Manfred Curbach – mehr als „nur“ ein ausgezeichneter Forscher
Ein bedeutender Tragwerksplaner, Regelsetzer, Gutachter und Hochschullehrer kann Ende September den 65. Geburtstag feiern. Höchste Zeit, ihn mit einer Mehrfach-Krönung zu würdigen.
Als Eleonore Magdalene Therese von Pfalz-Neuburg, frömmelnde Kaiserin des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation, im Jahre 1720 auf den Tag genau am 30. Jahrestag ihrer Krönung verschied, wurde diese Dopplung der Ereignisse so gedeutet, dass zur weltlichen nun auch die himmlische Krone gekommen sei und es entstand die Legende von der doppelt gekrönten Kaiserin. Eine solche Zweifach-Krönung verblasst allerdings neben der multiplen Krönung, die das Schaffen von Manfred Curbach, Direktor des Instituts für Massivbau der TU Dresden, bisher schon erfahren hat.
Beeindruckende Breite fachlicher Interessen
Wollte man seine Leistungen als Tragwerksplaner, Regelsetzer, Gutachter, Hochschullehrer angemessen würdigen, bedürfte es wohl eines Sonderheftes des Bauingenieur. Beeindruckend dabei die Breite seines fachlichen Interesses, das von der geschichtlichen Entwicklung des Bauens im Altertum bis zu verwegensten Zukunftsvisionen reicht. Gleichermaßen unvergessen sind seine Vorträge mit Spekulationen zu den auf den Euro-Scheinen dargestellten fiktiv-historischen Brückentragwerken wie seine Überlegungen zum Bauen auf dem Mond und in der Tiefsee.
Alles überragend sind aber seine Leistungen bei der Konzeptionierung, Beantragung und Durchführung großer Verbundforschungsprojekte. So, als ob alles vom Ende her gedacht sei, baut ein Vorhaben auf das nächste auf und übertrifft meist noch das vorherige nach Volumen und Relevanz. Die von ihm jeweils federführend bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft eingeworbenen Großprojekte, der Sonderforschungsbereich Textilbeton, das Schwerpunktprogramm Leicht Bauen mit Beton und der Transregio Materialminimierte Carbonstrukturen, würden jeweils für sich genommen ausreichen, um als exzellenter Wissenschaftler die Forschungslandschaft zu überstrahlen. Nur einem verschwindend kleinen Teil der Hochschullehrer gelingt ein solcher Erfolg überhaupt einmal in ihrer Laufbahn.
Bei Curbach tritt aber neben einer unübersehbaren Zahl anderer eingeworbener Projekte noch das mit 50 Millionen Euro vom Bundesforschungsministerium BMBF geförderte Vorhaben Carbonbeton C³ hinzu. Der ihm 2016 verliehene, äußerst renommierte und hochdotierte Deutsche Zukunftspreis für Technik und Innovation des Bundespräsidenten mit zugehöriger Dauerpräsentation im Deutschen Museum in München war ein weiterer hochverdienter Höhepunkt seiner Karriere. Gewürdigt wurden damit seine unermüdlichen Anstrengungen, mit kreativen Ideen, Tatkraft und Weitsicht unser Gemeinwesen insgesamt spürbar und nachhaltig voranzubringen.
Die Vision des Lausitz Art of Building
Wer glaubte, dass jetzt alles Erreichbare erreicht worden sei, sah sich neuerlich getäuscht. In der sächsischen Lausitz sollen nämlich in den nächsten Jahren zwei neue dauerhaft zu betreibende Großforschungszentren als Beitrag zum Strukturwandel in den ehemaligen Braunkohlerevieren entstehen. Hunderte Millionen Euro stehen in den nächsten zehn Jahren zum Aufbau dieser Einrichtungen bereit. Im Juli dieses Jahres hat eine hochrangig besetzte Perspektivkommission unter mehr als neunzig aus allen Fachdisziplinen eingereichten Anträgen die sechs überzeugendsten ausgewählt und dem BMBF für die erste Förderphase empfohlen. Nur Ahnungslose konnte überraschen, dass der von Curbach initiierte und ausgearbeitete Antrag Lab – Lausitz Art of Building zu den sechs auserwählten gehört. Selbst wenn es schlussendlich nicht zu einem Platz unter den letzten zwei reichen sollte, ist dies ein unbeschreiblicher Erfolg und Imagegewinn für das Bauwesen in Deutschland insgesamt. Insbesondere immer dann, wenn Curbach – wie im vorliegenden Fall – die Gelegenheit zur persönlichen Präsentation seiner Ideen bekommt, kann man den Konkurrenten eben wenig Hoffnung auf Erfolg machen.
