Sexistische Bemerkung beim Baugewerbetag – Verbandspräsident bittet um Entschuldigung
Mit einer „persönlichen Erklärung“, die sein Verband auf der Website veröffentlicht (und ergänzt) hat, reagiert der Bau-Unternehmer Reinhard Quast über 14 Tage nach seiner „völlig unüberlegten und wirklich dummen Äußerung“ auf die mittlerweile erhobenen Sexismus-Vorwürfe und einen Offenen Brief.
Am 9. Dezember hat ZDB-Präsident Reinhard Quast mit einer „persönlichen Erklärung“ auf den wachsenden Druck reagiert, der nach einer „völlig unüberlegten und wirklich dummen Äußerung“ (so Quast in seiner Erklärung) gegenüber der Moderatorin des Deutschen Baugewerbetages am 23. November bei der Eröffnungsveranstaltung entstanden war. Zunächst hatte der Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB) das Veranstaltungsvideo – offenbar ohne Sensibilität für die Tragweite der peinlichen Bemerkung – online zur Verfügung gestellt und erst auf einen sich in den sozialen Medien entwickelnden „Shitstorm“ hin wieder entfernt.
Promi-Publikum im Saal wurde Zeuge der sexistischen Bemerkung
Vor einem hochkarätig besetzten Publikum – im Saal anwesend sollen nicht nur zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter der Baubranche, sondern auch Politikerinnen und Politiker wie Bundesbauministerin Klara Geywitz, Bundesfinanzminister Christian Lindner und der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz gewesen sein – hatte Quast auf die Frage der Moderatorin, ob sie ihm den roten Teppich ausrollen dürfe, mit der Gegenfrage „Wollen Sie sich ausziehen oder was?“ reagiert.
Die Moderatorin Tanja Samrotzki antwortete, dass dies nicht der Plan sei, woraufhin Quast lachte und auch aus dem Saal Lachen zu vernehmen war. Obwohl das Video inzwischen vom Verband gelöscht wurde, sind die entscheidenden 18 Sekunden nach wie vor als Video-Clip zu finden (siehe unten).
Entschuldigung bei der Moderatorin und anderen Frauen
Wie Quast in seiner als „persönlich“ gekennzeichneten Erklärung (die allerdings im Gegensatz zu anderen Verbandsmeldungen ohne Foto von Quast erschien) gestern betonte, habe er die Moderatorin „umgehend“ um Entschuldigung gebeten und sei ihr sehr dankbar, „dass sie diese Entschuldigung angenommen hat.“
Quast ergänzte: „Ich entschuldige mich auch bei allen anderen Frauen, die sich von meinen Worten angegriffen gefühlt haben“, und versicherte, „dass es eine solch verletzende Äußerung von mir nie wieder geben wird.“
Offener Brief von rund Personen aus der Branche
In einem Offenen Brief, der von der Initiative „F!F“ (Initiative Frauen in Führung der deutschen Immobilienwirtschaft für mehr Frauen in Führungspositionen e.V.) initiiert und mit Datum 9. Dezember veröffentlicht worden war, hatten rund 50 Personen dem Verband zuvor mangelndes Problembewusstsein sowie fehlende Kommunikation und Positionierung vorgeworfen.
Sexistische Äußerungen seien mehr als „einfach nur schlechte Witze oder verbale Ausrutscher“, heißt es darin. „Ihre Absicht ist es, existierende Machtunterschiede zu demonstrieren und zu festigen, indem Menschen mit weniger Macht kleingemacht und ausgegrenzt werden.“
Der Vorfall lasse außerdem eine problematische Kultur im Verband und in Teilen der Bauwirtschaft vermuten, „die der Branche auch deshalb schadet, da sie dringend benötigte Arbeits- und Fachkräfte abstößt.“ Der Verband laufe Gefahr, „der Branche extrem zu schaden“, warnt das Schreiben.
