Nachhaltige Baustellen ausgezeichnet
Nicht nur Bauwerke sollten nachhaltig sein, auch der Bauprozess kann berücksichtigt werden. Daher muss auf der Baustelle nachhaltig gearbeitet werden. Um dies umzusetzen und zu fördern, hat die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) ein Zertifizierungssystem für die nachhaltige Baustelle entwickelt und die ersten Auszeichnungen übergeben.
Qualität sichern und Risiken minimieren und dabei das Thema Nachhaltigkeit nicht aus dem Auge verlieren, das sind unter anderem die Ziele des neuen Zertifizierungssystems der DGNB für eine nachhaltige Baustelle. Dabei soll die Zertifizierung als Planungs- und Managementtool die Baustellenprozesse unterstützen. Ressourcenschutz, Gesundheit und Soziales sowie die Kommunikation mit der lokalen Öffentlichkeit rückt die DGNB dabei in den Fokus. Während der gesamten Baustellenabwicklung soll die Zertifizierung bei Hoch- und Tiefbauprojekten prozessbegleitend angewandt werden. „Beim nachhaltigen Bauen geht es nicht nur um das Ergebnis, sondern auch um den Weg dahin“, sagt Johannes Kreißig, Geschäftsführender Vorstand der DGNB. „Deshalb ist es wichtig, die Baustellen so zu planen und abzuwickeln, dass auf diesen verantwortungsvoll mit Ressourcen umgegangen wird, sie für die dort arbeitenden Menschen möglichst sicher sind und die negativen Einflüsse auf die Umgebung minimiert werden.“
Im Bauprozess die Nachhaltigkeitsanforderungen einhalten
Das neue DGNB-System ist auf den nachhaltigen Baustellenprozess und die Umsetzung während der Baumaßnahme ausgerichtet. Für die Zertifizierung werden sämtliche Arbeiten betrachtet, die dazu führen, dass Bauprojekt zu erstellen, instand zu setzen oder zu ändern. Die Grundlage für die Beurteilung erfolgt durch Nachweise. Dazu wird die Baustelle in abgestimmten Intervallen vor Beginn, während der Umsetzung bis hin zur Inbetriebnahme des Bauwerks überprüft. Um später die Auszeichnung zu erhalten, vergibt die DGNB ein Vorzertifikat zu Baubeginn. Dieses legt für das Baustellenmanagement die wesentlichen Vorgaben fest. Werden während des Bauprozesses die Nachhaltigkeitsanforderungen eingehalten, kann die DGNB das Zertifikat für eine nachhaltige Baustelle vergeben. Eine Abstufung in Platin, Gold und Silber gibt im Vergleich zu den anderen DGNB-Varianten es bei dieser Zertifizierung aber nicht.
Kriterien für die Zertifizierung einer nachhaltigen Baustelle
Die Grundlage für die Zertifizierung der nachhaltigen Baustelle bildet der ganzheitliche Nachhaltigkeitsansatz, den die DGNB verfolgt. Fünf Kriterien sind dabei die Indikatoren, die bei einer Baustelle die Nachhaltigkeitsqualität nachweisen. Dabei sind einige als Mindestanforderungen zu erfüllen.
- Das Kriterium „Baustellenorganisation“: Dies ist eine Mindestanforderung für die nachhaltige Baustelle. Darin werden wesentliche Vorgaben zur Baustellenplanung und deren Fortschreibung über diverse Leistungsphasen hinweg definiert. Dieses reicht von der Vorplanung bis zur Objekt- und Bauüberwachung. Für das Kriterium müssen Ablauf- und Zeitpläne sowie ein Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan erstellt werden. Zudem muss dargestellt werden, welche Maßnahmen ergriffen werden, um die Belastung der lokalen Umwelt zu vermeiden. Hier sind Konzepte gefragt, die eine lärm-, staub- und abfallarme Baustelle vorsehen, den Boden- und Grundwasserschutz aufgreifen sowie für eine umwelt- und anwohnerorientierte Logistik sorgen.
