160 km/h auf Hilfsbrücken der ÖBB
Die ÖBB-Infrastruktur AG (Österreichische Bundesbahn) verfügt über eine große Zahl verschiedenster Brückenprovisorien für den Einsatz im Zuge von Baustellen. Aufgrund des mittlerweile fortgeschrittenen Alters eines Großteils dieser Konstruktionen werden diese derzeit durch neue und leistungsfähigere Hilfsbrücken (HHB – Hochleistungshilfsbrücken) ergänzt. In der Planung hat man sich vor allem der Anforderung an eine hohe Überfahrtgeschwindigkeit gewidmet. Denn die gewünschten Eigenschaften der Hilfsbrücken – schlank und leicht – bedeuten auch, dass sie in besonderem Maße schwingungsanfällig sind und bei Zugüberfahrt zu starken Resonanzen neigen können. Inzwischen wurde der erste Typ (eine 26,5 m lange Hilfsbrücke mit Stützweite 26,0 m) – bezeichnet als HHB 265 – hergestellt und zahlreichen Tests unter Prüfstandbedingungen und im realen Einsatz unterworfen. Der folgende Beitrag beschreibt das Lösungskonzept zur Vermeidung unverträglich hoher Resonanzen infolge Zugüberfahrt und stellt die dazu entwickelten Maßnahmen in Form von Schwingungstilger vor.
1 Einleitung
Die ÖBB unterhält eine große Zahl von Brückenprovisorien, die regelmäßig bei Bauarbeiten unter dem Gleis zum Einsatz kommen, wenn der Bahnbetrieb dauerhaft aufrechterhalten werden muss. Der Ein- und Ausbau einer Hilfsbrücke lässt sich in den meisten Fällen innerhalb einer Betriebssperre von wenigen Stunden durchführen.
Auf Basis der aktuellen Normen sowie von Erkenntnissen aus dem bisherigen Betrieb wurde nun eine neue Generation von Hochleistungshilfsbrücken (HHB) entwickelt [1].
Dabei haben diese Hilfsbrücken eine Vielzahl deutlich höherer Anforderungen zu erfüllen, als es bei den bereits bestehenden Konstruktionen der Fall ist. Diese Anforderungen sind unter anderen:
- Bauhöhe (UK Schiene bis UK Tragwerk) soll möglichst klein sein, folglich eine möglichst große Schlankheit der Konstruktion.
- Reduzierung des Brückeneigengewichts für die bauseitige Manipulation mit Eisenbahnkränen.
- Belastung gemäß ÖNORM EN 1991–2 [2] und ÖNORM B 1991–2 [3] mit Lastmodell LM71 mit Lastklassenbeiwert a = 1,00 sowie Schwerwagen SW/2.
- vmax = 160 km/h als zulässige Überfahrtsgeschwindigkeit
- Gleisbogen R 9 400 m. Bei kürzeren Stützweiten bis zu R 9 300 m.
- Nutzungsdauer von 50 Jahren bei einer Streckenbelastung von 12,5 x 106 to/a (Ermüdung).
- maximale Vertikalbeschleunigung infolge Zugüberfahrt von gdf = 8 m/s².
- möglichst hohe Robustheit gegenüber Baustelleneinwirkungen.
Nach diesen Anforderungen wurden acht Typen der HHBs mit Längen zwischen 10,9 m und 29,1 m entworfen, wobei sich die jeweilige Längenabstufung von 2,6 m aus einem vierfachen Schwellenabstand ableitet.
Die erste Hilfsbrücke des Typs HHB 265 wurde hergestellt und umfangreichen Tests im Probestand und im Baustelleneinsatz unterzogen.
Diese Tests beziehen sich besonders auf die Tauglichkeit der Brücke unter hohen Überfahrtgeschwindigkeiten bis 160 km/h bei Einsatz der eigens konzipierten Schwingungstilger.
Die hohe Überfahrtsgeschwindigkeit war somit ein wesentliches Merkmal der Weiterentwicklung der Hilfsbrückenkonstruktionen im Vergleich zum Bestand der ÖBB.
Dadurch wird diese Konstruktion zur Hochleistungshilfsbrücke; denn das Kriterium des Fahrzeitverlustes im Bereich einer Hilfsbrücke und insbesondere der betriebliche Aufwand zur Einrichtung von Langsamfahrtstellen oder größerer Geschwindigkeitsreduzierungen sind entscheidend für den Bahnbetrieb.
2 Konstruktion
2.1 Zielsetzung
Oberstes Ziel der neuen Regelplanung war es – neben der Einhaltung aller aktuellen Normen und Richtlinien und der oben genannten Anforderungen – möglichst wartungsarme Tragwerke zu entwickeln, die in Bauhöhe und Gewicht optimiert sind. Dadurch soll größtmöglicher Nutzen in der Handhabung und Anpassung an verschiedene Einbausituationen geschaffen werden.
Grundlage dafür waren ebenso die langjährigen Erfahrungen mit den bisherigen Konstruktionen.
Somit wurden nun Konstruktionen entwickelt, die von der kürzesten Stützweite von 10,4 m (HHB109) bis zur längsten Stützweite von 28,6 m (HHB291) weitestgehend ähnliche Konstruktionsmerkmale aufweisen und sich lediglich in den Abmessungen unterscheiden. So wird beispielsweise die Bauhöhe (OK Schienenträger bis UK Konstruktion in Feldmitte) der längsten Brücke von 1 013 mm auf 393 mm bei der kürzesten Brücke variiert (Bild 1).
2.2 Beschreibung der Konstruktion HHB 265
Die neue Brückenkonstruktion besteht wie vorangegangene Hilfsbrückenkonstruktionen aus vier Hauptträgern als geschweißte I-Profile (Bild 2).
