Im Maschinenbau herrscht der Kampf um Köpfe
Die Maschinenbau-Konkurrenz ist in Baden-Württemberg groß, der Fachkräftepool klein. Zwei Beispiele, wie Firmen Personalprobleme angehen.
Balluff, Festo, Bosch. Alle mit Rang und Namen befinden sich mehr oder weniger im Einzugsbereich von Neuhausen auf den Fildern. Porsche und Daimler sind auch nicht weit weg. „Da muss man sich zur Mitarbeitergewinnung immer wieder etwas einfallen lassen“, sagt Nils Tersteegen, der das Marketing bei Fanuc leitet.
Innovationen aus dem baden-württembergischen Mittelstand
Der japanische Robotikspezialist Fanuc beschäftigt am Standort rund 500 Mitarbeitende, ein Teil gehört zur Europagesellschaft des Unternehmens mit Technik- und Entwicklungsbereichen. Fanucs Ursprung liegt bei den CNC-Systemen, also bei der Steuerung von Werkzeugmaschinen. „Das ist weltweit gesehen immer noch eine unserer treibenden Kräfte“, sagt der Marketingchef. Aber: Deutschland ist wegen des starken Automobilmarkts der Treiber für Robotik und Automatisierung. „Wir betreuen die deutschen Maschinenbauer eng und sind sehr nah dran, wenn der Roboter am Auto arbeitet“, betont Tersteegen. An erster Stelle steht: Wie kann man Autos effizienter, schneller, besser bauen? Tatsächlich machen Roboter aber noch viele andere Sachen. Sie palettieren oder sammeln Rollrasen auf, kommissionieren Käse, backen Brot.
Schon in Schulen wirbt Fanuc um Mitarbeitende von morgen
Mehr und mehr Branchen entdecken den Roboter für sich.Fanucs Roboterspektrum mit über 200 Modellen reicht von 500 g bis 2,3 t, die sie bewegen können. Der Weltmarktführer hat eine Kapazität von 13.500 Robotern im Monat, beliefert den deutschen Maschinenbau und vor allem den klassischen baden-württembergischen Mittelstand vom Neuhausener Standort.
„Wir haben eine große Herausforderung, Leute zu finden, die hier eine Ausbildung machen oder bei uns als Programmierer anfangen wollen“, sagt der Marketingleiter. Deshalb ist Fanuc im positiven Sinne kreativ, um den Azubis Mehrwert zu bieten. Es gibt Ausbildungskooperationen mit Festo und Azubi-Austausche mit Porsche. Aber was tun, wenn die Boomer gehen? „Wichtig ist, so früh wie möglich einen Wissenstransfer zu schaffen“, findet Tersteegen. Die ältere Generation soll im Idealfall ihr Wissen und die Erfahrung komplett an die jüngere Generation weitergeben. Das können gemeinsame Projekte sein, in denen die Boomer mit der Ausbildungsgeneration zusammenarbeiten. Allerdings sei klar: Der demografische Wandel wird eine Lücke hinterlassen. „Robotik und KI können diesen Transformationsprozess unterstützen“, betont Tersteegen.
Marketing ist im Maschinenbau ein Treiber für langfristiges Wachstum
Das Anwerben neuer Mitarbeitender geht schon in der Schule los: Mitte Juli gibt es zum zweiten Mal den Tag der offenen Tür bei Fanuc, dann wird der Ort zur Robotikspielwiese. Sieben Schulen aus dem Umkreis treten in einem Wettbewerb gegeneinander an und lösen Programmieraufgaben. „Wir möchten schon Schüler und Schülerinnen an den Roboter ranbringen“, sagt Tersteegen. Zudem ist da die Frage nach der Work-Life-Balance: „Die Bereitschaft der heutigen Generation, weniger zu arbeiten und mehr Freizeit zu haben, sehe ich durchaus, dahin geht der Trend.“ Die Frage ist demnach: „Wie können wir unsere Arbeitszeit deutlich effizienter nutzen?“ Auch hierbei kann KI Prozessabläufe besser machen.
Der Automatisierer Pilz setzt einen Schwerpunkt in der Weiterbildung
Wie eine Karriere bei Fanuc aussieht, dafür gibt Tersteegen Beispiele. „Viele unserer jetzigen Ingenieure, die im technischen Sales-Support arbeiten, haben als Servicetechniker angefangen und die Abteilungen bis hin zum ,Expert‘ durchlaufen“, erläutert der Marketingleiter. „Manche machen sogar den Sprung ins Engineering hin zur Roboterprogrammierung und -verknüpfung.“ Auch der Fanuc-CEO der Europagesellschaft, Marco Ghirardello, hat solch eine Karriere hingelegt. Angefangen hat er als Servicetechniker in Italien, dann arbeitete er sich hoch. 2016 wurde er Geschäftsführer von Fanuc Italien, 2023 wurde er zum CEO von Fanuc Europe. Alles sei durch eine hohe Durchlässigkeit zwischen den Karrierestufen geprägt. Zusätzlich unterstützt der Konzern mit externen Schulungen.
Ebenso macht man sich beim Unternehmen Pilz Gedanken, wie der Generationswechsel gelingen kann. Der in Ostfildern ansässige familiengeführte Automatisierer hat vor Ort ungefähr 1000, die Pilz-Gruppe insgesamt hat 2500 Beschäftigte. „Wir brauchen Fachkräfte, das ist klar. Aber wir sind hier in der Region im Wettbewerb mit anderen aus dem Bereich Maschinenbau“, berichtet Pressesprecher Martin Kurth.
Unternehmen: Der steinige Weg zur Familienfreundlichkeit
Pilz setzt darauf, den Fachkräftebedarf zu einem guten Teil über eine eigene Aus- und Weiterbildung zu sichern. „Wir haben 44 junge Menschen, die bei uns eine Ausbildung oder ein duales Studium absolvieren“, so Kurth. Das Angebot reicht von der klassischen Automatisierungstechnik über IT und IT-Sicherheit bis zu Elektrotechnik und Wirtschaftsinformatik. Oder die Ausbildungsberufe wie Elektroniker, Mechatroniker und Fachinformatiker. In diesem Jahr gibt es erstmals einen kaufmännischen Ausbildungslehrgang.
Pilz pflegt Kooperationen mit Hochschulen und Forschungsinitiativen
Für Pilz gehört es zum Selbstverständnis, die Azubis zu übernehmen, wenn sie die Prüfungen bestehen. Sie können außerdem ins Ausland gehen. „Wir wollen den Menschen mehr bieten als nur das, was im Lehrplan steht“, sagt Kurth. Kooperationen mit Hochschulen, Forschungsinitiativen wie der Arena 2036 stehen auf der Tagesordnung. Außerdem hat Pilz ein Programm gestartet, um auf die Herausforderungen des demografischen Wandels zu reagieren und um „den Übergang nicht schlagartig zu machen, sondern behutsam Nachfolger aufzubauen“.
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