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Nachhaltigkeit 17.06.2022, 15:37 Uhr

Die Lebensdauer von Stahlbauwerken verlängern

Die Verlängerung der Lebensdauer von Brücken, Windenergieanlagen und anderen Bauwerken sowie ressourcenschonendere Konstruktionen sind derzeit die größten Herausforderungen im Bauwesen und Maschinenbau. Forschende entwickeln dazu ein Ingenieurmodell, durch das sich die Haltbarkeit für geschweißte Stahlkonstruktionen besser einschätzen lässt.

Bei Bruchflächen prüfen die Forschenden der Hochschule München, ob es einen speziellen Grund für die Rissentstehung gibt – zum Beispiel Unregelmäßigkeiten im Werkstoff. Foto: Johanna Weber

Bei Bruchflächen prüfen die Forschenden der Hochschule München, ob es einen speziellen Grund für die Rissentstehung gibt – zum Beispiel Unregelmäßigkeiten im Werkstoff.

Foto: Johanna Weber

Zentral für ihre Wirtschaftlichkeit ist die Haltbarkeit von Stahlkonstruktionen. Windenergieanlagen, Brücken oder großen Maschinen werden unter anderem durch starke Winde oder große Lasten beansprucht. Dies führt zur Werkstoffermüdung und somit zu Rissen und Brüchen an deren Schweißnähten.

Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit im Fokus

Das Forschungsprojekt Mobeko, das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert wird und bis zum 30. September 2022 läuft, hat das Ziel, die Lebensdauer von Bauwerken zu verlängern und Konstruktionen ressourcenschonender zu erstellen. Ein Forschungsteam der Hochschule München (HM) um Prof. Dr. Imke Engelhardt, Leiterin des Labors für Stahl- und Leichtmetallbau, und Richard Schiller vom Institut für Material- und Bauforschung der HM entwickeln einen „Modifizierten Betriebsfestigkeitsnachweis von unbehandelten und HFH-nachbehandelten Schweißkonstruktionen unter Berücksichtigung von Kollektivform, Spannungsverhältnis und Kerbdetail“.

HM-Professorin Dr. Imke Reinhardt (rechts) und Richard Schiller analysieren Bruchflächen von Metallteilen zur Beurteilung von Ermüdungsrissen.

Foto: Johanna Weber

Höherfrequente Hämmerverfahren (HFH)

Maßgebend für die Ermüdungsfestigkeit von Stahlbaukonstruktionen sind die Qualität der Schweißnähte und eventuelle Unregelmäßigkeiten der Nahtübergänge. In ausführlichen Versuchsreihen ermitteln die Forschenden die Einflüsse von Nachbehandlungen der Schweißnähte auf die Lebensdauer der Bauteile. Besonders interessant sind die HFH-Verfahren, sogenannte höherfrequente Hämmerverfahren, die händisch angewendet werden.

Mit einem Gerät in der Größe eines Bohrers, das einen gehärteten Stift hat und mit einer Frequenz von 150 bis 200 Hz angeregt wird, verformen Arbeiter die Schweißnahtübergänge plastisch. Dies verbessert die Nahtgeometrie und verfestigt die Randschicht, sodass die Naht länger haltbar ist. Eine weitere Qualitätssicherung ist durch eine visuelle Kontrolle möglich. Engelhardt sagt dazu: „Bislang ist nicht geklärt, wie sich die Wirkung von Nachbehandlungen in einem verlässlichen Betriebsfestigkeitsnachweis rechnerisch ansetzen lässt.“

Richard Schiller und Prof. Dr. Imke Engelhardt, Leiterin des Labors für Stahl- und Leichtmetallbau, diskutieren im Team regelmäßig die Messdaten und passen den Versuchsaufbau an, um aussagekräftige Daten zur Beanspruchung der Probekörper zu erhalten.

Foto: Johanna Weber

Bessere Lebensdauerabschätzung am Beispiel Windenergieanlagen

Bei Offshore-Windenergieanlagen kommen zusätzlich zu den Windlasten auf den Rotoren noch Belastungen der gesamten Konstruktion durch Wellen hinzu. Engelhardt erläutert: „Wenn wir mit unseren Forschungen zum Beispiel erreichen können, dass die Wandstärken der Offshore-Gründungsstrukturen von 100 mm auf 80 mm reduziert werden können, dann sparen wir bei jeder Anlage viele Tonnen Stahl ein.“

Das Institut für Material- und Bauforschung (IMB) wurde im Juli 2019 an der Hochschule München gegründet und integriert die Fakultäten Architektur, Bauingenieurwesen und Maschinenbau. Der Fokus liegt dabei auf der langfristigen Erhaltung und nachhaltigen Entwicklung des Bau- und Infrastrukturbestands. Forschungsthemen umfassen unter anderem die Lebensdauer von Materialien, Konstruktionen und Bauwerken, Ressourceneffizienz und Lebenszyklusbetrachtungen sowie Zuverlässigkeit und Sicherheit.

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Von Christina Kaufmann, Hochschule München / Karlhorst Klotz