Mehr als „nur“ ausgezeichnete Forschung
Die einzigartige Ballung der Erfolge fußt zunächst natürlich auf erbrachten ausgezeichneten Forschungsleistungen, wie sie allerdings auch an anderer Stelle erbracht werden. Den Unterschied macht die Persönlichkeit von Manfred Curbach. Ihm gelingt es, teils durch bewusstes Handeln, aber auch als Folge natürlich gegebener Begabung, Zuneigungs- und Anerkennungswerte zu erreichen, die ihn unbeteiligt neben allem stehen lässt, was mit Neid und Missgunst zu tun hat.
Dass ihm sein bescheiden zurückhaltender Auftritt Dominanz ohne den geringsten Anflug eines Alpha-Tier-Gehabes erlaubt, ist ein nicht voll erklärbares Phänomen. Vielleicht liegt auch ein Teil dieses Geheimnisses im Wahlspruch des deutsch-polnischen Versöhners Wladyslaw Bartoszewski: Es lohnt sich, anständig zu sein. Dazu gehört natürlich auch, dass er seine Mitarbeiter und Partner ungekünstelt wertschätzt, sie nach Kräften unterstützt und fördert, ohne sich zu schonen jede erdenkliche Hilfestellung leistet und seinen eigenen Vorteil dabei nicht im Geringsten sucht. In der Grundstimmung heiter, aber kein bisschen albern, in der Sache ernsthaft und unglaublich fokussiert, keine Chance auslassend hat er jedenfalls eine Stellung erreicht, in der angesichts auch seiner kühnsten Visionen selbst die notorischsten Zweifler stumm bleiben.
Zahlreiche weitere Verdienste
Er hat sich für seine Universität als Prorektor engagiert und ihm sind unzählige Mitgliedschaften und Ehrenämter angetragen worden. Vielen bedeutenden und wichtigen Gremien hat er als Vorsitzender gedient. Bei der Durchsicht der Auflistung seiner Auszeichnungen kann man schließlich den Eindruck gewinnen, dass er seinen wohl erst in ferner Zukunft einsetzenden Lebensabend im Falle größter Not allein aus dem Verkaufserlös eingeschmolzener Verdienstmedaillen würde bestreiten können. Wollte man sein Lebenswerk also, beginnend mit seiner Aufnahme in die Studienstiftung des Deutschen Volkes im Jahre 1981, eines Tages vertonen, wäre es eine gute Idee, den Triumphmarsch aus Giuseppe Verdis Oper Aida als Hintergrundmusik wählen, um die Üppigkeit seines Gesamtwerkes auch akustisch erlebbar zu machen.
Auf der Plattform Wikipedia werden die großen Söhne und Töchter seiner Geburtsstadt Dortmund aufgelistet. Zwischen Friedrich Arnold Brockhaus, Peter Rühmkorf und Annegret Richter und auch vielen der breiten Öffentlichkeit weniger bekannten, aber gleichwohl bedeutenden Persönlichkeiten fehlt Curbach dort bisher. Es wäre äußerst begrüßenswert, wenn ein Wikipedia-tauglicher Leser dieser Zeilen sich aufgerufen fühlte, diesem misslichen Zustand Abhilfe zu verschaffen.
Jetzt ist Curbach mit der Vollendung seines 65. Lebensjahres übrigens noch eine neue Rolle zugefallen, nämlich die als bestmögliches Beispiel dafür, dass das Erreichen der Altersgrenze zumindest für Hochschullehrer gar nicht flexibel genug geregelt werden kann.
Ausstrahlung auf das gesamte Bauwesen
Das Bauwesen in Deutschland und Europa insgesamt und sehr viele darin in unterschiedlichsten Positionen Handelnde haben vom Wirken Curbachs gewaltig profitiert. Ungefragt und ohne Mandat aber in der Gewissheit ausnahmsloser Zustimmung mache ich mich deshalb hier zum Sprecher all dieser, überbringe die zu einem 65. Geburtstag angezeigten Glückwünsche und verleihe vor allem einem von allen gemeinsam gehegten Bedürfnis Ausdruck: Danke Manfred Curbach.