Bündnis bezahlbarer Wohnraum stellt Maßnahmenpaket vor
In der „Bau-, Investitions- und Innovationsoffensive“ stecken 187 Maßnahmen, darunter die Beschleunigung von innovativem Planen und Bauen sowie die Ausweitung von seriellem und modularem Bauen.
„Nur sechs Monate nach Gründung des Bündnisses bezahlbarer Wohnraum haben sich 35 Akteure mit zum Teil sehr unterschiedlichen Interessen auf eine gemeinsame Erklärung geeinigt“, so Bundesbauministerin Klara Geywitz. Das Dokument mit „Maßnahmen für eine Bau-, Investitions- und Innovationsoffensive“ enthält 187 konkret zurechenbare und mit einem Datum versehene Maßnahmen, die von allen Beteiligten (siehe Kasten unten) umgesetzt und bearbeitet werden müssen.
Die Beschlüsse im Überblick
Die Maßnahmen sind in dem heute veröffentlichten Dokument in fünf Themenfelder gruppiert:
- Themenfeld 1: Klimagerechter und ressourcenschonender Wohnungsbau
- Themenfeld 2: Begrenzung von Baukosten
- Themenfeld 3: Nachhaltige Bodenpolitik und Baulandmobilisierung
- Themenfeld 4: Beschleunigung von Planung, Genehmigung und Realisierung
- Themenfeld 5: Öffentliche Förderung und investive Impulse
„Digitale Rathaustür“ soll Planen und Bauen beschleunigen
Besonders interessant für Planungsbüros dürfte das vierte Themenfeld „Beschleunigung von Planung, Genehmigung und Realisierung“ sein. Es gliedert sich in fünf Unterthemen:
- Beschleunigung von Planungen
- Beschleunigung von Genehmigungen
- Beschleunigung durch Digitalisierung
- Beschleunigte Realisierung durch Aus- und Fortbildung, Qualifizierung sowie Gewinnung von neuen Fachkräften sowie gute Arbeitsbedingungen
- Beschleunigte Realisierung durch ein vereinfachtes Vergaberecht
Die Beschleunigung von Planung, Genehmigung und Realisierung soll unter anderem dadurch realisiert werden, dass Prozesse digitaler ausgestaltet werden. Ziel sei eine „digitale Rathaustür“. Digital erstellte Planungs- und Projektanträge müssen von überall aus bei den zuständigen Stellen eingereicht werden können, so die Forderung. Es werde daher bundesweit möglich sein, einen digitalen Bauantrag zu stellen.
Innovationsklauseln in den Landesbauordnungen
Gleichzeitig sollen Innovationsklauseln in den Landesbauordnungen und Regeln erarbeitet werden, zum Beispiel für eine Genehmigungsfreiheit von Dachgeschossausbauten in allen Ländern. Damit werde der gesamte Genehmigungsprozess massiv beschleunigt.
Auch eine Standardisierung von digitalen Anwendungen beim Building Information Modeling (BIM) sei aus Sicht der Bündnis-Mitglieder zwingend erforderlich. Bauprozesse sollen unter anderem durch eine zeitlich befristete Erhöhung der vergaberechtlichen Wertgrenzen für Wohnzwecke, freihändige Vergaben und beschränkte Ausschreibungen ohne Teilnahmewettbewerb beschleunigt werden.
Daneben soll eine beschleunigte Realisierung auch durch „Aus- und Fortbildung, Qualifizierung sowie Gewinnung von neuen Fachkräften sowie gute Arbeitsbedingungen“ erreicht werden.
Serielles und modulares Bauen ausweiten
Damit serielles und modulares Bauen in größerem Umfang angewendet wird, sollen bereits einmal erteilte Typengenehmigungen bundesweit gelten. Dafür sollen entsprechende Regelungen in den Landesbauordnungen verankert werden. Diese Technologien werden mit Hilfe einer Geschäftsstelle im neuen Bundesbauministerium und eines runden Tisches „Serielles Bauen“, Best-Practice-Beispielen sowie einer umfassenden Begleitforschung vorangetrieben.
