Microsoft macht Europa zu seiner Software-Kolonie
Kommt man um Microsoft herum? Apple- und Unix-User sind wie Asterix und Obelix, die mit ihrem kleinen gallischen Dorf gegen den US-Konzern kämpfen. Jetzt schlägt das Recherchenetzwerk Investigate Europe Alarm: Europa ist so abhängig von Microsoft, dass es fast zu spät ist, sich von dem Kraken noch einmal zu befreien. Europa ist Microsoft-Kolonie.
Der Bundestag ist laufend Objekt von Hackerangriffen, die Netze der Telekom werden immer wieder lahm gelegt oder von Hackern angegriffen, Privat-User schlagen sich mit zahllosen Mängeln des Windows-Betriebssystems herum, das zu allem Überfluss auch noch Lieblingsziel von Viren und Schadsoftware ist. 2014 gab es sogar ein offizielles Windows-Update, das dann die Rechner abstürzen ließ. Und selbst Krankenhäuser müssen sich zunehmend mit Hackerangriffen auseinandersetzen, die sogar medizinische Geräte lahm legen.
Und trotzdem tun Städte und Staaten seit Jahrzehnten so, als gäbe es keine Alternative zu Windows und Microsofts Gelddruckmaschine Office.
München und Rom arbeiten mit Unix – noch
Mit der Ausnahme von einigen wenigen Mohikanern wie der Stadt München, Freiburg und Rom, die es mit Unix als Betriebssystem versucht haben, nutzen sämtliche Städte und Verwaltungen in Europa Windows und die Programme von Microsoft. Das ist praktisch, jedenfalls für Hacker und Geheimdienste wie die NSA.
Und für Microsoft. Der Konzern nimmt allein über Lizenzgebühren jährlich 50 Milliarden Dollar ein, so das Recherchenetzwerk Investigate Europe, dem auch der Berliner Tagesspiegel angehört, in einem aktuellen Bericht. Und selbst München will wieder zurück zu Microsoft wechseln. Freiburg hat es schon getan.
Staatliche Verwaltungen sind abhängig von Microsoft
„Viele staatliche Verwaltungen sind so abhängig von diesem einen Anbieter, dass sie nicht mehr die Wahl haben, welche Software sie nutzen wollen“, warnt der Informatiker und Jurist Martin Schallbruch, bis 2016 Abteilungsleiter für Informationstechnik und Cybersicherheit im Bundesinnenministerium, im Tagesspiegel. „Damit laufen die Staaten Europas Gefahr, die Kontrolle über ihre eigene IT-Infrastruktur zu verlieren.“
Längst seien „riesige Investitionen“ notwendig, wenn Behörden auf „eine unabhängige IT-Architektur“ umstellen wollen, so Schallbruch, heute IT-Experte an der Berliner Wirtschaftshochschule ESMT. Unternehmen gehen da einen ganz anderen Weg. Siemens wird im Tagesspiegel als Beispiel zitiert, warum Unternehmen auf Open-Source-Software setzen.
Siemens setzt auf Open-Source-Programme
Da Entwickler anderer Unternehmen in der ganzen Welt an Open-Source-Software arbeiten, ist der technische Fortschritt deutlich schneller und größer als im Vergleich zur Windows-Software. Microsoft legt seine Quellcodes ganz bewusst nicht offen – denn das ist das Geschäft des Konzerns. Die Programme sind dadurch teuer, Alternativen gibt es da kaum noch.
Und die Verwaltungen müssen sich mit Software herumschlagen, die viel weniger kann, als würden Open-Source-Programme entwickelt. Denn dann könnte die Innovation der einen Stadt direkt von anderen Kommunen genutzt werden. Bei Microsoft muss jede Kommune dagegen für jeden einzelnen technischen Fortschritt einzeln zahlen.
72.000 Computer der französischen Polizei nutzen Unix
Da jedoch Kommunen und Behörden sich kaum trauen, auf andere Betriebssoftware zu wechseln, setzen sie sich der „Willkür des Herstellers aus“, so der Tagesspiegel. Dabei nennt das Recherche-Netzwerk einige Beispiele für gelungene Alternativen. So ist die französische Polizei still und heimlich auf Unix umgestiegen und muss sich jetzt massivem Druck der Microsoft-Lobbyisten stellen, wie der Tagesspiegel berichtet. 72.000 Gendarmerie-Computer laufen inzwischen unter Unix und mit Open-Source-Programmen.
Auch andere Institutionen haben erfolgreich umgestellt. Die Journalisten aus acht europäischen Ländern beschreiben als Beispiele auch das italienische Militär, die schwedische Rentenkasse, Schulen in Polen, die Großstadt Nantes und die Regionalregierung in der spanischen Extremadura.
Microsoft verkauft Lizenzen über Steuerparadies in Irland
Dabei schaden sich die europäischen Behörden durch die Festlegung auf Microsoft auch noch selbst. Denn die Lizenzvereinbarungen werden mit der Europazentrale in Irland geschlossen. Und die zahlt bekanntermaßen fast keine Steuern in Europa.
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