Josef Hegger zum 70. Geburtstag
Prof. Oliver Fischer von der Technischen Universität München gratuliert unserem Sprecher der Herausgeber Prof. Josef Hegger.
Es ist mir eine ganz besondere Ehre und Freude, Prof. Josef Hegger herzlichst zu seinem 70. Geburtstag zu gratulieren, den er am 31. Oktober feiern konnte. Als Ingenieur und Wissenschaftler hat er über Jahrzehnte nicht nur den Massivbau in Forschung und Praxis maßgeblich geprägt, sondern auch unzählige Studierende, Promovierende und Promovenden sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gefördert und sein gesamtes Umfeld, ebenso wie uns, seine Kolleginnen und Kollegen, nachhaltig inspiriert.
Sein erfolgreicher Werdegang und seine vielen wegweisenden Beiträge wurden bereits zu früheren Anlässen umfänglich gewürdigt – zuletzt erst im vergangenen Jahr anlässlich seiner feierlichen Verabschiedung und der Übergabe des „Staffelstabs“ am Lehrstuhl und dem Institut für Massivbau an seinen Nachfolger Martin Claßen. Dennoch möchte ich nochmals kurz zurückblicken, dabei versuchen auch auf Punkte einzugehen, die bisher noch kaum angesprochen wurden und vor allem die letzten Jahre etwas beleuchten.
Josef Hegger wurde am 31. Oktober 1954 in Tönisvorst, einer bei Krefeld gelegenen niederrheinischen Stadt mit heute knapp 30 000 Einwohnern geboren. Nach dem Abitur studierte er Bauingenieurwesen an der RWTH in Aachen, wo er 1979 das Diplom mit der Vertiefung Konstruktiver Ingenieurbau erfolgreich ablegte. Anschließend verließ der junge Absolvent, wie im vergangenen Jahr vom Laudator Prof. Jürgen Schnell bildlich gezeigt und für die meisten Zuhörer überraschend, mit langen Haaren und als „verwegener“ Motorradfahrer, zunächst seine Alma Mater, um seine wissenschaftliche Laufbahn als Assistent bei Prof. Karl Kordina am Lehrstuhl für Massivbau an der TU Braunschweig zu beginnen, wo er 1984 promoviert wurde. Danach führte ihn sein Weg für mehrere Jahre in die Bauindustrie, zuerst als Tragwerksplaner und Projekt-/Gruppenleiter im Technischen Büro, später als Bauleiter – da er zutreffend erkannte, dass dem Weg an die Spitze einer Bauunternehmung eine solche Position sicher förderlich sein würde. Unter seiner Leitung entstanden eindrucksvolle, technisch höchst anspruchsvolle Bauwerke, darunter mehrere Hochhäuser in Frankfurt, bei denen erstmals hochfester Beton – bis C 105 – zum Einsatz kam. Bereits aus der Planung mit initiiert, brachte er sich außerdem als verantwortlicher Bauleiter maßgeblich in die Zustimmungen im Einzelfall ein. Auf dem sicheren Weg zu einer steilen Karriere in der Bauwirtschaft wäre er fast für die reine Wissenschaft „verloren gegangen“; so musste er erst angesprochen werden, um im damaligen Auswahlverfahren vorzutragen, das ihn 1993 mit seiner Berufung an die RWTH Aachen zurückführte.
Als Ordinarius für Massivbau leitete er dann über drei Jahrzehnte das gleichnamige Institut, prägte Lehre, Forschung und Normung nachhaltig und entwickelte die anfangs vergleichsweise kleine experimentelle Einrichtung mit strategischem Geschick hin zu einem beeindruckenden hochleistungsfähigen Forschungszentrum mit internationaler Strahlkraft, mehreren großen Prüfhallen, innovativen Versuchsaufbauten sowie modernster Mess- und Regelungstechnik. Er war auch maßgebender Initiator des neuen „Center for Building and Infrastructure Engineering“ (CBI) der RWTH, gegründet um neue Trends im Bauwesen zu setzen, Industriepartner einzubinden und wegweisende Ideen effizienter und schneller in die Praxis zu überführen.