Baukosten begrenzen
Das serielle und modulare Bauen taucht als Unterthema III zum Themenfeld 2 „Begrenzung der Baukosten auf“. Hier die komplette Liste der Unterthemen dieses Themenfelds:
- Überprüfung von Normen und Standards
- Bauordnungen und planungsrechtliche Vorgaben
- Serielles und modulares Bauen
- Alternative Baustoffe und Baustoffrecycling
Bauland mobilisieren
Insgesamt nennt das Themenfeld 3 „Nachhaltige Bodenpolitik und Baulandmobilisierung“ die folgenden vier Unterthemen:
- Liegenschaftsmanagement der öffentlichen Hand
- Baulandmobilisierung und -entwicklung
- Verbesserung des Verhältnisses von Umwelt- und Bauplanungsrecht; bauplanungsrechtliche Instrumente
- Bodenpolitische Instrumente“
Damit Kommunen strategisch Bauland bevorraten können, sollen kommunale und regionale Bodenfonds errichtet werden. Kommunale digitale Potenzial- und Brachflächenkataster sollen zeigen, wo das notwendige Bauland vorhanden ist. Kommunen planen, bei Bedarf Wohnungsbaukoordinatorinnen und -koordinatoren als zentrale Ansprechpartnerinnen und -partner vor Ort zu etablieren, um Prozesse zu bündeln und Investitionen voranzutreiben. Die Einrichtung einer Geschäftsstelle zur Folgekostenabschätzung in Normungsprozessen soll unter anderem dafür sorgen, dass Baukosten begrenzt werden.
Gebäude ressourcenschonender errichten:
Im Themenfeld 1 „Klimagerechter und ressourcenschonender Wohnungsbau“ gibt es folgende vier Unterthemen:
- Weiterentwicklung der ordnungsrechtlichen Anforderungen für den Neubau
- Weiterentwicklung Neubauförderung
- Verstärkung von ressourcenschonendem, ökologischem und kreislauffähigem Neubau
- Umweltgerechtes Wohnumfeld und Reduzierung der Flächeninanspruchnahme durch Bestandsaktivierung
Die Reduktion von Treibhausgasemissionen beim Bauen und Wohnen müsse stärker in den Fokus rücken. „Dabei werden wir nicht mehr nur auf die Betriebsphase schauen“, hieß es. Über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes sollen weniger Treibhausgase emittiert sowie weniger Ressourcen, Flächen und Energie verbraucht werden.
Damit dies gelingt, werden beim Neubau die Anforderungen im Ordnungsrecht (GEG) weiterentwickelt. Der Bund wird Anfang 2023 das Förderprogramm „Klimafreundliches Bauen“ auf den Weg bringen, dass sich stärker am Lebenszyklus von Gebäuden ausrichtet. Der digitale Gebäuderessourcenpass für Neubauten helfe, die Wiederverwendung der Bauprodukte und das Recycling von Baustoffen planen zu können.
Finanzierung durch Bund und Länder
Im Themenfeld 5: „Öffentliche Förderung und investive Impulse“ geht es um die Finanzierung. Es weist acht Unterpunkte auf:
- Soziale Wohnraumförderung
- Förderung von bezahlbarem Wohnraum für Studierende und Auszubildende
- Förderung von bezahlbarem und barrierefreiem Wohnraum
- Förderung des Erhalts von und des Zugangs zu bezahlbarem Wohnraum für wohnungslose Menschen
- Förderung der Bildung von Wohneigentum
- Steuerliche Anreize für Investitionen in bezahlbaren Wohnraum
- Öffentliche Förderung von Genossenschaften und kommunalen Wohnungsunternehmen, Umsetzung einer Neuen Wohngemeinnützigkeit sowie Unterstützung durch zivilgesellschaftliche Organisationen für Projekte für das bezahlbare Wohnen
- Städtebauförderung
Bis 2026 stehen für den sozialen Wohnungsbau 14,5 Milliarden Euro an Bundesmitteln bereit. Damit unterstütze der Bund die Länder massiv. Die bedarfsgerechte Kofinanzierung und der vollständige Mittelabruf durch die Länder wurden unter dem Dach des Bündnisses verankert. Der Bund werde Anfang 2023 die Neubauförderung neu ausrichten und ein Wohneigentumsprogramm auflegen sowie ab dem 1. Juli 2023 die lineare AfA für die Abschreibung von Wohngebäuden von 2 auf 3 Prozent erhöhen.
