Gebäuderessourcenpass steht zur Diskussion bereit
Die neue Bundesregierung hatte angekündigt, einen digitalen Gebäuderessourcenpass einzuführen. Jetzt hat die DGNB einen Vorschlag erarbeitet und zur Kommentierung freigegeben. Dazu gibt es auch ein kostenfreies Infoseminar.
Im Koalitionsvertrag hatte die neue Bundesregierung angekündigt, einen digitalen Gebäuderessourcenpass einzuführen, ohne diesen inhaltlich näher zu konkretisieren. Was dieser inhaltlich umfassen sollte, hat die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen – DGNB e.V. jetzt als Vorschlag veröffentlicht und bis Mitte September zur Diskussion gestellt. Die Non-Profit-Organisation erhofft sich davon mehr Geschwindigkeit bei der Einführung des Instruments und mehr Akzeptanz für die Anwendung. An der Ausgestaltung des Gebäuderessourcenpasses beteiligte sich der neu gegründete DGNB-Ausschuss für Lebenszyklus und zirkuläres Bauen.
Vom Energieausweis zum Gebäuderessourcenpass
Der Energieausweis hat sich im Gebäudebereich in den vergangenen Jahren erfolgreich etabliert. Dieser betrachtet jedoch nicht die für den Klimaschutz so wichtige Zielgröße der CO2-Emissionen und fokussiert auf die Nutzungsphase einer Immobilie. Die Konstruktion und die dort entstandenen negativen Umweltwirkungen sind ausgespart.
Hier setzt die Idee eines Gebäuderessourcenpasses an (siehe Kasten).
„Diese Ankündigung hat uns gefreut, weil sie genau die Zielsetzungen unterstützt, für die wir uns seit 15 Jahren einsetzen“, sagt Dr. Christine Lemaitre, Geschäftsführender Vorstand der DGNB. „Aber es ist wichtig, dass wir hier Tempo aufnehmen und vorhandenes Wissen nutzen. Die Aufgabe, vor der wir gesellschaftlich stehen, ist zu groß, um über die x-te gut dotierte Ausschreibung das Rad wieder neu zu erfinden, um am Ende das Ergebnis unter den Einflüssen von Lobbyverbänden verwässern zu lassen.“
Inhaltsstoffe, Umweltwirkungen und zirkuläre Nutzung
Das grundlegende Prinzip ist einfach: In dem Ressourcenpass sollen individuell für jedes Gebäude die wesentlichen Informationen rund um den Ressourcenverbrauch, die Klimawirkung und die Kreislauffähigkeit transparent angegeben werden. Bei der inhaltlichen Ausgestaltung des jetzt präsentierten Entwurfs hat die DGNB sich an sechs übergeordneten Bereichen orientiert. Zu Beginn steht die Abfrage von allgemeinen Informationen zur Immobilie wie Standort, Baujahr und Art der Bauweise. Des Weiteren soll unter anderem die Gesamtmasse des Gebäudes erfasst werden.
Ein wesentlicher Fokus des Instruments liegt auf Angaben zu den verbauten Inhaltsstoffen sowie zur Verwendung zirkulärer Wertstoffe. Eine Auflistung der eingesetzten Materialarten ist ebenso gefragt wie Angaben zum Einsatz kritischer Inhaltsstoffe. Neben den Bau- und Abbruchabfällen wird auch der Anteil nachwachsender Rohstoffe sowie wiederverwendeter oder rezyklierter Materialien erfasst.
Der Ressourcenpass soll zudem Transparenz liefern hinsichtlich der Umweltwirkungen eines Gebäudes über den gesamten Lebenszyklus, genauer über eine Referenznutzungsdauer von 50 Jahren. Im Entwurf der DGNB werden die ökobilanziell ermittelten Treibhausgasemissionen des Bauwerks ebenso ausgewiesen wie dessen Primärenergiebedarf aus nicht-erneuerbaren Energiequellen.
Durch die verpflichtende Auseinandersetzung mit den verbauten Massen soll der verantwortungsbewusste Umgang mit Ressourcen gefördert und ein Bewusstsein für deren Wert geschaffen werden. Abgefragt wird in diesem Sinne auch, ob ein Konzept zur möglichen Anpassung des Gebäudes für weitere Nutzungen erstellt wird. Gleiches gilt für eine möglichst zerstörungsfreie Demontage sowie zur sortenreinen Trennung im Falle eines Umbaus oder Rückbaus. In diesem Zusammenhang sollen die perspektivischen Nachnutzungswege der verbauten Materialien dargelegt werden. Letztlich fragt der Gebäuderessourcenpass noch ab, ob eine digitale Dokumentation der Zirkularität des Gebäudes vorhanden ist und ob diese regelmäßig aktualisiert wird.
