Carbon-Recyclingbeton für Surfwelle mitten in Augsburg
Beim Bau einer Surfwelle für Sportbegeisterte kommt nicht nur eine Bewehrung aus Carbonbeton, sondern eine zu 100 Prozent recycelte Gesteinskörnung und damit ein zirkulärer Baustoff zum Einsatz.
Im Stadtzentrum von Augsburg entsteht am Senkelbach südöstlich des Plärrer-Geländes eine künstlich angelegte Surfwelle. „Im Innern der Konstruktion stecken Hightechmaterialien in Kombination mit recycelten Baustoffen“, sagt Prof. Dr.-Ing. Sergej Rempel, Experte für Carbonbeton an der Fakultät für Architektur und Bauwesen der Hochschule Augsburg. Gemeinsam mit Studierenden der Fachrichtung Bauingenieurwesen und Mitgliedern des Vereins Surffreunde Augsburg e. V. werden in diesem Transferprojekt die Expertisen aus Technik und Wassersport zur Realisierung einer künstlichen Flusswelle gebündelt.
Eine Surfwelle mitten in Augsburg
Für die Surfwelle wird am Senkelbach eine vorhandene Sohlschwelle künstlich eingeengt und zu einem Wellenparadies umgestaltet. Auf einer Breite von acht Metern kann somit eine Welle erzeugt werden, auf der Wassersportbegeisterte mit dem Surfbrett, dem Bodyboard oder einem Kajak surfen können.
Herzstück der Anlage ist eine Konstruktion, die sich unter Wasser befinden wird, um die Surfwelle zu erzeugen. Das Besondere an der Bauweise ist, dass die Bauteile nicht aus Stahlbeton sondern aus Recyclingbeton mit einer Carbonbewehrung konstruiert sind.
Carbon-Recyclingbeton – ein nachhaltiger Baustoff
Bei der Herstellung von Beton gibt es seit einigen Jahren die Alternative, die Bewehrung nicht aus Stahl, sondern aus Kohlenstofffasern wie Carbon zu fertigen. Eine Carbonbewehrung ist rostfrei und etwa sechs Mal tragfähiger als Stahl. Dadurch können filigranere Betonelemente hergestellt werden, was im Vergleich zu Stahlbeton zu einer deutlich besseren CO2-Bilanz führt.
Für die Konstruktion der Surfwelle in Augsburg kommt zudem eine zu 100 Prozent recycelte Gesteinskörnung und damit ein zirkulärer Baustoff zum Einsatz. „Dank Carbonbeton war es möglich, die geschwungene Form der Surfwelle zu erstellen. Mit herkömmlicher Stahlbewehrung ist das so nur schwer umsetzbar, da sich Stahl im Vergleich zu Carbon nur schwer formen lässt“, so Prof. Rempel. „Zudem machen wir aus Bauschutt, der heutzutage in der Regel in großen Mengen immer noch auf der Deponie landet, eine neue Surfwelle, die langlebig und klimafreundlich ist. Das Projekt zeigt, dass die von uns eingesetzte Kombination aus Carbonbewehrung und Recyclingbeton funktioniert. Für die Bauwelt ist das zukunftsweisend.“
Fertigung der Surfwelle
Für die Surfwelle haben Studierende des Bachelorstudiengangs Bauingenieurwesen unter der Leitung von Prof. Rempel Planungs- und Konstruktionsleistungen erbracht. Neben den statischen Berechnungen, die in Zusammenarbeit mit dem Ingenieurbüro Demuth + Schön aus Augsburg erfolgten, wurde für den Recyclingbeton eine neue Rezeptur entwickelt.
Parallel dazu entwarf und baute eine Gruppe von Studierenden die gekrümmte Betonschalung. Hierfür wurde die von der Albani Group zur Verfügung gestellte Carbonbewehrung zurechtgeschnitten, in Form gebracht und anschließend als Bewehrungskorb zusammengebunden. Dieser musste anschließend in der Schalung millimetergenau positioniert werden, bevor zum Schluss der Recyclingbeton eingefüllt wurde.
Die Studentinnen und Studenten produzierten bereits mehrere Fertigteile in Kooperation mit dem Unternehmen Lauter Beton, das neben dem Beton auch seine moderne Umlauf-Fertigungsanlage in Bobingen zur Verfügung stellte.
Die Betonfertigteile werden in der ersten Bauphase voraussichtlich im April 2023 im Senkelbach zusammengesetzt.
Ökologische (Trend-)Sportstätte für Einsteiger und Profis
Initiiert wurde die Surfwelle von Wassersportbegeisterten aus Augsburg, die hierzu den Verein Surffreunde Augsburg e. V. gegründet haben. „Durch die Kooperation mit der Hochschule Augsburg können wir urbanes Surfen auf ein neues Level heben: Nicht nur wird unsere Surfwelle durch die natürliche Wasserkraft vollkommen klimaneutral, also ohne CO2-Emissionen, laufen, jetzt können zudem alle Bauteile mit maximaler Rücksicht auf Ressourcenschutz hergestellt werden“, sagt Dr. Peter Miehle vom Verein Surffreunde Augsburg. „Der Aufbau unserer Surfwelle ermöglicht aber nicht nur einen ökologisch verantwortungsvollen, sondern gleichzeitig auch einen sicheren und verträglichen Betrieb.“
Im Gegensatz zu natürlichen Flusswellen werde die Surfwelle Augsburg mit einem Prallschutz und Auffang- sowie Hilfestellungsvorrichtungen für Anfängerinnen und Anfänger ausgestattet. Es werden zudem immer Aufsichtspersonen und Lebensretter vor Ort sein. Die Möglichkeit, individuelle Schwierigkeitsgrade für Fortgeschrittene und Profis einzustellen, erlaube es außerdem, die Welle auch „unsurfbar“ zu machen, also abzuflachen, sodass gezielt Rücksicht auf Anlieger und allgemeine Ruhezeiten genommen werden kann. Geplant ist, dass die Surfwelle – nach ersten technischen Test- und Optimierungsphasen – schrittweise zum Surfen geöffnet wird.
Gemeinsames Pilotprojekt mit Freistaat Bayern und Stadt Augsburg
Finanziell gefördert wird das Projekt unter anderem durch Mittel des Freistaats Bayern, die der Landtagsabgeordnete Dr. Fabian Mehring erfolgreich beantragt hat. Die Förderung des Freistaats konnte aber nur durch einen weiteren Zuschuss der Stadt nach Augsburg geholt werden. Impulsgeber dafür ist der Augsburger Sportreferent Jürgen Enninger: „Die Surfwelle wird unsere Heimat nicht nur um eine beneidenswerte sportliche Top-Attraktion reicher machen. ,Surfen im Herzen der Stadt‘ wird auch das kulturelle Flair der Wasserstadt Augsburg mit ihrem UNESCO-Welterbe perfekt ergänzen. Dass dies nun eingebettet in das natürliche Umfeld und mit Hilfe nachhaltiger Baustoffe geschieht, begeistert mich ganz besonders.“
Im Rahmen ihrer Transferarbeit unterstützte die Hochschule Augsburg die Fertigstellung der Carbonbeton-Konstruktion durch HSA_transfer – die Agentur für kooperative Hochschulprojekte gefördert durch die Bund-Länder-Initiative „Innovative Hochschule”.
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