Die Bauhöhe beträgt mit 879 mm nur 88 % der Bauhöhe der existierenden gleich langen Schnellfahrhilfsbrücken SFH 265, die mit maximal 120 km/h befahren werden können; die lichte Höhe unter der Brücke ist dadurch um 115 mm größer. Das Gesamtgewicht (ca. 83 t) ist gegenüber dem Bestand nur um circa 5 % größer.
Die einzelnen Hauptträger sind über Querträger miteinander verbunden. Unter der Schiene sind diese Querträger gleichzeitig die Schienenstühle als Schwelle im Abstand von 650 mm. Sie bestehen aus einem stehenden Blech und aus einem liegenden Blech als oberem Flansch.
Auf diesen Querträgern wird die Schiene im Schienenschuh verschraubt. Durch Langlöcher quer zum Gleis können die einzelnen Schienen in jedem Kreisbogen mit R 9 400 m sowie in Übergangsbögen montiert werden.
Je zwei Hauptträger stützen so eine Schiene und werden wiederum in der Gleisachse miteinander im Abstand von e = 2 600 mm starr verbunden. Diese Verbindung besteht aus zwei Laschenblechen (t = 20 mm), die über 2 x M36, 10.9 gleitfest miteinander verbunden sind.
Der freizuhaltende Lichtraum für den Spurkranz etc. ist bei diesen Hilfsbrücken aufgrund der variablen Lage der Schiene im Bogen keine Konstante. Diese unterschiedliche Lage ist ebenso zu berücksichtigen wie die möglichen unterschiedlichen Schienentypen (inkl. Überhöhung), die den Lichtraum in seiner relativen Höhenlage zur Konstruktion bestimmen.
Aus statischer Sicht wurde diese geometrische Flexibilität für alle möglichen Fälle bei der Dimensionierung der Brückenkonstruktion berücksichtigt.
Somit waren auch sämtliche möglichen Kombinationen aus Radius, Überhöhung und Geschwindigkeit für die verschiedenen Lastmodelle statisch zu bewerten.
Die eingehende Analyse der dynamischen Eigenschaften bei Zugsüberfahrt zeigte, dass zur Einhaltung der Anforderungen an die vertikale Tragwerksbeschleunigung bei bestimmten Zugstypen und der daraus resultierenden Schnittgrößen die Anordnung von Schwingungstilger notwendig ist.
Als wesentliches, ergänzendes Bauteil ermöglicht der Schwingungstilger letztlich die hohen Überfahrtsgeschwindigkeiten. Dieser ist in Brückenmitte positioniert und im Folgenden ausführlich beschrieben.
Der vollständige Beitrag ist erschienen in:
Bauingenieur 7./8.2017, Seite 313-322
Literatur
[1] Menge M., Petraschek, T.: Hochleistungshilfsbrücken. In: Bauingenieur 90 (2015), Heft 1, S. 1–10.
[2] ÖNORM EN 1991–2: Eurocode 1: Einwirkungen auf Tragwerke Teil 2: Verkehrslasten auf Brücken. Ausgabe 01.03.2012.
[3] ÖNORM B 1991–2: Eurocode 1: Einwirkungen auf Tragwerke Teil 2: Verkehrslasten auf Brücken (NAD). Ausgabe 15.04.2011.
[4] ÖBB Infrastruktur B 45 – Technische Richtlinie für Eisenbahnbrücken und sonstige Konstruktive Ingenieurbauwerke. Ausgabe 01.02.2011.
[5] ÖBB Richtlinie für die dynamische Berechnung von Eisenbahnbrücken. Ausgabe 01.02.2011.
[6] ÖBB, Planungsgrundsätze für Eisenbahnbrücken. Ausgabe 01.12.2008.
[7] ONR 24008 – Bewertung der Tragfähigkeit bestehender Eisenbahn- und Straßenbrücken. Ausgabe 01.12.2006.
[8] ÖNORM EN 1990/A1: Eurocode: Grundlagen der Tragwerksplanung – Änderung 1: Anwendung bei Brücken. Ausgabe 15.03.2013.
[9] ÖBB Regelwerk 08.01.03 – Brückenprovisorien. Ausgabe 21.12.2012.
[10] ÖBB Richtlinie Dynamische Messung von Eisenbahnbrücken. Ausgabe 30.01.2007.
[11] Peterson, C.: Schwingungstilger im Ingenieurbau. Maurer Söhne GmbH & Co. KG, München 2001.
Dipl.-Ing. Moritz Menge, moritz.menge@schimetta.at
Dipl.-Ing. Thomas Mack, Schimetta Consult ZT GmbH, Landwiedstraße 23, 4020 Linz, Österreich thomas.mack@schimetta.at
Dipl.-Ing. Dr. techn. Roman Geier, Schimetta Consult ZT GmbH, Arndtstraße 89, 1020 Wien, Österreich roman.geier@schimetta.at
Dipl.-Ing. Dr. techn. Thomas Petraschek, ÖBB-Infrastruktur AG, SAE LCI, Nordbahnstraße 50, 1020 Wien, Österreich thomas.petraschek@oebb.at
Dipl.-Ing. Dr. techn. Sebastian-Zoran Bruschetini-Ambro, ÖBB-Infrastruktur AG, SAE FB BT BB KI, Nordbahnstraße 50, 1020 Wien, Österreich, sebastian-zoran.bruschetini-ambro@oebb.at
Dipl.-Ing. Dr. techn. Patrick Salcher, Institut für Grundlagen der Technischen Wissenschaften Universität Innsbruck, Technikerstraße 13, 6020 Innsbruck, Österreich zuvor: Schimetta Consult ZT GmbH patrick.salcher@uibk.ac.at