Prüfmethode zur Ermittlung des Zugtragverhaltens von textiler Bewehrung für Beton
Nicht-metallische Bewehrungen aus faserverstärkten Kunststoffen, die keine chloridinduzierte Korrosion aufweisen und daher schlanke und gleichzeitig dauerhafte Bauwerke ermöglichen, erfreuen sich weltweit wachsender Beliebtheit. Zur Charakterisierung und Qualitätssicherung der aktuell noch nicht genormten Bewehrungen werden einheitliche Prüfmethoden benötigt, die für Hersteller und Prüfstellen zuverlässig und wirtschaftlich anwendbar sind. Im vorliegenden technischen Bericht wird eine gemeinsam mit dem Prüfmaschinenhersteller Zwick entwickelte Klemmlösung vorgestellt, die querdruckempfindlichen Hochleistungsfasern gerecht wird und gleichzeitig eine schnelle und unkomplizierte Prüfung ermöglicht.
1 Problemstellung
Der Wunsch nach reproduzierbaren, realitätsnahen und wirtschaftlichen Zugprüfungen an Bewehrungen aus faserverstärkten Kunststoffen (FVK-Bewehrungen) besteht einerseits direkt bei den Herstellern solcher Bewehrungen, zum Beispiel für die laufende werkseigene Produktionskontrolle (WPK). Andererseits benötigen auch Forschungseinrichtungen und Prüfstellen für vergleichende Untersuchungen und Zulassungsuntersuchungen einheitliche Methoden. Die besonderen Anforderungen an eine solche Prüfmethode ergeben sich vor allem dadurch, dass Hochleistungsfasern sowohl spröder versagen als auch im Falle von Carbonfasern besonders querdruckempfindlich sind. Dadurch sind herkömmliche Klemmlösungen mit Stahlbacken nicht geeignet.
Im Laufe der letzten Jahre wurde eine Vielzahl an unterschiedlichen Varianten entwickelt, die aus verschiedensten Gründen nicht optimal für die Zugprüfung von steifen epoxidharzgetränkten Bewehrungen geeignet sind.
Häufig verwendet wird ein Versuchsaufbau nach ISO 3341:2000–05 [1] (Bild 1) bei dem Garne über Umlenkrollen festgehalten und geprüft werden. Der Aufbau hat sich bewährt für ungetränkte Rovings oder auch für Faserstränge mit weichen, umlenkbaren Tränkungsmassen wie zum Beispiel Styrol-Butadien (SBR). Steife Faserstränge mit duromeren Tränkungsmassen können damit nicht geprüft werden.
Mangels geeigneter Klemmbacken wurden Faserstränge bisher auch mit gegeneinander verschraubten Stahllaschen- oder Standard-Probenhaltern zwischen gummiartigen Ausgleichsschichten geklemmt, was je nach Beschaffenheit der Faserstränge zu einer negativen Beeinflussung der Festigkeit im Übergangsbereich zur Klemmung führen kann (Bild 2).
Eine anerkanntermaßen gutmütige und fasergerechte Lasteinleitung kann mit der Einklebung von Fasersträngen in Hülsen erfolgen. Vorausgesetzt die Länge der Hülsen ist ausreichend groß um einen Auszug des Faserstrangs zu vermeiden, können auf diese Weise hohe und reproduzierbare Zugfestigkeiten ermittelt werden. Allerdings ist dieses Verfahren sehr zeitaufwendig und zumindest für größere Prüfprogramme oder die WPK beim Hersteller nicht geeignet (Bild 3).
Aus diesem Grund hat die Forschungsgesellschaft für Textiltechnik Albstadt (FTA) im Auftrag ihrer Schwesterfirma solidian GmbH, einem Anbieter von nicht-metallischen Bewehrungen, gemeinsam mit der Firma Zwick GmbH & Co. KG, Ulm, eine Klemmlösung mit speziellen materialgerechteren Backeneinsätzen entwickelt, die den Anforderungen der FVK-Bewehrungen gerecht werden und gleichzeitig eine schnelle und praxistaugliche Prüfung ermöglichen.
