Neues aus dem Fraunhofer WKI
Der Leichtbau gilt als Schlüsseltechnologie der Zukunft. Leichte Materialien, Bauteile und Produkte benötigen weniger Transportenergie und oft auch weniger Rohstoffe. Leichtbauprodukte aus nachwachsenden Rohstoffen können besonders nachhaltig sein. Doch auch nachwachsende Rohstoffe werden knapp, wenn immer mehr Produkte daraus hergestellt werden und die Weltbevölkerung weiter wächst.
Forschende des Fraunhofer-Instituts für Holzforschung – Wilhelm-Klauditz-Institut (WKI) entwickeln ressourceneffiziente Leichtbaulösungen aus nachwachsenden Rohstoffen: von der Erschließung alternativer Rohstoffe aus klimaangepassten Ökosystemen und pflanzlichen Reststoffen über die Material- und Prozessentwicklung, das Bauteildesign und die Qualitätskontrolle bis hin zur Kaskadennutzung und zum Recycling.
Neue Anwendungsmöglichkeiten für Holz & Co
Die Mitarbeitenden des Fraunhofer WKI verfolgen das Ziel, fossile und andere endliche Rohstoffe durch nachwachsende Rohstoffe zu ersetzen. Holz ist von Natur aus ein sinnvoller und etablierter Leichtbauwerkstoff. Es hat eine geringe Rohdichte bei gleichzeitig hoher Stabilität. Doch nicht nur für Holz, sondern auch für andere nachwachsende Rohstoffe wie Hanf- und Flachsfasern oder Lignin suchen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Fraunhofer WKI nach neuen Anwendungsmöglichkeiten.
Mit hybriden Leichtbauwerkstoffen experimentieren
Darüber hinaus kombinieren die Forschenden Natur- oder Holzfasern mit anderen Materialien wie biobasierten Kunststoffen oder Metallen. Diese hybriden Leichtbauwerkstoffe mit nachwachsenden Rohstoffen gewinnen auf dem Markt zunehmend an Bedeutung. Mit ihnen lassen sich ressourcen- und klimaschonende Produkte herstellen, die mehrere Funktionen erfüllen – zum Beispiel tragfähige Bauprodukte mit integriertem Wärme- und Schallschutz oder strapazierfähige (Polster-)Möbel und Verpackungen.
Hybridwerkstoffe kleben
Weitere Anwendungsfelder für die am Fraunhofer WKI entwickelten Leichtbauwerkstoffe ergeben sich im Mobilitätssektor. Leichte Pkw, Lkw und Züge aus nachwachsenden Rohstoffen können einen Beitrag zum Ressourcen- und Klimaschutz leisten. Je leichter ein Fahrzeug ist, desto geringer ist der Energieverbrauch während der Fahrt. Leichtbaulösungen spielen daher eine wichtige Rolle für die Mobilität der Zukunft. Als Fügetechnologie zur Herstellung von Leichtbauteilen bietet insbesondere das Kleben viele Vorteile und gewinnt daher als Schlüsseltechnologie der Zukunft gerade im Hinblick auf Hybridwerkstoffe zunehmend an Bedeutung.
Nachhaltiger Bio-Schaum aus Lignin
Der Holzbestandteil Lignin fällt in großen Mengen als Nebenprodukt bei der Zellstoff- und Papierherstellung an. Gemeinsam mit Industriepartnern entwickeln Forschende am Fraunhofer WKI daraus einen hochleistungsfähigen und leichten Bio-Schaumstoff, der beispielsweise in Dämmstoffen zum Einsatz kommen kann. Weitere Anwendungsmöglichkeiten ergeben sich für PKW-Stoßstangen oder als Kernmaterial in Windkraft-Rotorblättern. Bisher entwickelte »Ligninschäume« sind Polyurethanschäume, welche einen Anteil von maximal 40 Prozent Lignin enthalten. Das Ziel ist, einen ausschließlich Lignin-basierten Schaum zu entwickeln. Im Hinblick auf die wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit zu petrochemischen Schäumen soll zudem eine kostenintensive Aufreinigung des Lignins vermieden werden. Reststoffe des Pflanzenaufschlusses, wie nicht aufgeschlossene Faserbündel und Spuckstoffe, sollen gezielt zur Verstärkung des Schaumes eingesetzt werden.
