Der Baustoff Beton im Wandel
Im digitalen Raum kamen über 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu den diesjährigen Ulmer Betontagen an jedem der vier Tage zusammen. Dabei sprachen sie über die aktuellen Forschungsprojekte und die Megatrends im Betonbau. Denn der Betonbau beschreitet einen Wandel hin zum nachhaltigen Baustoff.
Seit 65 Jahren ist das Treffen in Ulm ein Muss für jeden Betonbauer. In diesem Jahr fand das Treffen digital statt. Das Team um Dr. Ulrich Lotz, Geschäftsführer der FBF Betondienst GmbH, und Friedrich Gebhart, Präsident Fachverband Beton- und Fertigteilwerke Baden-Württemberg e. V., haben einen Kongress aufgebaut, bei dem die Zuhörer ganz wie vor Ort die für sich passenden Fachvorträge der Experten anhören konnten, per Chat ihre Fragen an die Referenten richteten und bei anderen Vorträgen reinschnupperten. Und zwischen den Vorträgen konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer virtuell durch drei Hallen mit Ausstellern schlendern und in 1:1 Gesprächen in den Austausch gehen. Die Entscheidung den intensiven Austausch vor Ort in Ulm ins Netz zu verlegen trafen die Veranstalter im November „Die Entscheidung viel uns schwer, aber den Austausch, wie wir gemeinsam unsere Zukunft mit klimagerechten Bauen gestalten wollen, wollten wir nicht verpassen“, erklärt Gebhart seine Gründe für eine digitale Veranstaltung. Dass sich zur Eröffnung 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer einwählten war einige Zeit nicht sicher. „Bis sechs Wochen vor Veranstaltungsbeginn hatten wir nur rund 30 Anmeldungen“, beschreibt Lotz. Die 65. Ulmer Betontage standen unter dem Motto „Intelligent Bauen – Megatrends in Beton“. Dabei haben die Veranstalter sechs Themenfelder in den Fokus genommen:
- Alle Wege zur Decarbonatisierung von Zement und Beton,
- Recyclingbeton als nachhaltige Option von Betonbauteilen,
- schneller Bauen mit adaptiven Serienbauteilen,
- Leichtbau und Carbonbeton,
- Digitalisierung und Prozessoptimierung und,
- die additive Fertigung, also der 3D-Druck, der mittlerweile in der Baupraxis ankommt.
Kreative Forschungsprojekte gefordert
Aus der Forschung kam ein deutlicher Appell an die Bauingenieurinnen und Bauingenieure von Prof. Manfred Curbach, TU Dresden. Für ihn schlummert in der Forschung und Entwicklung viel Kreativität. „Im Vergleich zu anderen Ingenieurwissenschaften machen wir zu wenig“, meint Curbach und weiter „wir müssen mehr forschen und wir entwickeln einfach nicht genug.“ Aber um dieses zu erreichen, sind auch entsprechende Förderprogramme vom Staat gefordert. Ein Förderprogramm von der EU stellte Prof. Christian Glock von der TU Kaiserslautern vor. Seit 2017 leitet das Institut Massivbau und Baukonstruktion der TU Kaiserslautern das EU-Forschungsprojekt SeRaMCO (Secondary Raw Materials for Concrete Precast Products), dass jetzt im März seinen Abschluss findet. Der Fokus der elf europäischen Forschungspartner aus Industrie und Wissenschaft lag auf dem Einsatz von recyceltem Beton in Betonfertigteilen. „Zu Anfang haben wir Lust und Mut gemacht, Dinge auszuprobieren, um zu testen, was geht und was geht nicht“, erklärt Glock den Teilnehmerinnen und Teilnehmern das Vorgehen des Forscherteams. Aus den kreativen Ideen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wurden dann zehn Testprodukte entwickelt, wie eine Hohlköperdecke, Pflastersteine, Fassadenelemente, Sandwich-Elemente oder auch eine Energiebank. In drei Pilotprojekten finden die Testprodukte bereits ihren Einsatz: eine Lärmschutzwand in Thionville (Frankreich), Bestandteile einer Parkanlage in Seraing (Belgien) und ein Pavillon in Pirmasens (Deutschland). Diese Projekte sind für Glock bleibende Erfolge des Forschungsprojektes.
Bauindustrie stabilisiert Wirtschaft
Die Veranstalter der Ulmer Betontage gaben für die Entwicklung der Bauwirtschaft wieder einen Ausblick. Für sie ist der Bau bisher durch die derzeitige Krise gut hindurchgekommen und hat auch zur Stabilisierung der Gesamtwirtschaft beigetragen. Christian Engelke, Geschäftsführer Bereich Wirtschaft vom Bundesverband Baustoffe – Steine und Erden e.V. (bbs), schätzt für 2021 den Wohnungsbau als Wachstumstreiber für den Bau ein, da hier weiterhin hoher Bedarf besteht. Für den Wirtschaftsbau sieht der bbs jedoch eine rückläufige Entwicklung der Bautätigkeiten. Die Gründe hierfür sieht Engelke darin, dass Unternehmen weniger Investitionsbudgets zu Verfügung haben und Strukturverschiebungen zu erwarten sind. „Im öffentlichen Bau bestehen große Prognoseunsicherheiten, inwiefern vor allem die Kommunen ihre Investitionshaushalte aufgrund rückläufiger Einnahmen zusammenstreichen“, beschreibt Engelke diesen Bereich. Für die neue Legislaturperiode sieht der bbs einige Herausforderungen für die Baupolitik. Hier nannte Engelke unter anderem die Investitionen in den Wohnungsbau für mehr bezahlbare Wohnungen, Verbesserung der Rahmenbedingungen für die energetische Gebäudesanierung zum Erreichen der Klimaschutzziele des Gebäudebereichs und Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur. Auch die deutsche Betonfertigteilindustrie blickt auf ein positives Jahr 2020 zurück. Dieses stellt Gebhart vor und berichtet, dass die Hersteller von vorgefertigten Betonbauteilen mit einem Zuwachs von 6 Prozent für 2020 rechnen. Für 2021 sind die Erwartungen für vorgefertigte Betonbauteile zurückhaltender. Hier spielt auch der Rückgang im Wirtschaftsbau eine Rolle. Positive Impulse für vorgefertigte Betonbauteile erwartet die Branche durch die Förderung des seriellen und modularen Bauens. „Im vergangenen Jahr haben wir unsere Initiative „Solid Unit – Netzwerk Innovativer Massivbau“ gestartet und sie hat sehr gut Fahrt aufgenommen. Als Repräsentant unserer Dachgemeinschaft Deutsche Betonteile freue ich mich, dass diese Initiative nun auch auf Bundesebene etabliert wird, unter Koordination der Bauwirtschaft des ZDB, aber für uns sehr wichtig, dass auch unser Branchendachverband BBS hier an vorderster Front engagiert ist. Mit dem „Netzwerk nachhaltiges mineralisches Bauen“ ist zwar ein etwas sperriger Namen herausgekommen, der aber unser Ziel, die Nachhaltigkeitsvorteile von massiven, mineralischen Baustoffen, wie Beton herauszustellen, dennoch gut widerspiegelt“, beschreibt Gebhardt das Vorhaben zu zeigen, dass Betonbau nachhaltig sein kann.
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