Erster Gewerbebau Deutschlands aus Infraleichtbeton in Berlin eröffnet
Leichter als Wasser und dank der Verwendung von Blähton wärmedämmend ist der Baustoff, der als monolithisches Material eine tragende und zugleich wärmedämmende Funktion übernehmen kann und Fachleute von der „Rückkehr zu den Wurzeln des Bauens“ schwärmen lässt.
In Berlin-Friedrichshain hat am 10. Mai 2023 der bundesweit erste Supermarkt aus dem Hochleistungsbaustoff Infraleichtbeton eröffnet. Dank der eingeschlossenen Luft im Beton ist das Material leichter als Wasser und zugleich wärmedämmend.
Testlauf mit Potenzial
„Für uns ist es ein Testlauf, der Baustoff hat Potenzial“, erklärte Dirk Heimann, Leiter Bauwesen Rewe Ost. Das Unternehmen hat rund 14 Millionen Euro in den Neubau investiert.
Infraleichtbeton hat nach Angaben des Unternehmens einen geringeren CO2-Fußabdruck als herkömmlicher Beton unter anderem wegen des geringeren Zementgehalts. „Wir brauchen keine zusätzliche Dämmung“, freut sich Heimann, „es ist ein Stück weit die Rückkehr zum einfachen Bauen.“
Infraleichtbeton für Außenwände und Brandschutzmauer
Die Supermarkt-Kette ist Eigentümerin des Grundstücks in der Revaler Straße 33 zwischen RAW-Gelände und Ostkreuz. „Der Vorteil für uns ist, dass wir bei den Planungen im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben freie Hand haben. Wir können nach unseren Überzeugungen die Baustoffe auswählen, das Gebäudeinnere gestalten und nachhaltige Kriterien festlegen“, betont Heimann.
In Berlin-Friedrichshain testet das Unternehmen nun zum ersten Mal Infraleichtbeton. Der Baustoff kommt bei den Außenwänden und der Brandschutzmauer zum Einsatz.
An der TU Berlin erforschter Baustoff
Die Technische Universität Berlin erforscht das Material seit 2006. Im Jahr 2019 wurde es auf einer Fachmesse vorgestellt. Infraleichtbeton hat mit 800 Kilogramm pro Kubikmeter eine sehr geringe Rohdichte. Er entsteht, indem Beton sehr leichte Gesteinskörnungen wie Blähton zugefügt werden. Dabei wird Luft im Material eingeschlossen.
„Projekte im Wohnungsbau und eingeschossige öffentliche Bauwerke wurden bereits mit Infraleichtbeton umgesetzt“, sagt Prof. Mike Schlaich vom Institut für Bauingenieurwesen an der TU Berlin. Der Supermarkt mit 2.000 Quadratmeter Fläche sei nun der deutschlandweit erste Gewerbebau.
„Die Betonvariante ist leichter als Wasser und wärmedämmend“, beschreibt er die Eigenschaften des Baustoffs. „Da die Außenwände weder extra Dämmung noch Schallschutz benötigen, ist Infraleichtbeton positiv für die CO2-Bilanz und die spätere sortenreine Trennung der Baustoffe.“
Neun Meter hohe Wände
Das Architekturbüro Baumgardt Franke aus Leipzig hat den Experimentalbau geplant. Eine besondere Herausforderung für die am Projekt beteiligten Fachfirmen war das Bauen im Bestand.
Das gesamte Objekt setzte sich aus drei verbundenen Gebäuderiegeln zusammen. Der vorherige Supermarkt teilte sich mit Haupt- und Getränkemarkt auf zwei Gebäuderiegel auf. Beide wurden abgerissen und in Verbindung zum dritten Gebäuderiegel neu errichtet. Die Wände des neuen Gebäudes sind neun Meter hoch und 40 bis 50 Zentimeter dick.
Tragende und die wärmedämmende Funktion einer einschichtigen Gebäudehülle kombiniert
Architektin Dagmar Baumgardt sagt: „Der konstruktive Leichtbeton vereint in einem monolithischen Material die tragende und die wärmedämmende Funktion einer einschichtigen Gebäudehülle. Die Arbeit mit Infraleichtbeton stellt eine Rückkehr zu den Wurzeln des Bauens dar.“
Angemischt wurde der Baustoff in den Werken von Heidelberg Materials. „Ein Projekt mit diesem speziellen Baustoff in diesen Dimensionen war für alle Neuland. Die wohl größte Herausforderung bestand mit dem Infraleichtbeton darin, die über neun Meter hohe Brandwand sowohl baustofflich als auch bemessungstechnisch und dabei noch praktikabel umsetzbar zu konzipieren“, meint Robert Bachmann, Leiter Technischer Vertrieb bei Heidelberg Materials. Das Ingenieurbüro Schlaich Bergermann Partner und Prof. Mike Schlaich haben das Projekt mitgestaltet und intensiv begleitet.
Abseits der Gebäudehülle kamen weitere Baustoffe zum Einsatz.
Das Dach des Marktgebäudes besteht aus einer leichten, gedämmten Stahltrapezkonstruktion, das Tragwerk bilden Holzleimbinder mit Spannweiten von bis zu 27 Meter. Die Innenwände bestehen aus Kalksandstein und Gipskartonständerwänden. Die Glasfassaden, Fenster und Türen sind in Aluminiumkonstruktionen eingefasst. Auf dem Gelände an der Revaler Straße befinden sich auch eine Aldi-Filiale, ein Fitnessstudio und Büroflächen.
Energieverbrauch nahezu halbiert
Neben dem Baustoff Infraleichtbeton sorgen beim Rewe-Markt in Friedrichshain weitere Faktoren für eine deutlich bessere Energie- und CO2-Bilanz im Vergleich zu einem Standardbau: Bei dem Neubau handelt es sich um ein „Rewe Green Building“ mit moderner Heizungs-, Lüftungs- und Beleuchtungstechnik sowie sparsamen Kälteanlagen. Bundesweit gibt es rund 250 solcher Märkte, davon 14 in Berlin.
„Solch ein ressourcenschonend errichteter Energiespar-Markt spart bis zu 40 Prozent Energie. Die Heizenergie wird zu 80 Prozent durch Abwärmenutzung aus der zentralen Gewerbekälte und zu 20 Prozent über den Einsatz von Wärmepumpen abgedeckt“, erklärt Heimann.
Heizungs-, Lüftungs-, Beleuchtungs-, Klima- und Kälteanlage belasten die Umwelt nicht mit CO2-Emissionen, das heißt der Markt wird CO2-neutral betrieben. Zur modernen Haustechnik zählen auch komplett verglaste Kühlregale mit LED-Beleuchtung, bei denen ausschließlich natürliche Kältemittel zum Einsatz kommen.
Bereits seit 2010 werden alle Rewe-Märkte mit 100 Prozent Grünstrom betrieben. REWE Green Buildings werden nach Fertigstellung von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) geprüft und offiziell zertifiziert.
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