Der erwies sich aber als suboptimal und wurde durch andere organische Flüssigkeiten ersetzt.
Günstig in der Herstellung
Der Beton-Mix soll rund zwei Prozent der eingestrahlten Sonnenenergie in Strom umwandeln. Zum Vergleich: Der Wirkungsgrad, also die umgewandelte Sonnenenergie in Strom, von monokristallinen Silicium-Solarzellen liegt bei rund 20 Prozent. Der Architekt Klooster sieht die Beton-Farbstoffsolarzellen aber keinesfalls auf der Schattenseite: „Das rechnet sich deswegen, weil die Herstellungskosten von Farbstoffzellen deutlich geringer sind als die von Silicium-Solarzellen.“
Zudem seien die Ausgangsmaterialien einfach zu beschaffen, umweltfreundlich und leicht recycelbar. Titandioxid sei ein häufig verwendetes Material, das sich auch in Zahnpasta findet. Wie viel das Ganze kosten wird, steht noch nicht fest.
Die Messe für Architektur, Materialien und Systeme BAU 2015 läuft noch bis Sonntag, 25. Januar, in München.
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