Stahlfaserbewehrte Bodenplatten sparen Zeit
Das Projekt Nonnenmühlgasse in Leipzig umfasst ein mehrgeschossiges Gebäude mit einer Tiefgarage auf 1 800 Quadratmetern. Um einen fugenlosen Baukörper zu erhalten, wurde mit einer Bodenplatten aus einer Kombination von konventioneller Bewehrung und Stahlfaserbeton geplant.
Im Zuge der städtischen Erschließung wurde in unmittelbarer Nähe des neuen Leipziger Rathauses das Projekt Nonnenmühlgasse begonnen. Auf den zur Verfügung stehenden Brachflächen, zentral gelegen am Martin-Luther-Ring, wurde auf einer Grundfläche von circa 1 000 Quadratmetern ein sechsgeschossiges, vollunterkellertes Gebäude mit Mischnutzung geplant. Dieses befindet sich derzeit in der Ausführung. Zusätzlich wurde der circa 1 800 Quadratmeter große Innenhofbereich vollständig unterkellert und dient als Tiefgarage. Die zukünftige Nutzung des mehrgeschossigen Gebäudes umfasst neben einer Kindergrippe und einem Kindergarten zahlreiche Büroräume sowie mehrere barrierefreie Wohnungen in den oberen Stockwerken.
Dehnfugen vermeiden
Die Architektonische- sowie Tragwerksplanung des Baufeldes übernahm die D&P Planungsgesellschaft mbH aus Leipzig. Die Prüfung der Standsicherheit erfolgte durch das Ingenieurbüro Brandtner, ebenfalls aus Leipzig. Aufgrund der ausgedehnten Gebäudegeometrie und der damit einhergehenden Rissbreitenproblematik wurde im Zuge der Tragwerksplanung die Ausführung der Bodenplatten in Kombination aus konventioneller Bewehrung und Stahlfaserbeton im Bereich der Kellerräume sowie der Tiefgarage angeregt. Ziel war es klassische Dehnfugen in der Bodenplatte zu vermeiden, um einen fugenlosen Baukörper zu erhalten. Die Bemessung der Bodenplatte erfolgte im Anschluss an die Wirtschaftlichkeitsprüfung in enger Abstimmung zwischen der D&P Planungsgesellschaft, dem Ingenieurbüro Brandtner, sowie der Firma Bekaert GmbH.
Als Grundlage der Bemessung der Stahlfaserbeton-Kombinationsbewehrung diente die bauaufsichtlich eingeführte DAfStb-Richtlinie Stahlfaserbeton, Auflage November 2012. Sie regelt als Ergänzung und Änderung zur DIN EN 1992–1–1 in Verbindung mit DIN EN 1992–1–1/NA, DIN EN 206–1 in Verbindung mit DIN 1045–2 und DIN EN 13670 in Verbindung mit DIN 1045–3 in drei Teilen die Bemessung und Konstruktion von Tragwerken des Hoch- und Ingenieurbaus aus Stahlfaserbeton sowie Stahlfaserbeton mit Betonstahlbewehrung. In ihr werden ebenfalls die Eigenschaften, Herstellung und Konformität von Stahlfaserbeton sowie die Ausführung des Stahlfaserbetons beschrieben.
Höherer Widerstand durch Stahlfaser
Aufgrund der Abmessungen des verschwenkten Baukörpers von bis zu 70 Metern Kantenlänge wirkte sich der Einsatz des Stahlfaserbetons vor allem im Zuge der Rissbreitenbeschränkung positiv aus. Die homogene Verteilung der Stahlfasern in der Betonmatrix hat zu Folge, dass der Querschnitt nicht nur lokal, sondern über den kompletten Querschnitt, bis hin zu den Randzonen, bewehrt wird. Dies führt dazu, dass auftretende Risse, ausgelöst zum Beispiel durch Zwang, auch in klassisch unbewehrten Bereichen durch den Stahlfaserbeton vorteilhaft beeinflusst werden. So zeigt sich beim Einsatz von Stahlfaserbeton durch den Querschnitt ein deutlich feineres, stark verästeltes Rissbild. Dadurch wird, durch die Diskontinuität des Risses, ein deutlich höherer Widerstand gegen eindringende Feuchtigkeit und Wasser geboten. Als weiterer Vorteil kann die Wirkung des Stahlfaserbetons klassisch bei der Bestimmung des Biegetragwiderstands in Anrechnung gebracht werden. Hier dient der Stahlfaserbeton als Ergänzung oder gar als Ersatz der konventionellen Biegebewehrung. Die dreidimensionale, homogene Verteilung der Stahlfasern innerhalb der Betonmatrix führt zudem dazu, dass die Wirkung des Stahlfaserbetons zusätzlich zur Biegetragwirkung gleichzeitig für die Nachweisführung von Schub und Durchstanzen angesetzt werden kann. Zudem wird die Tragfähigkeit gemäß Eurocode 2 als additiver Traganteil ähnlich einer Schub- oder Durchstanzbewehrung erhöht. Neben den Materialeinsparungen in Form von Längs-, Schub- und Durchstanzbewehrung konnte der Bauablauf stark vereinfacht werden. Dies führte auch zu einer zusätzlichen Zeiteinsparung.
Stahlfaserbeton definieren und prüfen
Um dem Tragwerksplaner schon bei der Aufstellung der Statik Planungssicherheit zu bieten, wird gemäß der aktuellen DAfStb-Richtlinie Stahlfaserbeton der Stahlfaserbeton über Eigenschaften in Form von sogenannten Leistungsklassen (diese klassifizieren die Nachrissbiegezugfestigkeit) definiert. Hierzu werden gemäß Vorgabe der DAfStb-Richtlinie Stahlfaserbeton mit dem beliefernden Betonwerk Einstufungsprüfungen zur Ermittlung der Leistungsfähigkeit des Stahlfaserbetons durchgeführt. Dies erfolgt durch mindestens sechs Probekörper in Form von Biegebalken mit dem jeweils für das Bauvorhaben vorgesehenen Beton und des später zu verwendenden Fasertyps. Die Prüfung erfolgt zu einem Prüfalter der Probekörper von 28 Tagen. Die Prüfergebnisse können anschließend auch für folgende Projekte verwendet werden. Für den Großteil der Betonwerke in Deutschland liegen bereits heute gültige Einstufungsprüfungen vor.
Danksagung
An dieser Stelle geht unser Dank an die am Bau beteiligten Unternehmen ReProBau GmbH, D&P Planungsgesellschaft mbH, sowie dem Ingenieurbüro Brandtner für die ausgezeichnete Zusammenarbeit.
www.bekaert.com
Neben dem neuen Leipziger Rathaus entsteht ein sechsgeschossiges Gebäude.
Die Tiefgarage wird mit Stahlfaserbeton ausgeführt.
Andreas Haus M. Sc.Technischer Leiter Bauprodukte Bekaert GmbH andreas.haus@bekaert.com