Neben seiner Hochschultätigkeit ist er seit 1994 Prüfingenieur für Massivbau und Holzbau, seit 1997 EBA-Prüfer im konstruktiven Ingenieur- und Brückenbau. Er gründete die Hegger+Partner Ingenieure GmbH – mittlerweile ein Ingenieurbüro mit über 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, das am Hauptsitz in Aachen und weiteren Standorten in ganz Deutschland viele bedeutende Ingenieurbauwerke in der Planung, Prüfung, Nachrechnung oder Begutachtung bearbeitete.
Seine vielfältigen Kenntnisse als Hochschullehrer und Forscher sowie seine Erfahrungen als praktisch tätiger Ingenieur ermöglichen Josef Hegger eine umfassende Gesamtbeurteilung auch kompliziertester fachtechnischer Zusammenhänge, die Identifikation baupraktisch relevanter Fragestellungen sowie das frühzeitige Erkennen möglicher Anwendungsfelder für neue Technologien. Je nach Erfordernis spannen seine dafür durchgeführten Forschungsarbeiten einen Bogen vom maßgeschneiderten Experiment über ein messtechnisch und durch numerische Simulation erzieltes vertieftes Verständnis der inneren Trag- und Schädigungsmechanismen (teilweise mit der eigenen 3D FE-Software „LIMFES“) bis hin zur Ableitung wirklichkeitsnaher Ingenieurmodelle und praxistauglicher Bemessungsansätze – häufig auch kombiniert mit der direkten Umsetzung in reale Pilotanwendungen. Dabei reicht das Spektrum seiner außergewöhnlich erfolgreichen, oft interdisziplinären Forschungsarbeiten von grundlegenden Fragen des Massivbaus, wie unter anderem zu Querkraft, Durchstanzen, Spannbeton-/Brückenbau und Verbundbau sowie das Bauen im Bestand, über die konstruktive Anwendung innovativer Materialien bis hin zum werkstoffgerechten Tragwerksentwurf und der Entwicklung ressourcenschonender Bauweisen.
Sein langfristiges strategisches Vorgehen in der Forschung zeigt sich beispielsweise in seinen Arbeiten zur nichtmetallischen Bewehrung. Seine eigenen Vorarbeiten und die langjährige, fruchtbare Zusammenarbeit mit der TU Dresden in der Grundlagenforschung (nicht zuletzt als Sprecher des über zwölf Jahre geförderten Sonderforschungsbereichs 532 „Textilbewehrter Beton“ der DFG), legten den Grundstein für die erfolgreiche Einwerbung des aktuellen gemeinsamen DFG-Transregio 280 Projektes„Konstruktionsprinzipien von materialminimierten Carbonbetonstrukturen“, zu dem im Juni dieses Jahres die zweite Phase bestätigt wurde und in der er die Standortleitung in Aachen an die jüngere Generation übergibt.
Mit seinen besonderen Kompetenzen und seinem unermüdlichem Elan bringt er sich seit vielen Jahren in unzählige nationale und internationale Normungs- und Fachgremien ein und hinterlässt dort seine Handschrift. Hervorzuheben sind dabei vor allem auch seine langjährige prägende Tätigkeit als Obmann des Ausschusses Bemessung und Konstruktion und seine vielen wertvollen Beiträge zur nächsten Generation des Eurocode 2.
In Fachvorträgen zieht er die Zuhörerschaft regelmäßig in seinen Bann und versteht es trefflich, auch komplexe Zusammenhänge fachlich präzise, dennoch sehr anschaulich und immer auch humorvoll zu präsentieren. Auch ist er jederzeit bereit, sein Wissen und seine Erfahrungen weiterzugeben, wovon wir nicht zuletzt auf unseren jährlichen Treffen der Kollegeninnen und Kollegen des Massivbaus profitieren durften. Persönlich möchte ich mich auch für die fruchtbare und freundschaftliche Zusammenarbeit der vergangenen Jahre bedanken, sei es zur Brückennachrechnung, zur Querkrafttragfähigkeit oder zur Verankerung oder Übergreifung von Bewehrung.
Eine beeindruckend große Zahl an Publikationen und Zitierungen, Fachbücher, eigene Herausgeberschaften, unter anderem des Bauingenieur, bisher 62 als Doktorvater betreute Dissertationen, unzählige Koreferate und wissenschaftliche Vorträge sowie eine ganze Reihe von höchsten Auszeichnungen und Würdigungen unterstreichen seine außergewöhnliche wissenschaftliche Lebensleistung. So wurde er bereits 2005 Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften, er erhielt die Ehre eines Fellows der RWTH und wurde 2021 mit der Emil-Mörsch-Denkmünze des Deutschen Beton- und Bautechnik-Vereins ausgezeichnet. Im September vergangenen Jahres verlieh ihm die Technische Universität Dresden für seine Forschung und sein großes Engagement in der Normung die Ehrendoktorwürde und schließlich erhielt er im Juni 2024 den Verdienstorden 1. Klasse, die höchste Anerkennung, die die Bundesrepublik Deutschland für Verdienste um das Gemeinwohl ausspricht.
