Fahren ohne AdBlue 18.01.2017, 12:54 Uhr

Manipulierte Lkw aus Osteuropa verpesten die Luft

Es ist erst wenige Wochen her, da titelten wir, dass Lkw inzwischen sauberer sind als Dieselautos. Das stimmt auch weiterhin – nur leider nicht für Lkw aus Osteuropa. Die sind teilweise so manipuliert, dass sie ohne AdBlue fahren und deshalb die Luft extrem stark verpesten. Zugleich werden Mautgebühren in Millionenhöhe hinterzogen.

Kontrolle eines osteuropäischen Lkw: Viele der Lkw sind so manipuliert, dass sie ohne AdBlue unterwegs sind. Dadurch steigt der Schadstoffausstoß stark an.

Kontrolle eines osteuropäischen Lkw: Viele der Lkw sind so manipuliert, dass sie ohne AdBlue unterwegs sind. Dadurch steigt der Schadstoffausstoß stark an.

Foto: Christian Bock/ZDF

Die Tester des ZDF und des Transport-Verbandes Camion Pro waren ziemlich überrascht, als sie auf deutschen Autobahnen hinter modernen Lkw aus Osteuropa mit ihrem Messwagen unterwegs waren. Obwohl vor ihnen neue Laster von MAN, Mercedes, Iveco oder Scania mit Euro 5 oder sogar Euro-6-Zulassung fuhren, waren die Abgaswerte direkt hinter dem Laster katastrophal.

Die Werte für giftige Stickoxide NOx, die auch die Hauptrolle im Dieselskandal von VW und inzwischen Fiat Chrysler spielen, waren so hoch, dass die Abgasreinigung unmöglich arbeiten konnte.

Osteuropäische Lkw fahren ohne AdBlue

Durch verdeckte Recherchen in Rumänien und bei polizeilichen Kontrollen in Polen kamen die ZDF-Reporter kriminellen Manipulationen auf die Spur. In Osteuropa bauen Werkstätten in die modernen Lkw kleine elektronische Geräte ein, die es ermöglichen, dass die Lkw auch mit leerem AdBlue-Tank weiterfahren können.

Kleiner Kasten mit großer Wirkung: Ein polnischer Polizist zeigt den AdBlue-Emulator, mit dem offenbar rund 20 % osteuropäischer Lkw in Deutschland unterwegs sind. Dadurch können die Lkw auch ohne AdBlue fahren.

Kleiner Kasten mit großer Wirkung: Ein polnischer Polizist zeigt den AdBlue-Emulator, mit dem offenbar rund 20 % osteuropäischer Lkw in Deutschland unterwegs sind. Dadurch können die Lkw auch ohne AdBlue fahren.

Quelle: Christian Bock/ZDF

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Das wässrige Harnstoffgemisch sorgt dafür, dass moderne Laster nur noch Wasser und Stickstoff ausstoßen. AdBlue besteht zu 32,5 % aus Harnstoff und aus demineralisiertem Wasser. Das Gemisch wird in den Abgasstrom eingesprüht und führt zu einer katalytischen Reaktion und bewirkt damit, dass umweltschädliche Stickoxide fast vollständig in Wasserdampf und atmosphärischen Stickstoff umgewandelt werden.

AdBlue kostet rund 50 Cent pro Liter. Der AdBlue-Verbrauch eines Lkw liegt laut Aral bei 5 % des Dieselverbrauchs in Litern. Bei einem Dieselverbrauch von 30 Litern auf 100 km sind das also rund 1,5 Liter AdBlue. Macht 75 Cent auf 100 km – und das ist osteuropäischen Spediteuren offenbar zu viel.

AdBlue lässt sich ganz unkompliziert wie Diesel einfach nachtanken.

AdBlue lässt sich ganz unkompliziert wie Diesel einfach nachtanken.

Quelle: Aral

Dabei sind Lkw dank dieser Technik längst viel sauberer als Diesel-Pkw. Wenn allerdings der AdBlue-Tank leer ist oder die Einspritzanlage defekt ist, wird aus dem sauberen Brummi eine Dreckschleuder. Doch eigentlich können Lkw ohne AdBlue gar nicht richtig fahren.