Weltweit höchster Holzturm für Windkraftanlagen
Für die Firma Modvion AB in Göteborg haben Forschende des Fraunhofer WKI die Klebungen des ersten Holzturms für kommerzielle Windkraftanlagen auf der Baustelle begleitet und das Unternehmen hinsichtlich komplexer Verklebungen beraten und unterstützt. Inklusive einer V90–2.0MW-Turbine von Vestas Group erreicht der Turm eine Gesamthöhe von 150 Metern – die reine Turmhöhe liegt bei 105 Metern -, was ihn zum höchsten hölzernen Windkraftanlagenturm weltweit macht. Er besteht aus vorgefertigten Modulen, die auf der Baustelle miteinander verklebt werden. Im Vergleich zu konventionellen Windkraftanlagen aus Beton oder Stahl ermöglicht die Holzbauweise CO2-Einsparungen von bis zu 90 Prozent. Der Holzturm ist nicht nur nachhaltiger, sondern bietet Vorteile im Bereich Leichtbau: Bezogen auf das Eigengewicht hat Holz eine höhere spezifische Festigkeit als Stahl, wodurch leichtere Konstruktionen möglich sind. Dadurch und durch den modularen Aufbau lässt sich Transportenergie einsparen.
Leichte Fertigbau-Holztafeln besser recyceln
Der Holztafelbau ist eine sehr ressourceneffiziente, leichte und technisch ausgereifte Bauweise und stellt daher die mit Abstand häufigste Bauweise im Holzbau dar. Der Materialmix aus metallischen, organischen und mineralischen Bestandteilen erschwert jedoch eine sortenreine Trennung in die einzelnen Bestandteile. Das wollen Forschenden des Fraunhofer WKI gemeinsam mit der Technischen Universität Braunschweig, der Ruhr-Universität Bochum und den vier Praxispartnern Otto Baukmeier Holzbau-Fertigbau, Sto, Fermacell – James Hardie Europe und Alba Braunschweig ändern. Bis Ende 2026 möchte das Projektteam Holztafeln entwickeln, die sich deutlich einfacher sortenrein recyceln lassen. Die im Recyclingprozess zurückgewonnenen Rohstoffe können als Ausgangsmaterial für neue Produkte genutzt werden. Am Ende des Projekts sollen mehrere Demonstratoren stehen, die die Machbarkeit des »Design for Recycling« der Holztafel, der Recyclingprozesse und der Wiederverwendung der zurückgewonnenen Rohstoffe in neuen Produkten demonstrieren.
„Plachs“, eine Methode für die Entwicklung von kreislauffähigen Produkten
Faserverbundkunststoffe eignen sich für ressourcenschonende und klimafreundliche Leichtbaulösungen. Sie können Bauelemente und viele weitere Produkte nachhaltiger machen – insbesondere wenn nachwachsende oder recycelte Rohstoffe zum Einsatz kommen. Doch lassen sich die Produkte auch gut recyceln? Produktdesign, Technik, Abfallströme, Wirtschaftlichkeit: die beeinflussenden Faktoren sind sehr vielfältig. Wie konzipiert man also marktfähige Produkte aus Faserverbundkunststoffen für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft? In diesem Projekt erarbeiten Forschende am Fraunhofer WKI gemeinsam mit dem Designer Jonathan Radetz hierfür eine interdisziplinäre Methode. Ob sie in der Praxis funktioniert, testet das Team anhand der Entwicklung eines Sitzmöbels. Darauf aufbauend könnte man in ähnlicher Weise auch für andere (Verbund-)Werkstoffe nachhaltige Entwicklungsmethoden entwickeln.
Zukunft aus nachwachsenden Rohstoffen bauen
Nachhaltigkeit ist seit der Gründung des Fraunhofer WKI im Jahre 1946 das zentrale Thema. Der Gründer und Namensgeber Dr. Wilhelm Klauditz gilt als Pionier der modernen Holzwerkstoffindustrie. Heute nutzt das Fraunhofer WKI die ganze Bandbreite nachwachsender Rohstoffe, um daraus nachhaltige Werkstoffe, Bauteile und Chemieerzeugnisse zu entwickeln. Das Institut mit Standorten in Braunschweig, Hannover und Wolfsburg ist spezialisiert auf Verfahrenstechnik, Formgebung und Komponentenfertigung mit Biowerkstoffen, biobasierte Bindemittel und Beschichtungen, Funktionalisierung, Brandschutz, Werkstoff- und Produktprüfungen, Recyclingverfahren sowie den Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen in Gebäuden und Fahrzeugen. Darüber hinaus gehört das Fraunhofer WKI zu den führenden Forschungseinrichtungen im Bereich Innenraumluftqualität. Nahezu alle Verfahren und Produkte, die aus der Forschungstätigkeit des Instituts hervorgehen, werden industriell genutzt. Mit seiner Forschung und Entwicklung leistet das Fraunhofer WKI einen wichtigen Beitrag für den Aufbau einer biobasierten Kreislaufwirtschaft oder einer zirkulären Bioökonomie.