Minimal-Reaktion des Verbands
Das ZDB-Präsidium dankte seinem Präsidenten am Ende der auf der ZDB-Website veröffentlichten „persönlichen Erklärung“ für die „klare Stellungnahme“ und betonte, „dass die Gleichberechtigung von Mann und Frau und der Respekt gegenüber allen Frauen für unseren Verband wie für unsere Branche insgesamt unabdingbare Prinzipien sind“.
Der abschließenden Aufforderung im Offenen Brief, sich zu Konsequenzen „insbesondere mit Blick auf den aus unserer Sicht dringend nötigen Kulturwandel in Ihrem Verband“ zu äußern, ist das Präsidium allerdings bisher offenbar nicht nachgekommen.
Hintergrund: Männer-Domäne Baugewerbe
Der Vorfall wirft ein Schlaglicht auf die überwiegend noch männlich dominierte Arbeitswelt in der Bau-Branche, zu der auch das Foto vom aktuellen ZDB-Vorstand passt. Im Rahmen der diesjährigen Mitgliederversammlung des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe war der bisherige Präsident Reinhard Quast im November „mit überwältigender Mehrheit wiedergewählt“ worden.
„Am Bau sind Frauen oft Einzelkämpfer“ betitelte die Siegener Zeitung am 4. Februar 2022 einen Artikel über zwei Quast-Mitarbeiterinnen, den das in dritter Generation von Reinhard Quast geführte Unternehmen derzeit als aktuellsten Beitrag im Pressebereich seiner Website als PDF-Dokument präsentiert. In dem Beitrag wird daran erinnert, dass Frauen laut Gesetz erst seit 1994 auf einer Baustelle arbeiten dürfen. Eine seit drei Jahren auf der Baustelle arbeitende Stahl- und Stahlbetonbauerin wird in dem Artikel mit der Aussage zitiert, dass von Männern „schon mal der ein oder andere blöde Spruch“ komme.
Diesen wenig respektvollen Umgangston im beruflichen Alltag hat uns unabhängig davon auch eine Senior Projektingenieurin ähnlich geschildert, die wir im Mai 2022 im Bauingenieur in einem „Jobporträt“ vorgestellt haben: „[…] der Grat zwischen ‚den Eimer hinterhergetragen bekommen‘ und ‚für die Praktikantin gehalten zu werden‘ sei schmal – mal ganz abgesehen von anzüglichen Bemerkungen“, heißt es da (Bauingenieur 05|2022, Seite A15).
Entgleisung weist auf „strukturelles Problem“ hin
„Jede sexistische Herabwürdigung eines anderen Menschen verstößt gegen elementare Werte unserer Gesellschaft“, heißt es in einer Stellungnahme von Dr.-Ing. Heinrich Bökamp, Präsident der Ingenieurkammer-Bau NRW, die am 9. Dezember 2022 veröffentlicht wurde. „Wir als Ingenieurkammer-Bau NRW sehen, dass es um mehr geht als die Entgleisung eines Einzelnen“, wird darin Präsident Dr.-Ing. Heinrich Bökamp zitiert.
„Der Stand der Gleichberechtigung der Geschlechter zeigt immer noch ein strukturelles Problem“, fährt Dr. Bökamp fort. „Dieses Problem haben wir erkannt. Auch wenn wir viele Strukturen nur als Gesellschaft gemeinsam aufbrechen können, wollen wir als IK-Bau NRW Teil der Lösung sein und an der selbstverständlichen Gleichstellung der Geschlechter mitwirken. Daran arbeiten wir aus Überzeugung schon heute und auch in Zukunft.“ (Dieser Abschnitt unserer Meldung wurde am 13.12.2022 ergänzt; die Redaktion).
Link zum Offenen Brief und Video-Clip
Der F!F veröffentlicht auf seiner Website nicht nur den Offenen Brief, sondern auch einen 18 Sekunden langen Videoausschnitt der Szene.