„Nice Work, Guys“: Weltraumspaziergang war erfolgreich
Der deutsche Astronaut Alexander Gerst hat gestern mit seinem amerikanischen Kollegen Reid Wiseman seinen ersten Außeneinsatz absolviert: erfolgreich, sicher und schneller als gedacht. Genau beobachtet von den Bodenstationen und Internetnutzern weltweit, installierten und reparierten sie verschiedene Elemente an der ISS.
Sechs Stunden und 13 Minuten standen auf der Uhr des Außenbordeinsatzes, als die Astronauten Alexander Gerst (Deutschland) und Reid Wiseman (USA) die Tür zum Weltraum wieder hinter sich schlossen: Mehr als sechs Stunden mit 400 Kilometern Nichts unter den Füßen und nur dem Raumanzug zwischen sich und der lebensfeindlichen Umgebung des Alls.
Um 14.30 Uhr mitteleuropäischer Zeit wurde es spannend: Der Außenbordeinsatz, kurz EVA (Extra-Vehicular Activity) und der 27. unter amerikanischer Leitung, hatte offiziell begonnen. Zuvor hatten die Astronauten mehrere Stunden reinen Sauerstoff geatmet, um Stickstoff aus ihrem Körper zu verbannen, und nach einem letzten Check durch den Kollegen Barry Wilmore an Bord der ISS war der Umgebungsdruck schrittweise der Luftleere des Weltraums angeglichen worden.
Nach dem Check der Funkverbindung – beide bestätigten mit „loud and clear“ – öffnete sich die Tür zur Schleuse. Als Erster stieg Reid Wiseman aus, wenige Minuten später, um 14.45 Uhr, verließ Alexander Gerst, Füße voran, die schützende Raumstation.
Dringend notwendige Montagearbeiten
Der Außeneinsatz – für beide der erste – war dringend notwendig. Auf dem Programm standen wichtige Montagearbeiten an der Außenhülle der ISS: So musste unter anderem eine ausgefallene Pumpe an einem neuen Ort unter einem Isolierzelt verstaut und angeschlossen werden. Außerdem brachten die Astronauten am mobilen Roboterarm der Station, der Gewicht bis zu einer Tonne bewegen kann, ein Stromaggregat an. Dieses soll den Arm mit Energie versorgen, egal, wo er sich gerade befindet.
Viel Zeit zum Genießen dieser einzigartigen Situation und des atemberaubenden Ausblicks blieb da nicht. Alles war minutiös geplant und schon lange vorher eingeübt – unter anderem bereits auf der Erde unter Wasser. Doch obwohl die Zeit von ursprünglich siebeneinhalb Stunden knapp bemessen war: Hektik ist im Weltall das, was man am wenigsten gebrauchen kann – jede vergessene Schraube kostet nicht nur extrem viel Aufwand, sondern könnte auch fatale Auswirkungen haben. Außerdem ist ein Weltraumspaziergang nicht so gemütlich und ungefährlich, wie er klingt.
Jeder einzelne Schritt wird abgehakt
Immer wieder vergewisserten sich die Astronauten daher, dass ihre Anzüge noch intakt und jeder vorgesehene Schritt erledigt war. Für ersteres waren sie selbst beziehungsweise gegenseitig verantwortlich. Bereits direkt nach dem Ausstieg gab es einen ersten Sichtcheck des jeweils anderen. Für das Abhaken jeden einzelnen Arbeitsschritts gingen sie die Handgriffe per Funkkontakt durch – mit Barry Wilmore, der den Einsatz innerhalb der ISS begleitete, und der Bodenstation in Huston, Texas. Die Bodenstation zeigte sich zufrieden: „Nice work, guys“, hieß es regelmäßig.
Wer was zu tun hatte, war von Anfang an absolut klar. Reid Wiseman hangelte sich zum vorgesehenen Platz des Kühlmoduls, um die Arbeit schon einmal vorzubereiten, Alexander Gerst war währenddessen für das Abholen des rund 400 Kilo schweren Elements zuständig. Dafür montierte er sich selbst mit Hilfe einer Bodenplatte auf den Greifarm der Station, der ihn sicher und langsam mit einer 180 Grad Drehung an der Station entlangführte. Das Modul mit der Handlichkeit einer Industriewaschmaschine hielt Gerst dabei in der Hand und drehte es unterwegs in die richtige Position – in der Schwerelosigkeit „überraschend einfach“, wie er den Vorgang kommentierte.
