BIM-Prozess im Planungsbüro
Im niederrheinischen Grevenbroich entsteht ein hochmodernes Multifunktionsgebäude. Das Planungsbüro baues + partner verantwortet in dem Projekt die Architektur, die Tragwerksplanung sowie den Wärme-, Schall- und Brandschutz und nahm das Bauvorhaben zum Anlass, die Planungsmethode BIM zu erproben.
Der Fachgroßhandel für technische Gebäudeausstattung Gottschall + Sohn KG (Teil der GC-Gruppe) plant auf dem eigenen Firmengelände in Grevenbroich die Errichtung eines Multifunktionsgebäudes. Mit baues + partner wurde ein Großteil der Planung des Gebäudekonzepts an ein lokales Planungsbüro aus Korschenbroich vergeben. Neben der Architektur (inklusive Innenarchitektur) übernahm das Team auch die Tragwerksplanung, den Schall- und Wärmeschutz sowie die Umsetzung der Brandschutzanforderungen für das nicht unterkellerte Massivgebäude. Das Gebäude ist als zweigeschossiger Stahlbeton-Skelettbau mit einer tragenden Stahlbetonbodenplatte konzipiert. Die Stabilisierung erfolgt durch Stahlbetonwandscheiben, welche über beide Stockwerke geführt werden. Die verschiedenen Nutzungsbereiche werden für Schallschutz und Brandschutz je nach Anforderung durch Mauerwerkswände getrennt. Dr.-Ing. Stefan Baues, der das Architektur- und Ingenieurbüro für Gebäudeplanung gemeinsam mit seiner Frau und Architektin Melanie Baues führt, erklärt die Herausforderung bei dem Projekt: „Bei dem Multifunktionsgebäude handelt es sich um kein riesiges, aber dafür ein sehr fortschrittliches Bauwerk. Das haben wir in unserem Büro zum Anlass genommen, im Hinblick auf die Planungsmethode einen neuen Weg einzuschlagen. Erstmals haben wir in einem Projekt durchgängig modellbasiert nach BIM geplant“.
BIM einführen
Baues meint, dass man den Planungsprozess im Büro schon länger umzustellen versuche, aber letztlich müsse man seine BIM-Erfahrungen in einem realen Bauprojekt sammeln. Um die BIM-Planungsmethodik im Büro optimal implementieren zu können, durchlief Baues in der Vorbereitung auf die Objektplanung die vier Module des Qualifizierungsprogramms „BIM Standard Deutscher Architekten- und Ingenieurkammern“. „Durch das Programm habe ich gelernt, dass der BIM-Planungsprozesse mehr ist, als Gebäudemodelle mit Informationen zu füllen. Vielmehr muss man sich Gedanken darüber machen, wie man sein Dokumenten-, Issue- und BIM-Management organisiert. Dabei ist wichtig, Kommunikationswege zwischen allen Planungsbeteiligten und die Verantwortlichkeiten der Planungsbeteiligten klar zu definieren“, resümiert der Tragwerksplaner.
Visualisierung umsetzen
„Die ersten Ziele für den BIM-Planungsprozess in unserem Büro sind bereits festgelegt: Visualisierung, Kollisionsprüfung und Mengenermittlung. Wir wollen die Kollisionsprüfung hinbekommen, also die Fachmodelle der unterschiedlicher Fachdisziplinen so koordinieren, dass wir sie auf ihre Konsistenz prüfen können. Zudem erhoffen wir uns perspektivisch, Massen dank BIM modellbasiert zu ermitteln, um so die Kosten und den Zeitaufwand in den unterschiedlichen Leistungsphasen frühestmöglich einschätzen zu können“, sagt Baues. Das Vorhaben, bei der Visualisierung auf BIM-Modelle als Basis für Projektbesprechungen im Zuge der Planung und Ausführung zurückzugreifen, hat das Büro bereits umgesetzt. Um die einzelnen Fachmodelle in einer Arbeitsumgebung zu visualisieren und übereinander zu legen, arbeitet das Planungsteam mit dem BIM-Viewer von Dalux. Auf der Datenplattform werden die 3D-Modelle unterschiedlicher Planstände aus den Leistungsphasen 1–5 mit entsprechender Nomenklatur hochgeladen und verglichen.
Organisation des Prozess
Um die Arbeitsmethodik BIM gemäß der eigenen Zielvorgaben zu realisieren, sind außerdem gefestigte Strukturen und klare Aufgabenverteilung innerhalb des Büro notwendig. Bei baues + partner gibt es in den Fachdisziplinen Architektur und Tragwerksplanung geschulte Mitarbeiter, die die verschiedenen Modelle mit der entsprechenden Software erstellen. Hinzu kommen Projektleiter für jede Disziplin. Sie sind bei den Vorbesprechungen dabei und wirken im Interesse der Fachdisziplin, die sie vertreten, auf das Konzept ein. „Die Herausforderung bei der BIM-Planungsmethode besteht darin, diejenigen, die das Fachwissen haben, mit denen, die die Programme und Softwares beherrschen, zusammenzubringen“, beschreibt Baues. Er setzt in seinem Büro zusätzlich eine Gesamtinformationskoordinatorin ein. Diese prüft alle Modelle, koordiniert das Gesamtprojekt und ist im ständigen Austausch mit den Projektleitern der einzelne Fachdisziplinen. „Die Struktur hat sich in unserem Büro bewährt. Ich habe vor allem das Gefühl, dass die Fachdisziplinen mithilfe dieser Art zu planen durch gemeinsame Planungsbesprechungen wieder mehr Verständnis für die Sorgen, Nöte und Bedürfnisse der anderen Planer entwickeln“, sagt Baues. Es werde wieder mehr miteinander gesprochen.
