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Stahlbau 01.06.2019, 00:00 Uhr

Stahllösungen im Brückenbau

Moderne Brückenbauprojekte stehen vor Herausforderungen. Die Öffentlichkeit, Politik und Baubehörden fordern Bauwerke, die in der Planung und Ausführung, in der Nutzungsphase sowie beim Rückbau kostengünstig sind. Eine Möglichkeit kommt hier aus dem Stahlbau.

Die Brücke Ellerholzrampe in Hamburg wurde mit wirtschaftlichen Spundwänden als Widerlager gebaut. Abb.: ArcelorMittal Spundwand

Die Brücke Ellerholzrampe in Hamburg wurde mit wirtschaftlichen Spundwänden als Widerlager gebaut. Abb.: ArcelorMittal Spundwand

Circa 80 Prozent der Brücken im europäischen Straßennetz haben eine kleine oder mittlere Spannweite von weniger als 50 Metern. Verbundbrücken können bei kürzeren Spannweiten wirtschaftlich Lösungen bieten. Dies zeigen ausgeführte Beispiele in den vergangenen Jahren.

Wahl der Brücke

Bei 2-feldrigen Straßenbrücken mittlerer Spannweite mit konventionellen Widerlagern werden für die Herstellung der Widerlager ohne Bedarf an Verbauten circa 40 Prozent der gesamten Herstellungskosten der Brücke aufgewendet, mit Bedarf an Verbauten hingegen circa 55 Prozent [1]. Hier können Widerlager mit Spundwänden eine wirtschaftliche Alternative sein. Denn die Spundwand kann beide Funktionen übernehmen und sowohl als Verbauwand als auch als bleibender, lastabtragender Bauwerksbestandteil dienen [2]. Spundwände sind immer dort besonders wirtschaftlich, wo zur Erstellung des eigentlichen Bauwerks ein zusätzlicher Baugrubenverbau benötigt wird. Dies ist der Fall, wenn ein Geländesprung während der Bauphase abzufangen ist, beim Bauen unterhalb des Grundwasserspiegels oder wenn die Widerlagerbaugrube gegen Hochwasser zu sichern ist.

Des Weiteren kann die Ausführung von Spundwandwiderlagern die Gesamtbauzeit um mindestens zehn Prozent reduzieren [3]. Auch der Entwurf einer Brücke mit Überbauten aus Verbundquerschnitten mit Walzprofilen aus hochfestem HISTAR-Stahl bietet Vorteile. Um die Baustelleneinrichtung und -arbeitsschritte zu minimieren, können diese Verbundquerschnitte im Werk mit einer dünnen Betonplatte vorgefertigt werden. Dadurch werden sie als im Bau- und Endzustand tragendes Element angeliefert. Während kurzer, nächtlicher Sperrpausen der zu überquerenden Trasse werden die Verbundträger eingehoben und auf den Lagern gesichert. Somit kann der zu querende Verkehr morgens zur Hauptverkehrszeit wieder freigegeben werden und Verkehrsbehinderungen werden im Baubereich minimiert. Nachfolgende Arbeiten oberhalb der Fahrbahn können daraufhin erfolgen.

Verkehrsbehinderungen bei dem Bau einer Autobahnüberführung in Luxemburg konnten durch Verwendung von Spundwänden und Walzprofilen gering gehalten werden. Abb.: ArcelorMittal Photo Library

Verkehrsbehinderungen bei dem Bau einer Autobahnüberführung in Luxemburg konnten durch Verwendung von Spundwänden und Walzprofilen gering gehalten werden. Abb.: ArcelorMittal Photo Library

Kosten der Verkehrsbehinderungen

Nicht nur die direkten Bauwerkskosten, sondern auch die volkswirtschaftlichen Kosten infolge von Verspätungen, erhöhten Treibstoffverbräuchen sowie Luftverschmutzungen durch Staus während des Lebenszyklus von Brücken, müssen heute in Betracht gezogen werden. Verkehrsstörungen haben eine immense wirtschaftliche Bedeutung. Nach im Jahr 2016 veröffentlichten Daten kann überschlägig ein durchschnittlicher Monetarisierungsansatz von 20 Euro pro Stunde für einen im Stau stehenden europäischen Pkw-Fahrer angesetzt werden [4]. Die Wahl eines Brückenentwurfs mit reduzierter Bauzeit und mit geringem Wartungsaufwand wird somit zum vorrangigem Ziel bei einer globalen Bewertung unter Berücksichtigung der Kosten externer Effekte. Insbesondere da Baustellen die Hauptursache für Verkehrsbehinderungen sind und deren Häufigkeit aufgrund der ansteigenden Investitionen in die europäische Infrastruktur in den kommenden Jahren zunehmen wird.

