Der öffentliche Dienst in NRW bietet Ingenieuren und Ingenieurinnen vielfältige Jobchancen
Fast alle Städte in Nordrhein-Westfalen (NRW) suchen Ingenieurinnen und Ingenieure. Vakanzen finden sich vor allem in den Bereichen Bauen, Planen und Umwelttechnik. Es warten Tätigkeiten fürs öffentliche Gemeinwesen.
Schnüffelnde Spürhunde sind bei Einsätzen der Polizei keine Seltenheit. Doch „Spot“, der hundeähnliche Laufroboter von Boston Dynamics, ist eine ganz außergewöhnliche Züchtung. Sein Zuhause ist das „Innovation Lab“ des Landesamts für Zentrale Polizeiliche Dienste (LZPD) in Duisburg, das eine von drei Landesoberbehörden der Polizei in NRW ist. Im „Innovation Lab“, Anfang 2022 eröffnet, werden nachhaltige Innovationen auf den Weg gebracht. Und damit das gelingt, stecken dort nicht nur Polizisten, sondern auch Ingenieurinnen die Köpfe zusammen, um die technische Ausstattung der Polizei weiterzuentwickeln.
„Der Fachkräftemangel bereitet den Kommunen große Sorgen. Bis 2030 werden 30 % der Beschäftigten in den Ruhestand gehen. Da können wir nicht mehr von Lücken in der Personaldecke reden, sondern nur noch von einem weiten Loch.“ Christof Sommer, Hauptgeschäftsführer beim Städte- und Gemeindebund NRW
Durch die Tests mit „Spot“ beispielsweise soll herausgefunden werden, in welchen Bereichen der Roboter der Polizei nützlich sein kann. „Durch die voranschreitende Digitalisierung und Technisierung der Arbeit des LZPD NRW im Speziellen und der Polizei NRW im Allgemeinen ist die Bedeutung von Ingenieuren und Ingenieurinnen bereits heute essenziell und wird vermutlich weiter zunehmen“, so Polizeihauptkommissar Timm Wandel vom LZPD. In ganz NRW sind bei der Polizei weit über 200 Ingenieure und Ingenieurinnen beschäftigt. Denn es müssen Polizeiwachen gebaut, die E-Mobilität muss vorangebracht werden und es muss garantiert sein, dass Hubschrauber und Streifenwagen jederzeit einsatzbereit sind.
Im Bereich Verkehr und Infrastruktur arbeiten Ingenieure und Ingenieurinnen als Mobilitätsmanager oder Verkehrsplaner
Technische Fach- und Führungskräfte sind in zahlreichen Bereichen des öffentlichen Dienstes zu finden. Die Statistik der Bundesagentur für Arbeit in NRW weist für das vergangene Jahr 14 600 beschäftigte Ingenieure und Ingenieurinnen auf. Softwareentwicklerinnen und -entwickler kümmern sich um die Digitalisierung kommunaler Verwaltungen, damit Bürger und Bürgerinnen immer mehr online erledigen können. Ein großer Bereich sind Verkehr und Infrastruktur, wo Ingenieure und Ingenieurinnen als Mobilitätsmanager oder Verkehrsplaner tätig sind. Oder sie arbeiten als Projektentwickler im öffentlichen Wohnungsbau oder als Projektingenieure bei städtischen Verkehrsbetrieben. Im Ressort „Natur und Umwelt“ ist Ingenieurwissen ebenso gefragt. Ingenieurexpertise wird in der Abfallwirtschaft oder in der Landschaftsökologie gebraucht. Oder sie wirken als Gutachter oder Sachverständige für Umweltfragen, wenn es beispielsweise um Altlasten bei Bauvorhaben geht.