Neben den fachlichen Fähigkeiten ist auch die Persönlichkeit von Josef Hegger beeindruckend: zielorientiert, präzise analysierend, immer verbindlich und ruhig, uneitel, hochdiszipliniert sowie mit großem taktischem Geschick agierend, und – wie seine Schülerinnen und Schüler einhellig berichten – ein sowohl fördernder als auch fordernder Lehrer und Vorgesetzter. So kommuniziert er stets klar seine Erwartungen, lässt gerne Freiräume für eigene Entwicklungen, erkennt aber auch, wenn eine engere Betreuung notwendig ist. Auf diese Weise hat er seine Doktorandinnen und Doktoranden nicht nur erfolgreich zur Promotion geführt, sondern eine ganze Reihe konnten auch auf Lehrstühle an renommierten Universitäten und Hochschulen für angewandte Wissenschaften berufen werden. Ebenso sind unzählige von ihm geprägte Studierende sowie Promovierende und Promovenden erfolgreich in der Bauwirtschaft tätig und nehmen dort verantwortliche Fach- und Führungspositionen ein.
Einen wichtigen Ausgleich fand und findet Josef Hegger im Sport und erreicht auch dort Höchstleistungen: im Skifahren, beim intensiven Tennisspiel oder beim Golf. Als Jugendlicher hatte er sogar große Ambitionen im Eishockey, aber auch beim Langstreckenlauf bis hin zum Marathon. So beeindrucken auch seine Zeiten beim Aachener „Lousberglauf“, wo er bis heute stets als einer der schnellsten Läufer des gesamten Instituts die Ziellinie überquert. Die Bedeutung, die der Sport für ihn hat, wird auch deutlich, wenn man weiß, dass sportliche Aktivitäten meist als einziger Grund akzeptiert werden, um wissenschaftliche Arbeiten (kurzzeitig) zu unterbrechen – etwas, das für die Mitarbeitenden und ihn selbst gleichermaßen aber auch für den Besuch hochkarätiger Sportveranstaltungen, wie der „French Open“, gilt. Letztere stellen einen wichtigen jährlichen Fixpunkt im Kalender von Josef Hegger dar.
Getragen und gestärkt wurde und wird sein hohes berufliches Engagement durch seine Familie, besonders durch seine Frau Petra – die ihn auch immer tatkräftig in der kaufmännischen Steuerung seines Lehrstuhls unterstützte – sowie seine Tochter Maren, die derzeit in Düsseldorf an der juristischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität promoviert.
Auch nach seinem formalen Eintritt in den „Ruhestand“ ist er weiterhin nahezu unverändert aktiv, sei es in ingenieurtechnischen und gutachterlichen Fragen im Büro, in Fachgremien, als Autor und Herausgeber oder auch in der Forschung; sein Wissensdrang und sein Bestreben, wegweisende Impulse zu aktuellen Forschungsfragen zu geben und die Zukunft des Bauens aktiv zu gestalten, ist längst nicht gesättigt. So formulierte auch Prof. Jürgen Schnell anlässlich der Verabschiedung sehr zutreffend: „Dies markiert kein abruptes Ende seines Wirkens, sondern ist eher Begleiterscheinung einer unumgänglichen Statusänderung“.
Lieber Josef, wir können uns alle sehr glücklich schätzen, dass Du Deine berufliche Orientierung im Bauingenieurwesen gefunden hast und unsere Community, die Wissenschaft und die Ingenieurpraxis seit Jahrzehnten bereicherst. Du hast Maßstäbe gesetzt und viele nachhaltige Impulse gegeben, die oft weit über den konstruktiven Ingenieurbau hinaus Wirkung zeigen. Ich freue mich auf viele weitere Begegnungen und wünsche Dir, dass es Deine robuste Gesundheit noch lange erlaubt, die Lebensschwerpunkte Arbeit und Familie in der richtigen Balance zu verbinden.