Der Gewinn liegt im Wissen, nicht im Einkauf – eine Checkliste
Eine Steigerung von Marktanteilen und Profitabilität erleben in den seltensten Fällen Unternehmen, die nach dem Prinzip agieren: was gestern gut funktioniert hat, wird auch morgen gut funktionieren. Wirft man einen Blick auf die Top Ten der 55 innovativen Geschäftsmodelle des St. Galler Business Model Navigator, fällt einem schnell auf, dass es für Innovationen immer „intelligenter Prozesse“ oder einer „guten Datenbasis“ bedarf. Das ist in unserer „Wissensgesellschaft“ vielleicht nicht weiter verwunderlich. Aber was heißt das für den Bau?
„Der Gewinn liegt im Einkauf“. Diese alte Kaufmannsweisheit ist weit verbreitet. Auch wenn sie gelegentlich Kritik findet, wird sie gerade in der Baubranche durch möglichst „harte“ Auftragsverhandlungen unverändert kultiviert. Für die Baukaufleute in der Einkaufsabteilung gilt, je höher die „erfochtenen“ Nachlässe und Rabatte, umso größer der eigene Bonus. Das ist sinnvoll, denn natürlich soll der Einkauf incentiviert werden, keine überteuerten Angebote zu beauftragen. Selbstverständlich gilt auch, jeder im Einkauf gesparte Euro ist bei den üblicherweise geringen Margen der Generalunternehmer 20 bis 50 Mal so ergebnisrelevant wie jeder zusätzliche Umsatzeuro. (Implenia nimmt sich für 2021 einen EBIT von 3% vor). Dennoch wissen insbesondere die Kollegen im Nachtragsmanagement und in der Bauleitung, wie leicht schnell verdiente Euro im Einkauf letztlich sehr teuer werden. Zudem wird gerne vergessen, dass Prozesskosten die gleiche Ergebnisrelevanz haben.
Personaleinsparungen sind häufig zu kurz gedacht
Im administrativ geprägten Prozess des Einkaufs sind Prozesskosten insbesondere Personalkosten. Wenn man die Absicht hat, sie zu senken, denkt man häufig zuerst an schnelleres Arbeiten und Personaleinsparungen. Das ist jedoch zu kurz gedacht. Schneller Arbeiten bedeutet auch häufig mehr Fehler machen. Personaleinsparungen führen zu Kompetenzverlust im Unternehmen und sind in der Regel negativ für das Betriebsklima. Aber wie sieht dann die Lösung aus? Hier drei Empfehlungen:
1. Gewinnsteigerung durch Prozessoptimierung
Dokumentieren Sie Ihre Prozesse und machen Sie diese analysefähig! Üblich ist heute nach wie vor, dass man die Prozesse / Arbeitsschritte den Mitarbeitern überlässt. Niemand möchte jeden einzelnen Handgriff vorgeschrieben bekommen. Die Verantwortlichen in Leitungspositionen interessieren sich in der Regel auch nicht dafür, welche Knöpfe in der Software gedrückt werden und welche kleinen Hilfsmittel sich die Mitarbeiter geschaffen haben. Was zählt ist das Arbeitsergebnis, und das bitte schnell. Mit dieser Herangehensweise bedient man zwar das Freiheitsinteresse der Mitarbeiter, die Analyse und Optimierung der Prozesse ist jedoch nur in die Verantwortung des jeweiligen Mitarbeiters gelegt, und sie erfolgt rein subjektiv. Bindet man Kollegen, Vorgesetzte oder unabhängige Berater in die Prozessanalyse mit ein, werden häufig neue Ideen entwickelt, die der Mitarbeiter gerne aufnimmt. Hier ein paar typische Fragen einer Prozessanalyse:
- Welche Handgriffe / Klicks sind nötig? Gibt es hier einfachere / schnellere Wege? Woher bekommen man den „Best-Practice“ (z.B. Kollegen, Tutorials, Ausprobieren, Kundendienst des Softwareanbieters, andere Softwarelösungen)?
- Welcher Aufwand ist mit dem Prozess verbunden? Welcher Zeitaufwand ist fix pro Projekt, welcher Aufwand ist variabel je nach Projektgröße? Wie werden diese Aufwendungen bei der Entscheidung zur Projektbearbeitung berücksichtigt?
- Welche Prozesse lassen sich bündeln? Welche Prozesse sollte man umverteilen? Welche Prozesse sind redundant?
Wie ich aus zahlreichen Gesprächen weiß, haben sich führende Generalunternehmer genau diesem Thema schon gewidmet. Die größte Schwierigkeit dabei stellt immer noch eine passende herstellerübergreifende Softwarelösung da, die bestehende Daten aus unterschiedlichen Systemen anzapft und so die Analysefähigkeit sicherstellt. Dennoch kann man im Unternehmen bestehende Lösungen immer noch besser für sich nutzbar zu machen oder sich mit „Bordmitteln“ helfen, sofern vom Aufwand her vertretbar.
