Sensoren in der Sohle unterstützen Parkinsonpatienten beim Gehen
Wissenschaftler der TU Darmstadt haben ein medizinisches Gerät entwickelt, das Parkinsonpatienten dabei helfen soll, die Bewegungen beim Gehen zu kontrollieren. Das Prinzip ist einfach: Eine spezielle Sohle gibt Rückmeldungen.
Wie kommen drei junge Wissenschaftler der TU Darmstadt aus unterschiedlichen Fachbereichen auf die Idee, sich ausgerechnet mit einer intelligenten Sohle für Parkinsonpatienten zu beschäftigen? Die Antwort ist eigentlich naheliegend: Der Großvater des Biomechanikers Patrick Scholl hat Parkinson. Seine Symptome haben dem Enkel vor Augen geführt, welche Probleme die Erkrankung im Alltag meistens mit sich bringt. Gemeinsam mit seinen Mitstreitern Simon Staffa und Lukas Braisz hat er nun die Ausgründung Novapace gewagt, die auch der Markenname des Produktes ist.
Parkinson ist eine Erkrankung des Gehirns, die im Alter häufig auftritt – in Deutschland gibt es geschätzt 220.000 Betroffene. Die Beschwerden sind individuell unterschiedlich ausgeprägt, aber ein gestörtes Gangbild gehört im Verlauf der Krankheit fast immer dazu. Die Bewegungen werden langsamer, die Arme schwingen nicht mehr mit. Schließlich wird der Gang schlurfend, die Schritte kleiner. Viele Patienten können die Beine nicht mehr richtig anheben. „Das klingt erst mal nicht so schlimm, führt aber recht häufig dazu, dass die Patienten an kleinen Schwellen hängen bleiben und schnell stürzen“, erklärt Simon Staffa, einer der Novapace-Gründer.
Intelligente Sohle vibriert bei falschen Bewegungen
Natürlich gibt es Behandlungen, die diesen Beschwerden entgegenwirken sollen. Medikamente können den Verlauf jedoch nur hinauszögern, nicht stoppen. Zusätzlich zeigen Physiotherapeuten den Betroffenen Übungen, die ihnen dabei helfen sollen, korrekt und mit gesunder Körperhaltung zu gehen. Nach Scholls Erfahrung mit seinem Großvater ist es für die Patienten jedoch oft schwer, diese Hinweise im Alltag auch umsetzen. Hier kommt Novapace ins Spiel.
Die Wissenschaftler haben verschiedene Sensoren in die Sohle integriert. Sie messen mehrere Faktoren: das Abrollverhalten, die Druckverteilung im Fuß sowie die Bewegungen des Fußes. „Die Sohle weiß also, wie die Person gerade geht“, sagt Staffa. Das hilft natürlich noch nicht. Denn diese Daten müssen ja an den Benutzer weitergegeben werden. Dafür haben die Forscher eine Vibrationseinheit in der Sohle untergebracht. Staffa erklärt: „Diese gibt den Nutzern genau im Moment eines Fehlverhaltens – also wenn der Fuß nicht richtig angehoben wird, die Schritte zu klein sind oder ein Sturz droht – eine Vibrationsrückmeldung. Und zwar in Echtzeit.“
Technik von Novapace ist am Schuh kaum sichtbar
Während die Patienten Wege in ihrem Alltag zurücklegen, werden sie also permanent darauf hingewiesen, wenn ihre Haltung nicht stimmt. Das führt dazu, dass sie ihre Bewegungen anpassen können. Das schult Muskeln und Motorik. Es gibt noch einen weiteren Grund dafür, warum die Jungunternehmer glauben, dass ihre intelligente Einlegesohle Novapace zu einem Erfolg werden könnte: Sie sei sehr alltagstauglich. Die Sensoren sind mit einer Technik verbunden, die über ein sehr kleines Gehäuse an den Schuh geklemmt wird. Das sei von außen kaum zu sehen und für die Betroffenen daher deutlich angenehmer als eine offensichtliche Gehhilfe. Gerade jüngere Patienten, die nur in besonders anstrengenden Situationen auf Unterstützung angewiesen seien, könnten davon profitieren.
Die Wissenschaftler stehen nun vor der Aufgabe, mit dem aktuellen Prototypen Messdaten zu erfassen und auszuwerten. Sie müssen den Gang der Parkinsonpatienten noch besser verstehen, damit die Sohle die richtigen Impulse liefert. Unterstützung erhalten sie dabei unter anderem über eine Studie der Hochschule Bremen, die dieses Thema im Studiengang „Angewandte Therapiewissenschaften“ untersucht.
TU Darmstadt unterstützt das Start-up
Das Projekt wird unterstützt von HIGHEST, dem Innovations- und Gründungszentrum der Technischen Universität Darmstadt. Die Mitarbeiter geben zum Beispiel Hilfestellung beim Beantragen des EXIST-Gründerstipendiums des Bundesministeriums für Energie und Wirtschaft. Zudem werden Coachings, Kontakten zu Stellen innerhalb der Universität oder zu Investoren angeboten. Wann Novapace auf den Markt kommen wird, steht noch nicht fest, da medizinische Geräte grundsätzlich aufwendige Testverfahren durchlaufen müssen.
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