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Nachruf 17.05.2023, 17:19 Uhr

In Memoriam Prof. Konrad Zilch

Konrad Zilch, der über 20 Jahre lang Herausgeber der Fachzeitschrift Bauingenieur war und von 1999 bis 2014 als Sprecher der Herausgeber wirkte, ist verstorben.

Konrad Zilch (1944-2023). Foto: ZM-I

Konrad Zilch (1944-2023).

Foto: ZM-I

Für die Fachwelt völlig überraschend verstarb em. Prof. Dr.-Ing. habil. Dr.-Ing. E.h. Konrad Zilch am 6. April 2023 im Alter von 78 Jahren. An vielen herausragenden Projekten wirkte er über Jahrzehnte und bis zuletzt mit großem gestalterischen Einfluss aktiv mit. Entsprechend groß sind die Lücken, die er hinterlässt.

Wissenschaftliche Ausbildung

Konrad Zilch wurde 1944 in Friedewald in Hessen geboren. Ab 1964 studierte Bauingenieurwesen an der damaligen Technischen Hochschule Darmstadt und schloss dort 1969 erfolgreich mit dem Diplom ab. Anschließend war er – unterbrochen durch einen mehrjährigen Arbeits- und Forschungsaufenthalt in den USA und Kanada – bis 1977 am Lehrstuhl für Massivbau dieser Hochschule als wissenschaftlicher Mitarbeiter zunächst für Professor Hubert Beck und später für Professor Gert König tätig.

In dieser Zeit entstanden wichtige Arbeiten insbesondere zu Einwirkungen auf Bauwerke und sicherheitstheoretischen Fragestellungen. In seiner Dissertation setzte er sich mit der Berechnung stabilitätsgefährdeter ebener regelmäßiger Windrahmen auseinander und wurde 1976 an der TH Darmstadt zum Dr.-Ing. promoviert.

Berufliche Laufbahn

Als er 1979 in die Strabag Bau AG eintrat, hatte er zuvor bereits in verschiedenen Ingenieurbüros im In- und Ausland Erfahrungen gesammelt, so dass er rasch mit stets steigender Verantwortung als Projekt-, Bau- und Abteilungsleiter für anspruchsvolle Projekte wie die Hochbrücke Brunsbüttel und die Mainbrücke Veitshöchheim eingesetzt wurde.

Den Kontakt zur TH Darmstadt hatte er auch während seiner Tätigkeit in der Praxis als Lehrbeauftragter weiterhin gehalten und sich 1982 habilitiert. So war es nur konsequent, dass er 1988 einen Ruf an die RWTH Aachen erhielt. Dort war er fünf Jahre als Inhaber des Lehrstuhls für Baustatik tätig, bis er 1993 dem Ruf an die Technische Universität München folgte. Als Ordinarius für Massivbau und Mitglied der kollegialen Leitung des Materialprüfungsamts für das Bauwesen (MPA BAU) und des Laboratoriums für den konstruktiven Ingenieurbau (LKI) wandte er sich ab diesem Zeitpunkt neben theoretischen Fragestellungen auch intensiv der experimentellen Forschung zu.

Thematische Schwerpunkte

Sein großes Engagement und seine erfolgreiche Tätigkeit in der Forschung spiegeln die mittlerweile weit über 300 Veröffentlichungen und zahlreiche Konferenzbeiträge, über 50 als Doktorvater betreute Dissertationen und Habilitationsschriften.

Neben anderen Arbeiten zu verschiedenen Fragestellungen lieferten Konrad Zilch und seine Mitarbeiter und Doktoranden wesentliche Beiträge zu den folgenden Themen:

  • Windeinwirkungen,
  • seismische Beanspruchung von Mauerwerk,
  • nichtlineare Berechnung von Stahlbeton- und Spannbetonbauteilen,
  • Sicherheitskonzepte, Nachrechnung und Verstärkung von Bauteilen,
  • Widerstand gegen Ermüdung von Beton und Bewehrung,
  • bemessungsrelevante Eigenschaften von Beton mit rezykliertem Zuschlag,
  • hochfestem Beton und ultrahochfestem Beton,
  • verbundlose interne und externe Vorspannung, Querkraft- und Durchstanztragfähigkeit.