Dokumentieren und analysieren steigert Gewinne
2. Gewinnsteigerung durch Datenanalyse
Dokumentieren Sie Ihre Preise und machen Sie diese analysefähig! Gute Einkäufer wissen, was Materialien und Leistungen kosten. Dafür stellt man sie ja ein. Was sie häufig nicht wissen ist, wann sie zu wenig zahlen und bei welchem Nachunternehmer oder Lieferanten ein Preis zu hoch, zu niedrig oder genau passend ist. „Leben und Leben lassen“ kennt man nicht als Grundregel des Einkaufs, allenfalls als Zitat aus Schiller’s Wallenstein. Das Problem ist, wer nicht „leben lässt“ hat ein höheres Risiko, mit Nachträgen oder diversen Zusatzkosten „belohnt“ zu werden. Sicherlich gilt genauso, dass „faire“ Einkäufer nicht unbedingt mit besten Leistungen und höchstem Inklusiv-Service belohnt werden. Die Frage, die sich stellt, ist vielmehr: Wie hoch ist das Risiko von Nachträgen und Mehrkosten, bei welchen Preisen und von welchen Nachunternehmern und Lieferanten geht es aus und von welchen nicht. Hier empfiehlt sich eine umfassende Preisanalyse. Sie stellt folgende Fragen:
- Wie haben sich die Preise für Leistungen / Produkte bei welchen Nachunternehmern / Lieferanten in den letzten Jahren entwickelt? Wie haben sich Nachträge und Zusatzkosten bei diesen Baupartnern entwickelt? Ist ein Zusammenhang zu erkennen?
- Welche Nachunternehmer hatten in der Vergangenheit viele und hohe Nachträge gestellt? Welche nicht? Lässt sich eine Nachtragsquote ermitteln. Ist ein Zusammenhang zwischen Nachtragsquote und Preisniveau zu erkennen?
- Welche Nachträge konnten in den letzten Jahren gut an Bauherren weitergereicht werden? Stimmt für sämtliche Eigenleistungen noch das Preisniveau?
Als etabliertes Bauunternehmen verfügt man über einen riesigen Datenbestand. Leider ist er in den seltensten Fällen analysefähig. Häufig muss man daher die Datenerfassung völlig neu aufsetzen, um Erkenntnisse zu gewinnen. Letztlich führt dieses Wissen jedoch zu einem enormen Wettbewerbsvorteil, sowohl in der Beziehung mit Nachunternehmern und Lieferanten als auch bei der Steigerung der eigenen Auftragsquote.
Erfahrungen sind wichtig, aber man muss agil bleiben
3. Gewinnsteigerung durch Identifikation der Erfolgsfaktoren
Identifizieren Sie Erfolgsfaktoren und deren Abhängigkeiten: Projektart, Projektgröße, Auftraggeber, Differenz zum empirischen Marktpreis! Jeder Geschäftsführer definiert ein Leistungsprofil des Unternehmens und setzt Schwerpunkte, wenn es um die Bearbeitung von Ausschreibungen geht. Die Erfahrung gibt ihm Sicherheit, dass er mit seiner Strategie richtig liegt und erfolgreich ist. Doch was, wenn nicht? Oder nicht mehr? Oder es unentdeckte Chancen gibt? Erfahrung ist wichtig. Aktuelle Auswertungen sind wichtiger. Wer ein klares Bild wünscht, wo das Unternehmen erfolgreich ist und wo nicht, muss Erfolge und Misserfolge analysieren. Dabei ergeben sich folgende Fragen:
- Welche Art von Projekten haben bislang den höchsten Gewinn eingefahren? (Legen Sie sich auf eine passende Taxonomie zur Projektart fest.) Welche Relevanz hatte bislang die Projektgröße? Welche Relevanz hatte bisher der Auftraggeber?
- Welche Wettbewerber haben Sie bei welchen Projektarten? Wie haben sich Ihre Wettbewerber bei diesen Projektarten preislich positioniert? Erkennen Sie ein Muster?
- Können Sie Ihre Auftragsquote erhöhen, indem Sie Ihren Fokus auf eine Projektart, eine Projektgröße, einen Auftraggeber, eine Gruppe von Auftraggebern erhöhen? Können Sie bessere Prognosen erstellen, wo die Angebote Ihrer Wettbewerber liegen könnten und selber entsprechend strategisch agieren?
Diese Fragen stellen sich viele Geschäftsführer regelmäßig, sie scheuen allerdings den Aufwand, die besten Antworten mittels empirischer Daten zu finden. Mit den richtigen Programmen und den richtigen Verantwortlichen ist der absehbare Erfolg den Aufwand wert. Daher sage ich: Der Gewinn liegt nicht nur im Einkauf; er liegt insbesondere in den Prozessen und im Wissen über Ein- und Verkaufspreise.
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Dipl.-Ing. Kilian Winnen ist seit über zehn Jahren in unterschiedlichen Rollen in der Bauwirtschaft tätig. Aktuell arbeitet er als freiberuflicher Experte für Vertrieb, Einkauf und Digitalisierung in der Baubranche.