BIM beim Hafenbau ausgetestet
In Wilhelmshaven schreibt ein über 130-jähriger Kai Ingenieurbaugeschichte. Das Projekt ist ein BIM-Pilot. Zum Einsatz kommt openBIM. Damit ist ein ein freier Datenaustausch zwischen allen Projektbeteiligten möglich.
Seit Anfang 2019 läuft eine umfassende Instandsetzung des über 130-jährigen Helgolandkais in Wilhelmshaven. Die Instandsetzung wurde an die Tiefbau GmbH Unterweser, ein Unternehmen der Ludwig Freytag Unternehmensgruppe vergeben. Im Laufe dieses Jahres soll das Projekt fertiggestellt werden. Es ist ein Meilenstein in der Geschichte des deutschen Hafenbaus: Der Eigentümer und Betreiber, Niedersachsen Ports (NPorts), hat die Baumaßnahme zu seinem ersten Pilotprojekt für Building Information Modeling (BIM) auserkoren. Mit der Objektplanung (LP 1–3 und 6, teilweise LP 5) und der Tragwerksplanung (LP 1–4, 6) wurde WK Consult (WKC) beauftragt. Die Ausführungsplanung und technische Bearbeitung übernahmen Ingenieure aus der BIM-Abteilung von Ludwig Freytag in Zusammenarbeit mit dem Ingenieurbau-Team der Eriksen und Partner GmbH aus Oldenburg. Unterstützt wurden die Planer während Ausschreibung und Bauausführung durch das BIM-Management von albert.ing.
BIM-Prozesse nachträglich eingeführt
Die Instandsetzung des Kais umfasst ein technisch forderndes Maßnahmenbündel: Vor die bestehende Spundwand wird eine neue Wellenspundwand gesetzt, verankert und anschließend hinterfüllt. Der Kajenkopf muss aufgebaut und eine Treppenanlage der Spundwand vorgestellt werden. Darüber hinaus gilt es Steigleitern, Haltekreuze, Kopfpoller sowie Anlege- und Festmacherdalben zu installieren. Im März 2017 entschied die Hafengesellschaft in Abstimmung mit den Ingenieuren, die Baumaßnahmen als BIM-Projekt umzusetzen. Für sie ein ideales Projekt, um die BIM-Methode an einer komplexen und bestehenden Infrastruktur zu testen. Darüber hinaus fiel die Entscheidung für openBIM. Dadurch sollte der Bieterkreis offengehalten werden- Zudem ist mit dieser Lösung ein möglichst barrierefreier Datenaustausch zwischen allen Projektbeteiligten mit Softwarelösungen unterschiedlicher Hersteller gewährleistet.
Zusammen mit NPorts entwickelte WKC die Auftraggeber-Informationsanforderungen (AIA), auf deren Grundlage wiederum durch den BIM-Gesamtkoordinator des Auftragnehmers ein BIM-Abwicklungsplan (BAP) erstellt wurde. Die Bestandssituation und Entwurfsplanung wurden als attribuiertes 3D-Modell in Allplan Engineering erstellt, aus dem sich wiederum sämtliche 2D-Entwurfspläne ableiten ließen. Das objektorientierte 3D-Modell diente darüber hinaus pilotweise der modellbasierten Kommunikation mit NPorts über eine gemeinsame openBIM-Plattform. Leistungspositionen und Mengenberechnungen wurden im Modell attribuiert und zusätzlich mit einer AVA-Software verknüpft. Ferner lieferte WKC die AIA für die Bauausschreibung und die Integration in die konventionelle Leistungsbeschreibung. Die BIM-ModellautorInnen von Ludwig Freytag erstellten, ebenfalls mithilfe von Allplan Engineering, auf Grundlage des Entwurfsmodells ein Ausführungsmodell (einschließlich 2D-Planableitung) mit deutlich höherem Detaillierungsgrad (LOD 400 statt LOD 200), das bis zum Übergabemodell (LOD 600) weitergepflegt und vertieft wird.
Ein Kai aus 14 Fachmodelle
Die Software erwies sich für die Planer als zuverlässiges Werkzeug. Insbesondere die Basisbauteile ließen sich schnell modellieren. Insgesamt wurden durch WKC 14 Fachmodelle erstellt: fünf für den Bestand, sechs für den Neubau sowie drei speziell für Abbrucharbeiten. Die sechs Neubaumodelle umfassten: Spundwand/Tiefgründungsarbeiten, Anker, Gurtung/Stahlbauarbeiten, Erdarbeiten, Betonarbeiten und Ausrüstung. Die Unterteilung in die verschiedenen Fachmodelle erfolgte allerdings nicht in der nativen CAD-Software, sondern erst im IFC-Export aus Allplan. Der Grund für die Splittung in einzelne Fachmodelle bestand darin, dass sich so sowohl die visuelle als auch die regelbasierte Modellprüfung einfacher gestaltete und bei Änderungen im Modell nur das jeweilige Fachmodell neu exportiert und ausgetauscht werden musste. Das Handling der IFC-Modelle erwies sich hierdurch als intuitiver. Dies galt auch für verschiedene Prüfsoftwares, wie den Solibri Model Checker oder die im Projekt implementierte openBIM-Plattform, auf der die einzelnen Fachmodelle vom Auftragnehmer zu Koordinationsmodellen zusammengefügt und an das BIM-Management auf Auftraggeberseite übergeben wurden. Bei der Mengenberechnung zeigte sich leider der Export in das AVA-Programm problematisch, weshalb man sich dazu entschloss, die Berechnungen ausschließlich direkt in Allplan durchzuführen, ebenso wie die Ableitung von 2D-Plänen.
Pragmatische Ausführung geplant
Im Zuge der Ausführungsplanung kehrte Ludwig Freytag die Trennung der Teilmodelle – zumindest teilweise – noch einmal um und strukturierte diese neu: Um die Abbruchbauteile den Bestandsbauteilen besser zuordnen zu können, wurden die Bestands- und Abbruchmodelle zusammengefasst. Darüber hinaus machten sich die Ingenieure eine Funktion in Allplan zunutze, die im Wasserbau normalerweise keine Rolle spielt: Sie verwendeten die flexible Geschosszuordnung des Programms zur Gliederung des Gesamtmodells in Teilmodelle. Demnach wurde in der Bauwerksstruktur der Strukturstufe „Gebäude“ das Gesamtmodell und der Strukturstufe „Geschoss“ die Teilmodelle zugeordnet. Dies ermöglichte ein gut strukturiertes Arbeiten und einen performanten IFC-Export, da über das Geschoss sämtliche Teilbilder eines Teilmodells letzterem automatisch zugewiesen werden.
Insgesamt kann das BIM-Pilotprojekt Helgolandkai schon jetzt als Erfolg betrachtet werden. Christian Tiedemann, BIM-Modellautor WK Consult: „Dank Allplan konnten mehrere Problemstellen im Modell erkannt und gelöst werden, die in einer reinen 2D-Planung bei einem Linienbauwerk dieser Art nicht unbedingt aufgefallen wären.“ Insbesondere Kollisionen von Bauteilen – vor allem der Anker, sowohl untereinander als auch zum Bestand – ließen sich erfolgreich vermeiden. Die Mengenberechnung erfolgte eindeutig fehlerfreier und leichter als auf konventionelle, händische Weise.