2 Gestaltung der Sonderbacken
Basis der Versuchseinrichtung ist ein parallel schließender hydraulischer Keilprobenhalter, der für maximale Zugkräfte von 250 kN ausgelegt ist. Ausgetauscht wurden lediglich die Backeneinsätze, die üblicherweise ebene Stahlflächen, zum Beispiel mit einem gefrästen Pyramidenraster aufweisen. Bei direkter Klemmung von Fasersträngen mit den Stahlbacken würde sich die Verzahnung der Backenoberfläche in das vergleichsweise weiche Epoxidharz eindrücken und Filamente beschädigen. Unabhängig davon stellt sich am Übergang zum Klemmbereich durch den gleichmäßig verteilten Klemmdruck ein abrupter Dehnungswechsel der Faser in Kombination mit einem mehrdimensionalen Spannungszustand ein. Um den Lasteintrag vor allem in diesem Übergangsbereich schonender zu gestalten wurde versucht, den Klemmdruck in Richtung Fasermitte kontinuierlich zu reduzieren. Dies wurde durch zwei Maßnahmen erreicht: Zum einen ragen die Backeneinsätze aus dem Probenhalter einige Zentimeter heraus. Das führt dazu, dass im Übergangsbereich zum Faserstrang nur indirekt Klemmdruck aufgebracht wird, der sich durch die Steifigkeit der Backeinsätze überträgt. Zum anderen wurde eine spezielle Ausgleichsschicht aus einem duroplastischen Polymer mit Korundfüllung in der Weise angeordnet, dass die Dicke der Einlage von 5 mm im unteren Bereich auf 8 mm im oberen Bereich zunimmt. Die Zunahme der Dicke in Richtung Fasermitte bewirkt durch die geringere Gesamtsteifigkeit eine zusätzliche Reduzierung des Klemmdrucks im Übergangsbereich. Bild 4 zeigt links eine Prinzipskizze des Aufbaus und rechts qualitativ die Verringerung des Klemmdrucks in Richtung Fasermitte.
3 Prüfablauf
Sechs Faserstränge einer Serie mit einer Länge von 440 mm werden aus einem Bewehrungsgitter entnommen (Bild 5). Die gewählten Bereiche dürfen keine Beschädigungen aufweisen und müssen repräsentativ für das Flächengebilde sein. Die Querstränge werden so gekürzt, dass sie insgesamt zwischen 10 mm und 15 mm lang sind. Unbedingt ist beim Durchtrennen der Querstränge eine Beschädigung der Längsfasern sicher auszuschließen. Bei besonders dicken Knotenpunkten oder bei sehr hohen Zugfestigkeiten kann es sinnvoll sein, die Querstränge vorsichtig zu entfernen, um festigkeitsmindernde Spannungskonzentrationen in den Knotenbereichen zu vermeiden. Durch einen Vergleich der Zugfestigkeiten von Fasersträngen mit und ohne Quersträngen kann der Einfluss für den jeweiligen Bewehrungstyp vorab bewertet werden.
Je nach Tränkungsmasse ist es sinnvoll, eine zusätzliche Lederhaut zwischen Faserstrang und Korundeinlage anzuordnen. Dies verhindert, dass scharfkantige Korundpartikel die Tränkungsmasse durchdringen und Einzelfilamente zerstören. Faserstränge mit einer Tränkung aus Epoxidharz, Vinylester oder Polyurethan werden nach bisheriger Erfahrung am besten ohne Lederhaut geprüft. Faserstränge mit Styrol-Butadientränkung oder anderer weicher Tränkungsmasse müssen gegebenenfalls mit zusätzlicher Lederhaut geprüft werden.