Bordelektronik wird manipuliert

Denn die Bordelektronik ist so eingestellt, dass ein Lkw ohne AdBlue mit deutlich geringerer Leistung und schließlich gar nicht mehr fahren kann. Scania-Produktmanager Örjan Aslund beschreibt im Fachportal Eurotransport, dass die Fahrzeugher­steller mehrere Stufen von Sanktionen in der Bordelektronik eingebaut haben.

Bei Lkw mit Euro-5-Zulassung wird die Motorleistung um 25 bis 40 % reduziert. Euro-6-Fahrzeuge verfügen über eine weitere Eskalationsstufe. Wird AdBlue auch nach Reduzierung der Motorleistung nicht nachgefüllt, sinkt das Tempo auf nur noch 20 km/h. Bei Iveco wird dieser so genannte Kriechmodus bei einem Füllstand des AdBlue von nur noch 5 % aktiviert.

Die Geräte zur Manipulation der Bordelektronik sind klein und für nur 60 Euro im Internet zu haben.

Die Geräte zur Manipulation der Bordelektronik sind klein und für nur 60 Euro im Internet zu haben.

Quelle: Christian Bock/ZDF

Bei den vom ZDF auf der Autobahn entdeckten Lkw aus Osteuropa waren jedoch trotz extremer NOx-Werte keine Drosselungen festzustellen. Die Erklärung: Die Bordelektronik der Lkw ist manipuliert. Die Reporter fanden im Internet die Möglichkeit, für rund 60 Euro ein Gerät zu kaufen, dass den Einsatz von AdBlue simuliert und die Sanktionen der Bordelektronik unterbindet. Den Einbau bieten zum Beispiel Werkstätten in Rumänien an.

Schäden für Umwelt größer als durch VW-Skandal in USA

Nach ZDF-Recherchen sollen 20 % aller Lkw aus Osteuropa manipulierte Abgasanlagen haben. Die osteuropäischen Lkw-Halter betrügen den deutschen Staat dadurch jährlich um etwa 110 Millionen Euro bei der Lkw-Maut. Denn eigentlich müssten sie wegen des hohen Schadstoffausstoßes viel höhere Mautgebühren zahlen. Zudem sparen sie die Kosten für das AdBlue.

AdBlue-Emulatoren werden im Internet ganz offen angeboten. Auf dieser Webseite bei Ali Express ist der Emulator für MAN-Lkw schon ausverkauft.

AdBlue-Emulatoren werden im Internet ganz offen angeboten. Auf dieser Webseite bei Ali Express ist der Emulator für MAN-Lkw schon ausverkauft.

Quelle: Ali Express

Dieser AdBlue-Emulator aus dem Internet ist zwar mit 120 Euro etwas teurer, dafür passt er zur Bordelektronik aller gängigen Lkw-Marken. Wieso schreitet niemand gegen den Verkauf dieser illegalen Geräte ein?

Dieser AdBlue-Emulator aus dem Internet ist zwar mit 120 Euro etwas teurer, dafür passt er zur Bordelektronik aller gängigen Lkw-Marken. Wieso schreitet niemand gegen den Verkauf dieser illegalen Geräte ein?

Quelle: iSkyGadgets.com

Der Schaden für die Umwelt ist mit einem Ausstoß von rund 14.000 Tonnen NOx pro Jahr laut Experten doppelt so groß wie bei den Abgas-Manipulationen von VW in den USA, berichtet das ZDF. Erstaunlich an dem Skandal ist, dass die Polizei bei den zahlreichen Lkw-Kontrollen auf den Autobahnen den AdBlue-Tank und die Bordelektronik nicht kontrolliert. Ein Beamter sagte dem ZDF, das sei kein Kontrollschwerpunkt.

Ein Beitrag von:

  • Axel Mörer-Funk

    Axel Mörer-Funk ist Gesellschafter der Medienagentur S-Press in Bonn. Nach einem Volontariat beim Bonner Generalanzeiger und dem Besuch der Journalistenschule Hamburg arbeitete er u.a. als freier Journalist für dpa, Bunte und Wirtschaftswoche.

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