Die Baumaterialfrage in der Praxis
Baumaterialknappheit und dynamische Preissteigerungen teils um 80 Prozent und mehr machen Projekte seit nunmehr sechs Monaten nahezu unkalkulierbar. Erzeugt wird die Problemlage vor allem durch gravierende Lieferengpässe. Lassen sich Projekte in der Praxis überhaupt noch umsetzen? Diese Frage stellte Irmelin Ehrig im Gespräch mit Arnim Heck, Leiter Zentraler Einkauf Zech Group SE.
Herr Heck, das Ifo-Institut vermeldet gegenüber dem Vormonat zwar für einzelne Baumaterialien eine gewisse Entspannung der Preisentwicklung, doch die Lieferprobleme halten an. Bei Holz und Baustoffen melden 74,4 Prozent der Händler Engpässe, bei Metall- und Kunststoffwaren sind es 91 Prozent. Welchen Einfluss haben diese Bedingungen auf Ihre Projektentwicklungen?
Derzeit haben alle Handwerksbetriebe die Sorge, dass die vereinbarten Preise bei bereits beauftragten Verträgen durch die Kosten überholt werden. Angesichts drohender Verluste versuchen sie nun, ihre Angebote mit reichlich Sicherheitszuschlägen zu versehen, was die Projektkosten steigen lässt. Viele Projektentwicklungen im Wohnungsbau werden so nicht umgesetzt werden können, da die erwarteten hohen Baukosten nicht mehr über den Verkaufspreis hereingeholt werden können. Somit besteht die Gefahr, dass wir die Projekte nicht mehr wirtschaftlich sinnvoll umsetzen können.
Wie gehen Sie als Generalunternehmer und Investor damit um?
Wir müssen zurzeit den Vertriebsstart und den Bau der Projektentwicklungen zurückhalten, da wir nicht sehenden Auges Verluste produzieren wollen. Es gibt also ein Angebotsloch bei neu erstellten Wohnungen, denn sowohl im Bauträgergeschäft als auch im gewerblichen Bereich werden Vergaben, dort wo möglich, zeitlich verschoben. Im gewerblichen Bereich versuchen wir darüber hinaus bei Projekten in Realisierung, projektindividuelle Gleitklauseln zu vereinbaren, die das Risiko des Bauunternehmers im Ernstfall abfedern. Das Aufschieben von Projekten sehen wir allerdings nicht als Problem, da es später zu einem Nachholeffekt kommen wird. Ob man ein Bauvorhaben nun hinauszögert oder in die Realisierung geht, ist im Einzelfall zu entscheiden.
Preisentwicklung stellt Auftraggeber vor Herausforderungen
Was bedeutet das für den Projektentwickler oder Investor, wenn er trotzdem in die Umsetzung gehen will?
Bei den erwähnten Preisgleitklauseln verpflichtet sich der Auftraggeber, jene Preise zu zahlen, die Generalunternehmer und Nachunternehmer bestmöglich für ihn realisieren können. Eine andere Option bietet der so genannte Cost-Plus-Fee-Vertrag, der Selbstkosten-Erstattungsvertrag. Dieser ist für den Bauherrn sehr transparent, weil der Nachunternehmer alle Kostenpunkte offenlegen muss. In der Regel wird hierbei mit Einkaufspauschalen gearbeitet, die sich zum Beispiel aus einem vereinbarten Prozentsatz errechnen. Der Bauherr wird in kostenrelevante Entscheidungen eingebunden. Problem ist, dass der Auftraggeber mit diesem Modell bei steigenden hochvolatilen Preisen keinerlei Sicherheiten für sein Projekt erlangt. Die einzige Chance ist für ihn, von fallenden Preisen zu profitieren. Manche ziehen deshalb andere Lösungen vor, indem sie etwa Material gleichzeitig mit den Nachunternehmern bestellen oder Baustoffe vorhalten. Aber wie man es auch probiert, die Situation bleibt für alle knifflig. Erfreulich ist, dass alle Beteiligten sehr kooperativ sind, sodass individuelle Lösungen gut erarbeitet werden können.
Kostensenkungen sind nicht zu erwarten
Wie schätzen Sie die Situation auf Dauer ein?
Wir erwarten, dass sich die Kosten von diesem Niveau nicht mehr im großen Umfang nach unten entwickeln werden. Die Industrie wird Preissenkungen nur in Angriff nehmen, wenn mehr Anbieter für ihre Produkte mehr Angebot schaffen. Im Bereich der Dach- und Dämmbaustoffe wird dies überhaupt nicht machbar sein, da durch die erhöhten Auflagen der Umweltpolitik und die Abhängigkeit vom Rohölpreis keine Kostensenkungen erwartbar sind. Zudem sind alle Handwerksbetriebe stark ausgelastet und werden die einmal erreichten Preissteigerungen nicht zurücknehmen, was in Anbetracht der Nachwuchssorgen im Handwerk verständlich ist. Auch wenn sich derzeit eine Entspannung am Holzmarkt abzeichnet, die im 4. Quartal 2021 voraussichtlich noch weiter zunimmt – wir werden künftig lernen müssen, mit einer erhöhten Kostenstruktur, das heißt nachhaltige Kostensteigerungen für Wohnungen im Miet- und Eigentumssektor, umzugehen. Auch im gewerblichen Bereich gehen wir davon aus, dass die Preise nicht mehr auf das alte Niveau zurückgehen werden. Lieferanten, die die derzeitige Marktsituation für Preissteigerungen eher unbegründet nutzen, werden die Preise vielleicht aber wieder senken.
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