Fassaden mit pflegeleichtem Algenbiofilm für besseres Stadtklima
Die Begrünung von Fassaden reduziert die Lufttemperatur und die Lärmbelästigung und verbessert die Resilienz gegenüber dem Klimawandel.
Die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) entwickelt in einem interdisziplinären Forschungsprojekt Fassaden mit einem Algenbiofilm, um die Luftqualität und das Klima in Großstädten zu verbessern. Luftverschmutzung und innerstädtische Überhitzung durch den Klimawandel beeinträchtigen schon heute die Lebensqualität und Gesundheit. Die Biofilmfassaden können Schadstoffe absorbieren, sind kostengünstig und vollständig recycelbar.
Luftschadstoffe an Fassadenoberflächen binden
Die Renaturierung von Innenstädten durch Begrünung ist ein vielversprechender Ansatz, um der Luftverschmutzung entgegenzuwirken: Pflanzen können Luftschadstoffe auf ihren Oberflächen binden und teilweise sogar abbauen. Gleichzeitig reduziert die Begrünung von Fassaden die Lufttemperatur und die Lärmbelästigung und verbessert die Resilienz gegenüber dem Klimawandel.
Wissenschaftliche Arbeiten belegen, dass begrünte Fassaden in Straßenschluchten die Konzentration an Stickoxiden um 40 Prozent und an Feinstaub um 60 Prozent senken können. Aufgrund der spezifischen Strömungsverhältnisse wird auf Gebäudefassaden viel mehr Feinstaub absorbiert als auf begrünten Dächern. Fassadenbegrünungen werden bisher jedoch selten realisiert, da sie einen hohen Wartungsaufwand bedeuten.
Algenbiofilme mit geringerem Wartungsaufwand und hoher Luftreinigungseffizienz
Die BAM entwickelt jetzt in Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnern aus der Wirtschaft innovative Fassadenelemente aus Beton, die ganzjährig mit Algenbiofilmen bedeckt sind. Sie zeichnen sich durch einen besonders geringeren Wartungsaufwand und eine erhöhte Effizienz bei der Luftreinigung im Vergleich zu konventionellen Fassadenbegrünungen aus, sie sind kostengünstig und optisch ansprechend.
Das Berliner Biotech-Unternehmen Solaga stellt dazu als Projektpartner spezielle Mikroalgenbiofilme zur Verfügung. Durch ihre spezielle Oberflächenstruktur binden sie Feinstaub und andere Luftschadstoffe effizienter als herkömmlich begrünte Fassaden. Die BAM optimiert die Rezeptur des Betons für die Algenbiofilme, die Porosität und die Textur der Oberfläche für eine gute Besiedlung. Und sie verbessert die Biofilme durch die Auswahl einer gezielten Mischung verschiedener Algenspezies.
Die Beton-und-Naturstein-Babelsberg GmbH aus Potsdam unterstützt das Projekt durch die Fertigung von Prototypen. Die BNB hatte erst kürzlich durch die Herstellung von klimaneutralem Beton auf sich aufmerksam gemacht, der zusammen mit ecoLocked als Spezialist für kohlenstoffnegative Materialien für emissionsfreie Bauwerke entwickelt wurde. Neben der Reduktion der Bauteildicke und der Verwendung von Recyclingbeton wirke sich dabei vor allem die Substitution von üblichen Zuschlagstoffen durch den Einsatz von Biokohle positiv aus – einem kohlenstoffreichen Produkt, das Emissionen aus Pflanzenabfällen verhindert. Klimaneutraler und sogar klimapositiver Beton stehe in puncto Festigkeit den herkömmlichen Betonmischungen in nichts nach.
Ganzjährig attraktive Fassadenelemente aus Beton mit Algenbiofilmen
Ziel des interdisziplinären Projektes ist es, Fassadenelemente aus Beton zu entwickeln, die mit den optimierten Algenbiofilmen besiedelt werden können und ganzjährig eine ansprechende Optik bieten. „Statt ungewollten Algenbewuchs mit Bioziden zu bekämpfen, wollen wir den städtischen Lebensraum bewusst gestalten und durch großflächige Biofilme gezielt zur Reduktion von Luftschadstoffen und der Dämpfung der innerstädtischen Überhitzung beitragen“, so Julia von Werder, Expertin für mineralische Baustoffe, die das vom 1. Juni 2021 bis 30. Januar 2024 laufende Projekt an der BAM leitet.
Das Profjekt Abiffa (Algen-Biofilm-Fassaden für saubere Luft und besseres Stadtklima) soll Fragen klären wie
- Wie sollte der anfängliche Biofilm zusammengesetzt sein, um die langfristige Stabilität und das optische Erscheinungsbild zu gewährleisten?
- Welche Betonrezeptur und -mikrostruktur sowie welches Benetzungsverhalten begünstigt die Anlagerung und gleichmäßige Ausbreitung der Mikroorganismen?
- Wie kann die Etablierung eines Biofilms auf der Fassade beschleunigt werden?
- Wie müssen die bedarfsgesteuerte Bewässerung und die Versorgung mit Spurenelementen gestaltet sein, um ein optimales Wachstum zu ermöglichen?
- Welchen Beitrag leisten Fassadensysteme zum Metabolismus von Luftschadstoffen, insbesondere CO2 und NO2?
- Welchen Beitrag leisten die neuen Fassadenelemente zur Reduzierung der Oberflächentemperatur nach Sonneneinstrahlung und zur Rückhaltung von Niederschlagswasser?
- Wie wird der ästhetische Eindruck bewertet und wie können die neuen Elemente architektonisch integriert werden?
Für Neubau und Sanierung
Die neuen Fassadenelemente können in Zukunft nicht nur dauerhafte Lösungen beim Neubau von Gebäuden bieten, sondern auch bei der Sanierung von Altbestand eingesetzt werden. Sie sind nach Angaben der BAM kostengünstig und können vollständig recycelt werden.
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