Die Gemeinde setzt die Rahmenbedingung für das Zusammenleben, technische Fachkräfte wirken mit und gestalten
Weil es kaum eine Stadt in NRW gibt, die nicht nach Ingenieuren und Ingenieurinnen Ausschau hält, insbesondere in den Bereichen Bauen und Planen und Umwelt, eröffnen sich für Berufseinsteiger wie auch Berufserfahrene sehr gute Möglichkeiten. Und die Nachfrage wird sich noch steigern. Christof Sommer, Hauptgeschäftsführer beim Städte- und Gemeindebund NRW, sieht enorme Herausforderungen auf die Städte zukommen: „Der Fachkräftemangel bereitet den Kommunen große Sorgen. Bis 2030 werden 30 % der Beschäftigten in den Ruhestand gehen. Da können wir nicht mehr von Lücken in der Personaldecke reden, sondern nur noch von einem weiten Loch.“ Und der Fachkräftemangel betrifft auch die verschiedenen Ingenieurberufe. Sommer unterstreicht: „Eine Gemeinde muss die Rahmenbedingungen organisieren, damit die Menschen gut in ihr leben können. Dafür brauchen wir in einer Vielzahl von Handlungsfeldern Ingenieurwissen. Das beginnt mit Straßenbau, Umwelttechnik und Abwasser und reicht bis zur IT, zur Stadt- und Raumplanung oder zum Klimaschutz.“
Die Stadt Dortmund hat einen Film über das Berufsbild des Ingenieurs gedreht
Um dieser Bedeutung gerecht zu werden, hat die Personalgewinnung bei Städten und Kreisen einen größeren Stellenwert erhalten. Das Recruiting wurde vielseitiger. Städte wie Köln, Bochum, Dortmund oder Landkreise wie der Rhein-Sieg-Kreis, einer der größten Kreise Deutschlands mit über 600 000 Einwohnern, sind längst in den sozialen Medien aktiv, sie sind mit Vorträgen an den Unis und Schulen unterwegs und laden zu Stellenbörsen ein oder nehmen an Recruiting-Veranstaltungen teil. So hat die Stadt Dortmund, um bessere und authentische Einblicke in das Berufsbild der Ingenieure/Ingenieurinnen zu vermitteln, einen berufsspezifischen Recruitingfilm gedreht. Dieser wird unter anderem bei Ausschreibungen für Architekten und Ingenieure als zusätzliche Werbemaßnahme verwendet. Transparenz und Nähe sind das Gebot der Stunde. Mit dem populären Medium werden bereits das direkte Arbeitsumfeld, einzelne Projekte und teilweise zukünftige Arbeitskollegen präsentiert.
Beim Gehalt ist der öffentliche Dienst oft in der Defensive, lockt aber mit Personalentwicklung und Work-Life-Balance als Benefit
Geht es um das Gehalt, gerät der öffentliche Dienst oftmals in die Defensive, gerade wenn Bewerber und Bewerberinnen die Bezahlung mit vergleichbaren Positionen in der freien Wirtschaft betrachten. Die Stadt Köln arbeitet deshalb seit Jahren daran, sich als attraktive Arbeitgeberin fortzuentwickeln. Sie setzt auf ein crossmediales Personalmarketing, um den Klischees wie „verstaubt“ und „langweilig“ aktiv entgegenzutreten und rückt dabei die vielfältigen Einsatzfelder und Benefits in den Vordergrund. Sie präsentiert sich als eine Arbeitgeberin, „die Ingenieuren und Ingenieurinnen eine planbare und aller Krisen unserer Zeit zum Trotz verlässliche Zukunft garantiert“, unterstreicht die Stadtverwaltung.
Die Aufgaben seien in hohem Maße herausfordernd und sinnstiftend. Ingenieure und Ingenieurinnen seien aktiv an der Weiterentwicklung der viertgrößten Stadt Deutschlands beteiligt, lautet das Credo. Mit einer ausgeglichenen Work-Life-Balance und der guten Vereinbarkeit von Privat- und Arbeitsleben sowie einer umfangreichen Personalentwicklung werden Benefits aufgeführt, die bei vielen gerade großen Städten mittlerweile üblich sind. Die Domstadt verweist außerdem auf die Möglichkeit einer Fachkräftezulage für Ingenieure und Ingenieurinnen oder auf Aufstiegsmöglichkeiten im technischen Dienst und damit der Befähigungserwerb für den ehemals höheren Dienst.
Auch wenn die Arbeitgeberin Stadt Dortmund ihre Personalgewinnung sehr vielseitig und modern aufgestellt hat, muss auch sie feststellen, dass es gerade in Ingenieur- und IT-Berufen schwierig ist, angesichts der beamten- und tarifrechtlichen Rahmenbedingungen beim monatlichen Entgelt mit der freien Wirtschaft zu konkurrieren. Das sieht auch Ingo Rauhut, VDI-Geschäftsführer Fachbeirat Beruf & Arbeit sowie Ingenieurausbildung, so: „In Bezug auf Ingenieure und Ingenieurinnen tut sich der Arbeitsmarkt im öffentlichen Dienst äußerst schwer – insbesondere im Hinblick auf die Konkurrenz privatwirtschaftlicher Unternehmen. Geringe Verdienst- und Karrieremöglichkeiten auf der einen Seite stehen auf der anderen Seite besseren Möglichkeiten der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gegenüber.“
Zusätzliche Altersvorsorge über die Zusatzversorgungskassen
Es gibt aber auch laut Städte- und Gemeindebund NRW Lichtblicke in Sachen Gehalt. Geschäftsführer Christof Sommer vertritt die Meinung: „Im Übrigen ist (im öffentlichen Dienst, Anm. d. Red.) die Bezahlung besser als ihr Ruf. Die Kommunen bieten zum Beispiel über die Zusatzversorgungskassen eine Art Betriebsrente plus. Es gibt immer wieder Quereinsteiger, die aus der Wirtschaft zu uns wechseln. Im Privaten ist auch nicht alles Gold, was glänzt. Die Kommunen können zudem im Wettbewerb um die klügsten Köpfe mit Verlässlichkeit und flexiblen Arbeitszeitmodellen punkten.“ Deshalb verfolgt die Stadt Dortmund die Strategie, Bewerber und Bewerberinnen mit Argumenten wie Jobsicherheit, familienfreundliche Arbeitsbedingungen, ausgewogene Work-Life-Balance und Homeoffice anzulocken. Attraktiv ist in der westfälischen Stadt auch das Angebot fachspezifischer Fortbildung für Ingenieure mit zeitgemäßen Formaten wie E-Learning und Podcasts.