Dicke Handschuhe erschweren die Arbeit
Knifflig wurde es dann am vorgesehenen Ort: Das Maschinenteil musste in dem Kühlzelt auf Schienen eingefädelt werden, doch mit ein wenig Koordinierungshilfe vom Innern der Station durch Barry Wilmore gelang auch dies. Die nächste Aufgabe erforderte wieder eine gut abgestimmte Zusammenarbeit zwischen Gerst, Wiseman und ihren Helfern über Funk: die Montage des Stromaggregats am Roboterarm.
Erschwert wurde auch dieser Teil durch die widrigen Verhältnisse im Außenbereich der ISS. Zum einen sind die Handschuhe – die Astronauten tragen zwei Paar übereinander – nicht gerade für feinmechanische Arbeiten gemacht, und an umherfliegende, mit Schnüren festgebundene Werkzeuge muss man sich auch erst einmal gewöhnen. Zum anderen hat Sicherheit oberste Priorität: Wie in einem Hochseilgarten müssen sich die Weltraummonteure stets mit Sicherheitsleinen festklinken, um sich nicht versehentlich zu weit von der mit rund 28.800 Kilometern pro Stunde dahinrasenden ISS zu entfernen. Wäre das doch einmal passiert, hätten sie zwar noch einen Rucksack mit Steuerdüsen gehabt; die sind aber wirklich nur für den Notfall gedacht.
Tag und Nacht im 45-Minuten-Rhythmus
Außerdem – das ist eine Folge der hohen Geschwindigkeit – änderten sich jede Dreiviertelstunde die Lichtverhältnisse. Arbeiteten die Astronauten gerade noch im hellen Sonnenschein, überquerten sie Minuten später die Tag- und-Nacht-Grenze und mussten sich plötzlich mit dem Schein ihrer Helmkameras begnügen. Angekündigt wurde den Spacewalkern Sonnenauf- und -untergang jeweils kurz vorher von ihrem Kontakt in der Bodenstation, da die Astronauten in ihrer Konzentration auf die Arbeit die Veränderungen am Horizont vielleicht nicht immer rechtzeitig bemerkt hätten. Um die Lichtverhältnisse ein wenig zu verbessern, reparierten Gerst und Wiseman übrigens noch eine Außenleuchte der ISS – Teil drei ihres Einsatzes.
Was die beiden dort draußen so trieben, war von der Erde aus live zu beobachten: Kameras außerhalb der Raumstation zeigten Bilder von den Arbeiten, außerdem hatten beide Astronauten Helmkameras und waren per Funk stets mit der Erde verbunden. Die NASA streamte diese Bild- und Tonaufnahmen über die komplette Länge im Internet, so dass jeder, der wollte, an dieser Mission teilhaben konnte – immer wieder mit Bildverlust, weil die ISS von einem Sendegebiet ins nächste flog und der Satellitenkontakt erst wieder hergestellt werden musste. Die Bodenstationen, unter anderem das DLR in Köln, verwendeten dieselben Aufnahmen neben einer Reihe von Zusatzinformationen, um die Arbeiten und die Vitalfunktionen der Astronauten zu überwachen.
Ein Einsatz wie aus dem Lehrbuch
Beides lief tadellos und darüber hinaus schneller als gedacht: Schon bei den ersten Arbeiten waren die Astronauten ihrem Zeitplan ein paar Minuten voraus, ein Vorsprung, den sie mit konzentrierter Arbeitsweise hielten und sogar noch ausbauten. Anders als ursprünglich vorgesehen, übernahmen sie jedoch keine vorbereitenden Zusatzarbeiten für nachfolgende Außenmissionen, sondern kehrten etwas früher als gedacht in die Schleuse zur ISS zurück. Die Verantwortlichen auf der Erde waren höchst zufrieden: Der Einsatz der beiden Spacewalk-Erstlinge sei spektakulär, aber dabei wie aus den Lehrbuch gewesen, hieß es.
Für Alexander Gerst war dieser Ausflug der erste und letzte Spacewalk dieser Mission, sein Kollege Reid Wiseman dagegen geht am 15. Oktober ein zweites Mal raus. Mit dabei ist dann Barry Wilmore, während Gerst den Einsatz innerhalb der Raumstation unterstützt. Am 22. Oktober werden dann die russischen Teilnehmer der Expedition 41, die Kosmonauten Alexander Samokutyaev and Max Suraev, die ISS Richtung Weltraum verlassen.
Gerst fehlten die Worte, um das Erlebte zu beschreiben
Alexander Gerst hat schon wenige Stunden nach seinem einzigartigen Trip ein Bild in den sozialen Netzwerken gepostet, das Wiseman, Teile der ISS und im Hintergrund den Erdball zeigt. Worte, um zu beschreiben, was er erlebt habe, hätte er noch nicht, schreibt er tief beeindruckt. Aber das Foto gebe sicherlich einen guten Eindruck von der Mission.
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