Die Bundesregierung hat sich zudem zum Ziel gesetzt, eine neue Wohngemeinnützigkeit, verbunden mit einer steuerlichen Förderung und Investitionszulagen, anzugehen. Auch die Bündnis-Mitglieder werden zahlreiche Eigenbeiträge leisten. Zudem ist gemeinsam vereinbart, dass das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) die Mittel für die Städtebauförderung dauerhaft absichert, damit das Wohnumfeld zukunftsfest weiterentwickelt werden kann.
400.000 Wohnungen im Jahr bleiben weiterhin ein Ziel
Mit den Beschlüssen übernehme die Politik, die Bau- und die Immobilienbranche, die Verbände im Bereich Mieter-, Verbraucher- und Klimaschutz und weitere Akteure, die Verantwortung für das gemeinsame Ziel zügig bezahlbaren und klimaschonenden Wohnraum schaffen, sagte Bundesbauministerin Geywitz weiter. „400.000 Wohnungen im Jahr zu bauen, davon 100.000 Sozialwohnungen, ist bei steigendem Bedarf notwendiger denn je. Umso wichtiger ist es, Prozesse durch Digitalisierung, Typengenehmigung und serielles Bauen effektiver und schneller zu machen und durch eine verlässliche Förderung Planungssicherheit zu geben.“
Die Schaffung der gesetzlichen und vor allem finanziellen Voraussetzungen mahnte Dr.-Ing. Heinrich Bökamp, Präsident der Bundesingenieurkammer, bei der Übergabe der Bündnisergebnisse an Bundeskanzler Olaf Scholz an. „Die Bundesregierung muss zudem die vorhandenen Spielräume sinnvoll nutzen und darf bestimmte Möglichkeiten – etwa im Vergaberecht – die geeignet sind, überbordende Bürokratie zu verhindern, nicht leichtfertig opfern. Nur wenn alle Rahmenbedingungen passen und ideal zusammenwirken, können die hohen Zielvorgaben erreicht werden,“ so Bökamp weiter. Die Bundesingenieurkammer nahm auch an der Ausarbeitung des übergebenen Dokuments teil (siehe Kasten).
Struktur und Arbeitsprozess im „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“
Das „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ ist am 27. April dieses Jahres mit der Verabschiedung einer gemeinsamen Erklärung konstituiert worden. Das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) koordiniert federführend für die Bundesregierung die Arbeit im „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“. Neben dem BMWSB sind 35 Mitglieder im Bündnis vertreten. Zudem arbeiten sechs ständige beratende Gäste und sechs beratende Mitglieder des Deutschen Bundestags im Bündnis mit. Außerdem bindet das BMWSB die weiteren innerhalb der Bundesregierung fachlich betroffenen Ressorts wie auch die Mitglieder der Bauministerkonferenz der Länder (BMK) eng ein und sichert den Informationstransfer.
Weiteres Vorgehen
Der am heute veröffentlichte Bericht „Maßnahmen für eine Bau-, Investitions- und Innovationsoffensive“ soll den Auftakt für einen weiteren gemeinsamen Umsetzungs- und Monitoring-Prozess bilden, an dem sich alle Bündnis-Mitglieder beteiligen werden und bis zum 31. Dezember 2025 fortgeführt wird. Jährlich soll auf einem „Bündnis-Tag bezahlbarer Wohnraum“ über die Umsetzung des erarbeiteten Maßnahmenpakets öffentlich Bilanz gezogen werden.