Austausch entscheidend
Dieser Austausch und das strukturierte Arbeiten sind von Beginn an entscheidend für den Erfolg. Beim Bauvorhaben in Grevenbroich modellierten die Architekten von baues + partner das Gebäude bereits im Anfangsstadium auf Basis des Grundrisses in der CAD-Software Archicad mit den entsprechenden Höhen. Nachdem der Bauherr den ersten Entwurf des 3D-Modells freigegeben hatte, klassifizierten Architekten und Tragwerksplaner in der Software gemeinsam die Bauteile als tragend oder nichttragend. „Eigenschaften wie die Bauteilklassen, die Geschossigkeit und die Zuordnung zu den Geschossen müssen im Architekturmodell von Beginn an vollständig und korrekt hinterlegt sein“, betont Baues. Bevor ein Modell an eine andere Software übergeben wird, prüfe das Team deshalb routinemäßig, ob auch wirklich nichts übersehen wurde. Dabei arbeiten die Bauzeichner mit einer grafischen Überschreibung, mit deren Hilfe alle Bauteile, die nicht klassifiziert sind, in Archicad visuell gekennzeichnet werden. Außerdem lässt sich das Tragwerksanalysemodell, das auf die tragenden Bauteile reduziert ist, isoliert anzeigen.
Positionsplan erstellen
Das Tragwerksanalysemodell in Archicad wird beim nächsten Schritt im Planungsablauf herangezogen, um den Rohbau des Gebäudes in der CAD-Software Allplan erneut zu modellieren. Baues erklärt, warum seine Planer das Modell noch mal in Allplan zeichnen: „In der Tragwerksplanung benötigen wir als Ergebnis eine prüffähige Statik. Und da gehört ein Positionsplan dazu. Wenn wir also sowieso einen Positionsplan erstellen müssen, können wir das Modell auch frühzeitig in der Leistungsphase 2 nach HOAI in Allplan erstellen.“ Nach erfolgreicher Modellierung wird das Modell aus Allplan als IFC-Datei exportiert und anschließend für die statische Berechnung des Tragwerks im BIM-Connector von Frilo geöffnet.
Statische Berechnungen
Im Frilo-Programm bearbeitet der zuständige Tragwerksplaner dann das 3D-Modell. Um später einen sauberen Lastabtrag zu gewährleisten, richtet er die Achsen der Bauteile zueinander aus. So wurden im vorliegenden Projekt zum Beispiel Decken mit kleinen Versprüngen auf eine Höhe gebracht und Wände entlang ihrer Achsen übereinander geschoben. Um Öffnungen in den Wänden beim Lastabtrag zu berücksichtigen, zerlegte der Tragwerksplaner mit dem Programm die Wände in Streifen oder Einzelbauteile. Nach getaner Arbeit wird das überarbeitete Tragwerksanalysemodell dann an das Gebäudemodell GEO von Frilo übergeben, wo der Statiker sowohl den vertikalen Lastabtrag als auch die Erdbebenlasten ermittelt. Für das Multifunktionsgebäude berechnete er die Decken mit dem Plattenprogramm PLT. Für die Berechnung der Unterzüge griff er auf den Durchlaufträger DLT+ zurück. Bei der Nachweisführung für Wände und Stützen aus Beton machte er vom Programm Stahlbetonstütze B5+ Gebrauch. Die Nachweise für die Mauerwerkswände wurden mit dem MWX+ geführt. Für jene Berechnungen wurden die im GEO bereits vordefinierten Geometrien sowie die dort ermittelten Lasten automatisch übergeben.
Kollisionsprüfung ausführen
Sind die statischen Berechnungen vollzogen, prüft der Tragwerksplaner, ob die konstruktiven Annahmen des Architekten im Hinblick auf die Dimensionierung und den Einsatz der Bauteile zutreffen und nimmt gegebenenfalls Anpassungen am Modell in Allplan vor. Um nun Unstimmigkeiten zwischen dem Ursprungsmodell aus Archicad und dem angepassten Modell aus Allplan zu erkennen, greifen baues + partner auf die Software von Solibri zurück. Dort werden die Modelle im Model Checker übereinander gelegt und es wird eine Kollisionsprüfung durchgeführt. Für die Kollisionen und Unstimmigkeiten werden Issues erstellt und in einem BCF-Report mit dem Architekten geteilt. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass in allen Modellen die gleichen Informationen hinterlegt sind.
Das Beispiel von baues + partner macht deutlich: BIM ist eine Methode, die auf die Zusammenarbeit aller Projektbeteiligten angewiesen ist.
Tim KullmannMarketing & PR Frilo Software GmbHFoto: Frilo