Gemeinsam mit seinen Partnern legte er 2001 mit der Zilch + Müller Ingenieure GmbH den Grundstein für die ZM-I Gruppe mit zahlreichen Standorten und Tochtergesellschaften, die heute mit über 120 Mitarbeitern das gesamte Leistungsspektrum der Beratung, Planung, Prüfung und Begutachtung im Bereich des konstruktiven Ingenieurbaus werkstoffübergreifend abdecken.

Gremienarbeit

Seine einzigartige persönliche Kompetenz als renommierter Professor für Statik und für Massivbau, als Bauleiter und als entwerfender, planender oder prüfender Ingenieur brachte er bis zuletzt in viele nationale und internationale Gremien wie DAfStb und fib, DIN und CEN sowie zahlreiche Sachverständigenausschüsse beim DIBt und andere Behörden auf Bundes- und Landesebene ein und prägte durch fundierte, mechanisch begründete Bemessungsansätze und seine Beharrlichkeit deren Arbeit und Ergebnisse.

In seine Zeit als Obmann des Technischen Ausschusses „Bemessung und Konstruktion“ des DAfStb fällt die grundlegende Umstellung der Stahl- und Spannbetonnormen im Hinblick auf die Einführung der Eurocodes sowie aller auf diesen Dokumenten beruhenden technischen Baubestimmungen, deren rasche Akzeptanz er den Anwendern durch seine Erläuterungen zu DIN 1045–1 und Eurocode 2 in mehreren Betonkalender-Aufsätzen erleichterte.

Transfer von Forschungsergebnissen in die Praxis

Mit seinem stets engen Bezug zur Praxis war ihm neben seiner Leidenschaft für die Forschung auch immer der Transfer seiner Forschungsergebnisse in die Praxis ein besonderes Anliegen. Viele Jahre war er Herausgeber des „Bauingenieur“ und des „Handbuchs für Bauingenieure“. Sein gemeinsam mit Gerhard Zehetmaier verfasstes Grundlagenbuch „Bemessung im konstruktiven Betonbau“ sowie sein mit Frank Fingerloos und Josef Hegger herausgegebener Kommentar „Eurocode 2 für Deutschland“ gehen inhaltlich nochmals weit über die flankierend zur Normumstellung veröffentlichten Betonkalenderaufsätze hinaus und sind Standardwerke des Massivbaus sowohl für Studierende und junge Wissenschaftler als auch für Praktiker.

Auszeichnungen

Sein Wirken spiegeln auch die Auszeichnungen wider, die er erfuhr. So wurde ihm 2005 in Anerkennung seiner wissenschaftlichen Leistungen der Ehrendoktor der TU Darmstadt verliehen. 2006 wurde er mit der Ehrenplakette des Vereins Deutscher Ingenieure VDI und schließlich 2009 mit der Emil-Mörsch-Denkmünze des DBV ausgezeichnet.

Konrad Zilch (1944-2023).

Foto: ZM-I

Privates

Trotz seines hohen persönlichen Engagements im beruflichen Umfeld, bildete die Familie stets seinen Lebensmittelpunkt, um den herum die zahlreichen anderen Aufgaben angeordnet wurden. Bei seiner Frau und seinen Töchtern fand er andererseits den erforderlichen Rückhalt und die Kraft für sein erfolgreiches Berufsleben. Obwohl Konrad Zilch an vielen Stellen fehlen wird, gilt unser aufrichtiges Mitgefühl vor allem seiner Familie.

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Von Oliver Fischer, Roland Niedermeier, Technische Universität München, Lehrstuhl für Massivbau, MPA Bau / LKI