Die Studie zu Spundwandwiderlagern

In einer Studie des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) wurden Leistungsfähigkeit und Kosten einer auf Spundwandwiderlagern gegründeten Brücke (Entwurf 1) mit einer auf Stahlbeton-Widerlagern gegründeten Brücke (Entwurf 2) verglichen und bewertet. Der Vergleich betrachtet einen 2-feldrigen Überbau mit Spannweiten von jeweils 22,50 Metern und einer Überbaubreite von 11,50 Metern und ist repräsentativ für die Überführung einer Landstraße über eine 3-spurige Autobahn mit 70 000 Fahrzeugen pro Tag (DTV):

Entwurf 1 (Spundwandwiderlager): Spundwandlängen

  • 16 Meter für die Widerlagerwand;
  • 13 Meter für die Flügelwände.

Entwurf 2 (Stb.-Widerlager): Stahlbeton-Widerlager mit Pfahlgründung

  • vier Pfähle pro Kammerwand und vier Pfähle pro Flügelwand;
  • Pfahllängen von jeweils zehn Metern bei einem Pfahldurchmesser von 90 Zentimetern.

Der Entwurf einer Verbundbrücke mit Spundwandwiderlagern im Vergleich zu einer Brücke mit Stahlbetonwiderlagern ergibt:

  • sieben Prozent Einsparungen bei den Baukosten;
  • 3,5 Prozent Kostenvorteil bei Betrachtung der Lebenszykluskosten (LZK) über 100 Jahre (unter Ansatz eines realen Diskontierungszinssatzes von zwei Prozent
  • bis zu 15 Prozent Verringerung der volkswirtschaftlichen Kosten über den Lebenszyklus.

Brückentechnologien der Zukunft

Stahlverbundbrücken mit Spundwandwiderlagern sind robuste Bauwerke und bedürfen geringer Wartung und Instandhaltung durch Verwendung von zeitgemäßen Korrosionsschutzarten, die ohne Erneuerung über den gesamten Lebenszyklus von 100 Jahren auskommen. Am Ende der Lebenszeit können die Stahlkomponenten einfach zurückgewonnen und recycelt werden. Es verbleiben keine Rückstände im Boden. Dies ist ein Beitrag zur Kreislaufwirtschaft und schont Ressourcen.

www.arcelormittal.com

Literatur

[1] Schmitt V.; Seidl G.; Vogel C.: Untersuchungen zum verstärkten Einsatz von Stahlverbundkonstruktionen bei Brücken kleiner und mittlerer Stützweiten. In: P629 Forschungsvereinigung Stahlanwendungen e. V., Abschlussbericht, 2006.

[2] Witt, K. J. (Hrsg.): Grundbau-Taschenbuch. 8. Auflage, Ernst & Sohn, Berlin, 2018.

[3] Zinke T.: Neue Brücken braucht das Land. Frankfurter Allgemeine Zeitung Verlagsspezial / Zukunft Stahl / 30. November 2017.

[4] Zinke T.: Nachhaltigkeit von Infrastrukturbauwerken – Ganzheitliche Bewertung von Autobahnbrücken unter besonderer Berücksichtigung externer Effekte. Karlsruhe, Karlsruher Institut für Technologie, Dissertation, 2016, http://www.ksp.kit.edu/download/1000053695 [Zugriff am: 12.04.2019].

[5] Friedrich, H.: Aktuelle Herausforderungen und zukünftige Entwicklungen im Brückenbau im Bundesfernstraßennetz. In: Stahlbau 87 (2018), Heft 6, S. 532-537.

[6] RI-WI-BRÜ – Richtlinie zur Durchführung von Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen im Rahmen von Instandsetzungs-/Erneuerungsmaßnahmen bei Straßenbrücken, BMVBS, 2007.

Stahl baut Brücken

Die Vorteile der Brückenlösungen aus Stahl sind in 3D-Virtual Reality erlebbar. www.youtube.com/watch?v=xIrU1OyJbMM

Die Brücke Ellerholzrampe in Hamburg wurde mit wirtschaftlichen Spundwänden als Widerlager gebaut. Abb.: ArcelorMittal Spundwand