Richtfest für weltweit erstes Carbonbetongebäude
Von einer „Meisterleistung“ spricht Bauherr Manfred Curbach anlässlich des Richtfests, das gestern in Dresden gefeiert werden konnte.
Auf der ungewöhnlichen Baustelle an der Ecke Zellescher Weg und Einsteinstraße in Dresden wurde am 3. Februar 2022 ein besonderes Richtfest gefeiert. Denn traditionell wird zum Abschluss der Rohbauarbeiten der Richtkranz am Holzgebälk montiert. Der Cube-Rohbau, den es unweit der TU Dresden gestern zu feiern gab, besteht allerdings ausschließlich aus Betonbauteilen und konstruktiven Stahlelementen, sodass eine Richtkrone symbolisch an den Kranhaken gehängt und in Bauwerkshöhe positioniert wurde. Als Zeichen der abgeschlossenen Rohbautätigkeit trieb der Bauherr, Professor Manfred Curbach, dann wenigstens einen Nagel ins Zimmermannsgebälk – einen speziellen Holzbalken, der am Gebäudefuß von den Arbeitern aufgestellt wurde.
Bauliche Meisterleistung
Anschließend bedankte er sich bei den beteiligten Bauarbeitern für ihr Engagement und ihre Bereitwilligkeit, mit einem völlig neuen Material – dem Carbonbeton – zu arbeiten. „Das Ergebnis spricht für sich. Die Mitarbeitenden von Hentschke Bau und Bendl HTS haben eine bauliche Meisterleistung erbracht“, so der Bauherr. Sie hatten nach seinen Worten die Herausforderung angenommen, mit noch ungeregelten, neuentwickelten Bauprodukten eine ästhetisch anspruchsvolle Fertigteil- und Ortbetonstruktur mit wenig erprobten, anspruchsvollen Bautechniken zu erstellen. „Durch ihr großes Fachwissen, handwerkliches Geschick und ausgesprochener Innovationskraft haben sie der Carbonbetonbauweise Leben eingehaucht“, lobte Curbach.
Auch Marén Kupke, die für die Generalplanung zuständige Architektin von AIB – Architekten Ingenieure Bautzen, drückte ihre Zufriedenheit aus: „Ich freue mich sehr, das von uns entwickelte, völlig neuartige Carbonbeton-Gebäude in so hoher Qualität umgesetzt zu sehen“.
Nichtmetallische Bewehrung erlaubt eine Box mit Twists
Beim Cube handelt es sich um das weltweit erste Gebäude, bei dem ausschließlich nichtmetallische Bewehrung, vor allem aus Carbon, eingesetzt wurde. „Carbonbeton ist nicht nur der neue ‚Beton ohne Nebenwirkungen‘, sondern Carbonbeton ermöglicht auch neue, freiere Formen und kann dem Bauen einen neuen Schwung geben“, sagte Stararchitekt Gunter Henn mit Blick auf die ursprüngliche Projektidee eines rein quaderförmigen Raums. Diese quaderförmige Box wurde schließlich um zwei Twist-Schalen ergänzt, die gleichzeitig als Wand- und Dachkonstruktion dienen.
Das außergewöhnliche Zusammenspiel dieser zwei Elemente erhöht die Wirtschaftlichkeit, da die Wände der Box in einem Fertigteilwerk hergestellt wurden. Zugleich verdeutlichen die Twist-Schalen, dass Carbonbeton fast grenzenlos in jede beliebige Form gebracht werden kann.
Räumlich gekrümmte Schalung millimetergenau hergestellt
Für den Polier, Heiko Panzner von Hentschke Bau war es „eine spannende Reise und eine Herausforderung zugleich“. Schon bei der millimetergenauen Herstellung der räumlich gekrümmten Schalung für den „Twist“ habe das Know-how ständig erweitert werden müssen. Einbau und Verarbeitung des Spritzbetons habe dann bei jedem Arbeitsschritt neue Ideen und schweißtreibende Techniken abverlangt, die jedoch gemeistert worden seien. „Nun sind wir sehr froh über das erzielte Gesamtergebnis und stolz auf unseren handwerklichen Anteil daran“.
Was als eine von der Machbarkeit und anderen Zwängen losgelöste Idee entstanden ist, mündet nun bald in ein vollendetes Bauwerk. Für den anspruchsvollen und sehr komplexen Twist-Bau war Hentschke Bau zuständig: „Mit dem Cube haben wir den Grundstein für eine zukünftige Bauweise gelegt. Dabei sind wir mit dem Material Carbonbeton an die Grenzen des Machbaren gegangen“, so Jens Kretzschmar, der zuständige Projektleiter. „Das Gebäude stellt einen Meilenstein in der Baugeschichte dar und ist ein wunderbares Beispiel dafür, dass mit Carbonbeton viele neue anspruchsvolle Projekte möglich werden.“
Wirtschaftliches und massentaugliches Baukonzept
Für die Errichtung der quadratischen Box war dagegen das Unternehmen Bendl HTS verantwortlich: „Mit dem Bau der Box beweisen wir, dass eine wirtschaftliche und massentaugliche Bauweise mit dem innovativen Material Carbonbeton jetzt schon möglich ist“, betont Ludwig Pickert. „Und mit den automatisierten Herstellverfahren können wir den Weg in die breite Anwendung ebnen.“
Beim Richtfest wurde den am Bau beteiligten Bauarbeitern herzlich gedankt. Eingeladen waren aufgrund der aktuellen Pandemielage lediglich Vertreter der Arbeitsgemeinschaft bestehend aus der Hentschke Bau GmbH und der Bendl Hoch- und Tiefbau GmbH & Co. KG Sebnitz, Vertreter des Verbandes C³ – Carbon Concrete Composite und des Cube-Planer-Teams der TU Dresden.
Einweihung im Herbst 2022
Im nächsten Schritt erfolgen weitere Arbeiten, zu denen der Einbau der Fensterfronten, der Innenausbau und die Hausanlagentechnik gehören. Diese Tätigkeiten, die Gestaltung des Außenbereiches und das Ausstatten des Gebäudes mit Mobiliar sollen bis zum Sommer andauern. Die Einweihung des Gebäudes ist für September 2022 geplant.
Das Bauprojekt Cube bündelt die Forschungsergebnisse aus dem Bauforschungsprojekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung C³ – Carbon Concrete Composite und verfolgt das Ziel, praxistaugliche Bauteile zu konstruieren und herzustellen.
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