- Das Kriterium „Ressourcenschutz“: Im Vordergrund dieses Kriteriums steht die Ressourceneinsparung und Emissionsminderung in Bezug auf die genutzte Energie. Eine positive Bewertung wird vorgenommen, wenn der Einsatz erneuerbarer Energie stattfindet und umweltgerechte Transportmittel genutzt werden. Zudem wird hier die Wiederverwendung und -verwertung von Baumaterialien in den Focus genommen. Dabei wird zum Beispiel betrachtet, ob die Verwertungs- und Entsorgungswege aktive beeinflusst werden. Auch der Wasserverbrauch kommt hier zum Tragen.
- Das Kriterium „Gesundheit und Soziales“: Das Baustellenteam steht hier im Mittelpunkt. Dabei werden die Fragen nach einer Gesundheitsprävention und allgemeinmedizinische Vorsorge sowie Maßnahmen in besonderen Fällen, wie zum Beispiel bei der Corona-Pandemie gestellt. Zusätzliche Indikatoren sind ein Arbeits- und Sicherheitsplan für die Bauhauptgewerke sowie eine Gefährdungsbeurteilung durch die beauftragten Unternehmen. Neben diesen Punkten wird auch die interne Kommunikation im Projekt berücksichtigt sowie die Arbeitsplatzqualität wie die Absicherung aller Beteiligten über Sozialleistungen.
- Das Kriterium „Kommunikation mit der lokalen Öffentlichkeit“: Im Mittelpunkt steht hier, wie weit die Anwohner und das Gewerbe der unmittelbaren Umgebung der Baustelle über die Maßnahmen informiert werden. Die Kommunikation sollte dabei sowohl vor dem Start der Baustelle stattfinden als auch während des Bauprozesses. Zudem findet eine Bewertung des Erscheinungsbildes der Baustelle für die Öffentlichkeit statt. Auch die es für die Zertifizierung wichtig wie die Informationen vermittel werden. Dabei ist die Nutzung einer digitalen Plattform von Vorteil.
- Das Kriterium „Qualität der Bauausführung“: Hierbei wird für die Zertifizierung bewertet, ob ein Planverwaltungsmanagement, eine Schnittstellenkoordination oder ein Verbesserungsmanagement genutzt wird. Dabei fließt auch in das Bewertungsergebnis ein, ob auf der Baustelle eine App genutzt wird oder intelligente Maschinensteuerung im Einsatz ist. Zudem steht bei diesem Kriterium die Qualitätssicherung der verwendeten Bauprodukte im Fokus.
Erste Baustellen sind ausgezeichnet
Die ersten Bauprojekte haben die Zertifizierung oder das Vorzertifikat bereits erhalten. Die fertiggestellte Baustelle von Lidl in Winnenden wurde mit dem DGNB-Zertifikat ausgezeichnet. Lidl kann durch das neue Baustellenzertifikat die Chance nutzten und im Bauprozess die Nachhaltigkeitsmaßnahmen auf den Punkt bringen sowie bei den Partnern für die Umsetzung der Kriterien werben. Das DGNB-Vorzertifikat hat das Großprojekt „Westfield Hamburg Überseequartier“ erhalten und wendet die Kriterien auf der Baustelle aktuell an. Thomas Kleist, Senior Sustainability Manager des Projekts: „Wir verstehen das Baustellenzertifikat als Managementtool für die Nachhaltigkeitsanforderungen sowie die gesamte Logistik während der Bauphase. Das Projekt gehört zu den komplexesten in der gesamten Branche – und in allen Teilbereichen spielen Nachhaltigkeitsstandards eine entscheidende Rolle.“ Die Ed. Züblin AG hat als erstes Unternehmen bereits ein Zertifikat für eine nachhaltige Baustelle erhalten und zudem für die Baustelle des Wohnbauprojekts in der Saalburgallee in Frankfurt das Vorzertifikat. „Wir sind der Überzeugung, dass die Zertifizierung das Potenzial hat, zum Standard für Baustellen zu werden“, erklärt Klemens Haselsteiner, Mitglied des Vorstands der Strabag SE, dem Mutterkonzern von Züblin. „Insofern war es uns wichtig, hier möglichst früh Erfahrungen zu sammeln, um auf die kommende Nachfrage vorbereitet zu sein.“
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