All die genannten Aspekte sind im Sinne der DGNB Mindestinformationen eines Gebäuderessourcenpasses. Zusätzlich will die DGNB zur Angabe weiterer Informationen rund um die zirkuläre Nutzung der Immobilie motivieren. Zu den freiwillig auszufüllenden Punkten zählen der Flächennutzungsgrad des Gebäudes sowie der Anteil von Flächen im Gebäude, die zur Mehrfachnutzung vorgesehen sind. Auch der Flächenbedarf je Bezugseinheit – bei Büroimmobilien die Quadratmeter pro Arbeitsplatz – sollen bestenfalls zusätzlich ausgewiesen werden.
Möglichkeit zur Kommentierung
„Die Zusammenstellung der Inhalte macht deutlich, dass es uns nicht singulär um eine reine Förderung der Kreislauffähigkeit oder die Minimierung der CO2-Emissionen in der Konstruktion geht“, erklärt Lemaitre. „Vielmehr brauchen wir das intelligente Zusammenspiel all der genannten Komponenten und die dazugehörige Planungskompetenz, um diese Themen ganzheitlich in reale Gebäude zu überführen. Denn der Gebäuderessourcenpass sollte neben der reinen Bestandsaufnahme auch eine Zielstellung geben, worauf es bei allen künftigen Gebäuden ankommt im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Klimaschutz.“
Unter www.dgnb.de/gebaeuderessourcenpass steht ein Beispielentwurf des Gebäuderessourcenpasses in aggregierter Form zum Download zur Verfügung. Zusätzlich gibt es ein Dokument mit den Detailanforderungen, in dem auch der Bezug zur EU-Taxonomie, zum Berichtsrahmen Level(s) sowie zur DGNB-Zertifizierung genannt wird. Beide Dokumente stellt die DGNB bis zum 18. September 2022 zur Kommentierung bereit. So findet sich unter demselben Link ein Formular, über das Interessierte ihre Anregungen zur Weiterentwicklung und Finalisierung des Instruments an die DGNB übermitteln können.
Infoseminar und Präsentation der Ergebnisse
Wer Näheres wissen möchte oder Rückfragen hat, kann ein digitales Infoseminar besuchen, das am 15. August um 16:30 Uhr stattfindet. Die Teilnahme ist kostenlos, die Anmeldung ebenfalls unter dem genannten Link möglich.
„Die eingehenden Kommentare werden wir sichten und kritisch prüfen“, so Lemaitre. „Das Ergebnis werden wir dann bei der Expo Real vorstellen.“ Im Rahmen der Immobilien- und Investorenmesse in München wird es hierfür am 4. Oktober 2022 ab 14:30 Uhr eine Diskussionsrunde geben. Diese findet am Gemeinschaftstand der DGNB, der Bundesarchitektenkammer und der Bundesstiftung Baukultur in Halle A2 an Stand 334 statt.
Ausschuss für Lebenszyklus und zirkuläres Bauen
Entwickelt wurde der neue Gebäuderessourcenpass unter der Leitung von Dr. Anna Braune, Abteilungsleiterin Forschung und Entwicklung der DGNB, in enger Abstimmung mit dem neu ins Leben gerufenen DGNB-Ausschuss für Lebenszyklus und zirkuläres Bauen. Das Expertengremium setzt sich aus folgenden Personen zusammen:
- Dr. Patrick Bergmann (Madaster Germany)
- Dominik Campanella (Concular)
- Jörg Finkbeiner (Partner und Partner Architekten Günter und Finkbeiner)
- Joost Hartwig (ina Planungsgesellschaft)
- Prof. Dr. Linda Hildebrand (RWTH Aachen University)
- Prof. Andrea Klinge (ZRS Architekten Ingenieure)
- Katrin Lenz (Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP)
- Martin Pauli (Arup Deutschland)
- Prof. Dr. Anja Rosen (C5)
- Daniela Schneider (Epea GmbH – Part of Drees & Sommer)
- Dr. Jörg Spangenberg (kadawittfeldarchitektur)
- Prof. Dr. Patrick Teuffel (Teuffel Engineering Consultants Ingenieurgesellschaft)
- Sebastian Theißen (List)
- Dr. Wolfram Trinius (Ingenieurbüro Trinius)
- Antonino Vultaggio (HPP Architekten)
- Dr. Stefanie Weidner (Werner Sobek Design)
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