„Wer für die Kommunen arbeitet, arbeitet für das Gemeinwesen. Die eigene Zukunft und das Zusammenleben vor Ort kann er oder sie sehr konkret mitgestalten. Viele junge Menschen wünschen sich nach meinem Eindruck eine Aufgabe, mit der sie sich zu 100 % identifizieren können. Und da haben die Kommunen ein sehr attraktives Angebot.“ Christof Sommer, Hauptgeschäftsführer beim Städte- und Gemeindebund NRW
Stadt Bochum betont die soziale Dimension der Arbeit und die Attraktivität der Gestaltungsmöglichkeiten im Tiefbau
Für alle Ingenieure und Ingenieurinnen, für die das Gehalt nicht alles ist, könnte das, was sich die Stadt Bochum auf die Fahnen geschrieben hat, von Wert sein, nämlich die soziale Dimension von Arbeit. „Die Stadt Bochum ist eine Arbeitgeberin, die die soziale Verantwortung gegenüber ihren Beschäftigten ernst nimmt“, heißt es auf Anfrage von VDI nachrichten. Sie nennt familienfreundliche Arbeitsbedingungen, ein diskriminierungsfreies Arbeitsumfeld und die Förderung von Vereinbarkeitsthemen. Für dieses Engagement hat sie Zertifikate und Prädikate eingeheimst. Darüber hinaus gibt es noch Besonderheiten in einzelnen Bereichen. Ingenieure und Ingenieurinnen interessiert sicher ein Beispiel aus dem Tiefbauamt, das eine Bewerbung in der Ruhrgebietsstadt begünstigen könnte. „Die Stadt Bochum ist für den Bereich der Bauingenieurinnen und Bauingenieure des Tiefbauamts – im Gegensatz zu vielen anderen Kommunen – in der glücklichen Lage, dass nicht nur Aufträge an externe Dritte vergeben werden, sondern diverse Maßnahmen in den Fachrichtungen Straße, Kanal, konstruktiver Ingenieurbau selber zu planen. Damit werden die gleichen anspruchsvollen und interessanten Aufgaben ausgeübt wie in einem Ingenieurbüro. Mit zwei wichtigen Innovationsschwerpunkten – Radverkehr und Schwammstadt (Anmerk. d. Red.: Konzept der Stadtplanung, anfallendes Regenwasser in Städten lokal aufzunehmen und zu speichern) – werden hier extrem attraktive, herausfordernde und zukunftsträchtige Aufgaben geboten“, heißt es aus der Stadtverwaltung. Dem eventuellen Vorbehalt von technischen Fachkräften, im öffentlichen Dienst nur verwalten zu müssen und nicht gestalten zu können, will Bochum mit dieser Strategie begegnen.
Bedeutung der Tätigkeiten beim Kreis haben in den Krisenzeiten an Bedeutung gewonnen
Als sinnstiftender Arbeitgeber, der mit seinen Fachkräften, unter anderem mit Ingenieuren, die Menschen vor Ort im Blick hat, versteht sich auch der Rhein-Sieg-Kreis. Verstärkung braucht die Kreisverwaltung fürs Bauen und Planen sowie jüngst auch für den Bevölkerungsschutz. Der Kreis sucht unter anderem Rettungsingenieure. Vor allem in den zuletzt aufgetretenen Krisensituationen – Corona, Ukrainekrieg und Flutkatastrophe – sei noch einmal deutlich geworden, dass die Tätigkeiten beim Kreis einen bedeutenden Stellenwert haben. Gerade durch die Krisen, so eine Beobachtung der Kreisverwaltung, habe sich das Bild des öffentlichen Dienstes in Teilen zum Positiven verändert.
Das Image des öffentlichen Dienstes von „verstaubt“ und „langweilig“ halte sich zwar hartnäckig, sei aber überholt, so Sommer. Auf ein gewisses Alleinstellungsmerkmal des öffentlichen Dienstes, bei dem so manches Unternehmen nicht mithalten könne, verweist der Hauptgeschäftsführer beim Städte- und Gemeindebund NRW: „Wer für die Kommunen arbeitet, arbeitet für das Gemeinwesen. Die eigene Zukunft und das Zusammenleben vor Ort kann er oder sie sehr konkret mitgestalten. Viele junge Menschen wünschen sich nach meinem Eindruck eine Aufgabe, mit der sie sich zu 100 % identifizieren können. Und da haben die Kommunen ein sehr attraktives Angebot.“
Quelle: VDI-nachrichten von 17.03.2023
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