Beim Einbau wird die Probe an aufgeschraubten Anschlägen ausgerichtet und festgehalten (Bild 6) bis oben und unten der Schließdruck erreicht ist. Vor dem Start der Prüfung wird der Klemmdruck erhöht. Idealerweise wird in Vorversuchen ein möglichst geringer Klemmdruck ermittelt. Bei hochfesten Fasersträngen mit über 20 kN Bruchkraft sind erfahrungsgemäß Klemmkräfte von circa 200 kN erforderlich. Die Prüfung wird über die Traverse weggeregelt gesteuert. Für die hier vorgeschlagene freie Länge von 160 mm wird eine Traversengeschwindigkeit von 3 mm/Min. eingestellt. Für abweichende freie Längen muss diese Geschwindigkeit so angepasst werden, dass sich eine ähnliche Dehnungsrate einstellt. Die Prüfung ist beendet, wenn es entweder zu einem Zugversagen des Faserstrangs oder zu einem Faserauszug aus dem Klemmbereich kommt. Bei der Bewertung der Versagensart kann zwischen vier Fällen unterschieden werden:
- Typ I – Faserstrang reißt nicht und wird vollständig aus der Klemmung herausgezogen Ungültig
- Typ II – Faserstrang reißt innerhalb der Klemmfläche Ungültig
- Typ III – Faserstrang reißt innerhalb der freien Länge in einem Abstand von weniger als 5 mm zum Klemmbereich Gültig, wenn im Rahmen der Streubreite des Versagenstyps IV
- Typ IV – Faserstrang reißt innerhalb der freien Länge vollständig in zwei Teile Gültig
4 Fazit und Ausblick
Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass auch mit hydraulischen Klemmbacken empfindliche Glas- oder Carbonbewehrungen geprüft werden können, wenn die Klemmtechnik an die Besonderheiten, insbesondere die Querdruckempfindlichkeit der Materialien, angepasst wird. Dies eröffnet Potenzial für schnellere und wirtschaftlichere Arbeitsabläufe bei allen Beteiligten. In ersten Vergleichsserien mit in Hülsen eingeklebten gleichartigen Fasersträngen konnten keine signifikanten Unterschiede, zum Beispiel durch die Klemmtechnik verursachte geringere Zugfestigkeiten beobachtet werden. Weiter untersucht werden muss, inwieweit bei besonders hohen Ausnutzungsgraden der Filamentfestigkeit die Knotenpunkte der Bewehrungsgitter schädliche Spannungskonzentrationen eintragen. Mittlere Zugfestigkeiten von Carbonbewehrung im Bereich 2 500 MPa bis circa 3 000 MPa konnten bisher ohne Entfernung der Querstränge ermittelt werden. Bei hoch ausgenutzten Materialien mit Strang-Zugfestigkeiten bis über 4000 MPa wurden nach Entfernen der Querstränge höhere Festigkeiten erreicht. Es ist zu empfehlen, dies für verschiedene Bewehrungstypen vorab zu klären. Bei bisher untersuchten Bewehrungen ließen sich die Querrovings einfach und ohne Beschädigung der Längsfasern entfernen. Weiteres Verbesserungspotenzial besteht in der Optimierung der Ausgleichsschicht, deren Härte nahezu beliebig gestaltet werden kann.
Aufgrund der hohen Schubsteifigkeit der Epoxidharze und der meist guten Faser-Matrix-Haftung werden bei FVK-Bewehrungen mit Epoxidharzen (wahrscheinlich auch mit anderen duromeren Harzsystemen) die Kernfilamente im Faserstrang sehr gut aktiviert. Daher sind bei den eigenen Untersuchungen bisher keine Festigkeitsunterschiede zwischen geklemmten Fasersträngen mit hohem Querdruck und eingeklebten Fasersträngen ohne Querdruck ermittelt worden. Der Verdacht, dass durch die direkte Klemmung mehr Filamente am Lastabtrag beteiligt werden als ohne Querdruck im Bauteil aktiviert werden können, hat sich daher nicht bestätigt. Ob dies auch für weiche, weniger schubsteife Tränkungsmassen wie zum Beispiel SBR gilt, muss noch untersucht werden.
FTA
Die Forschungsgesellschaft für Textiltechnik Albstadt mbH (FTA) ist ein industrielles Forschungsinstitut zum grundlegenden Wissensaufbau mit dem Ziel des Aufbaus neuer, zukunftsträchtiger Geschäftsfelder im textilen Umfeld, insbesondere im Bereich der technischen Textilien. Für ihren Partner solidian GmbH, wie die FTA ein Unternehmen der Groz-Beckert Gruppe, entwickelt die FTA Materialkonzepte an der Schnittstelle von Verstärkungsfaser, Tränkungsmasse und Beton. Die Kombination von Know-how aus den Bereichen Bauwerkstoffe, Fasern, Polymere und Chemie ermöglicht einen ganzheitlichen Ansatz zur Entwicklung der Bewehrungen von morgen.
Literatur
[1] ISO 3341:2000–05, Textilglas – Garne – Bestimmung der Reißkraft und Bruchdehnung
Dr.-Ing. M. Hinzen, Forschungsgesellschaft für Textiltechnik Albstadt mbH, Parkweg 2, 72458 Albstadt, marcus.hinzen@fta-textile.com