Wasserstoff- und Elektro-Baumaschinen rollen an
In wenigen Tagen beginnt die Messe Bauma 2022 in München. Alternative Antriebe für Baumaschinen sind dort wichtige Trends. Und Fortschritte bei der Digitalisierung zeigen sich nicht nur bei Maschinen und Geräten.
Vom 24. bis 30. Oktober 2022 sind auf der Bauma in München zahlreiche Neuheiten zu sehen. Ein großer Trend zeichnet sich schon jetzt ab: Umweltfreundlichere Antriebskonzepte für Fahrzeuge und Maschinen sind wichtiger denn je um CO2-Emissionen zu reduzieren. Und am meisten Blicke ziehen da wohl elektro- und wasserstoffbetriebene Fahrzeuge, Maschinen und Geräte auf sich.
Mehr Power für Maschinen und Geräte
So präsentiert Komatsu (Halle C6) insgesamt 27 Maschinen, darunter auch im Vorführbereich (FM.713/1) den ersten vollelektrischen Kompaktradlader (siehe Bild oben). Er wurde kürzlich zusammen mit Moog Inc. – einem weltweiten Entwickler, Hersteller und Integrator von Präzisions-Steuerungskomponenten und -systemen – entwickelt und hergestellt. Diese vernetzte und automatisierbare Baumaschine ist batteriebetrieben sowie emissionsfrei und nun bereit für gemeinsame Tests der beiden Hersteller.
Das intelligente Steuerungssystem von Moog umfasst einen elektrischen Fahrmotor, elektrische Hub-, Kipp- und Lenkzylinder, die Leistungselektronik, einen Systemsteuerungscomputer, eine Batterie und ein Batterie-Management-System. Das integrierte Steuerungssystem verbindet und koordiniert die Vorgänge in der gesamten Maschine, während die vollelektrischen Aktoren und Motoren die Kraft auf das Traktions- und Ladesystem der Maschine übertragen. Das integrierte System soll eine „branchenführende Effizienz und Steuerbarkeit“ ermöglichen.
Und Caterpillar arbeitet an 48-Volt-, 300-Volt- und 600-Volt-Batterien und wird Prototypen seiner Batterietechnologien in Halle A4, Stand 336 zeigen. Sie soll Kunden der Off-Highway-Industrie bei der Energiewende in eine kohlenstoffärmere Zukunft unterstützen, gab das Unternehmen Anfang Oktober bekannt.
Von der Hyundai-Unternehmensgruppe (Hyundai Genuine mit seinen Tochtergesellschaften Hyundai Construction Equipment und Hyundai Doosan Infracore) werden nach Unternehmensangaben ebenfalls kompakte und umweltfreundliche Maschinen zu sehen sein, darunter Wasserstoff- und Elektrobagger sowie Minibagger. Die Motorensparte von Hyundai Doosan Infracore stellt zum ersten Mal ein elektrisches Batteriepaket für den europäischen Markt vor.
Hyundai geht davon aus, dass das Interesse nach kleinen Baumaschinen auf dem europäischen Markt kontinuierlich steigen wird, wobei der Marktanteil der kompakten Baumaschinen von 45 % im Jahr 2021 auf 53 % im Jahr 2025 steigen soll (Quelle: Off-Highway Research). Der europäische Markt zeige ein großes Interesse und eine große Nachfrage nach umweltfreundlichen Maschinen, um den hohen Emissionsstandards der Region in Bezug auf Kohlenstoffneutralität gerecht zu werden.
Hyundai Construction Equipment (Stand FM.813A) präsentiert daher einen 14 Tonnen schweren Wasserstoffbagger, der seit 2020 in Südkorea entwickelt wird, außerdem sein Wasserstoff-Brennstoffzellen-Aggregat und seinen 1,8-Tonnen-Minielektrobagger. Darüber hinaus wird Hyundai Doosan Infracore einen 1,7 Tonnen schweren Minibagger mit Elektroantrieb und einen Bagger mit Hybridmotor ausstellen, die beide im Jahr 2023 auf den Markt kommen.
Synthetische Kraftstoffe
Bei Liebherr (Stand 809–810 / 812–813) spielen auch hydrierte Pflanzenöle (Hydrotreated Vegetable Oil, kurz HVO) eine wichtige Rolle. Dabei handelt es sich um einen synthetischen Kraftstoff, der in Reinform oder als Zugabe zu fossilem Diesel ab sofort einen Großteil der Liebherr-Baumaschinen, Krane und Mininggeräte antreiben kann. HVO ist nach Angaben von Liebherr der erste kommerziell erwerbbare Kraftstoff, mit dem Verbrennungsmotoren nahezu klimaneutral betrieben werden können. Viele Maschinen der Firmengruppe mit eigenen Motoren können so schon heute weitgehend klimaneutral arbeiten.
Während des Lebenszyklus einer Maschine lassen sich laute Neste, einem der wichtigsten HVO-Lieferanten von Liebherr, die Treibhausgasemissionen um bis zu 90 % senken, wenn sie anstelle von fossilem Diesel mit Neste MY Renewable Diesel (= HVO 100) betankt wird. Diese Berechnung sei im Einklang mit den Vorgaben der EU Renewable Energy Directive II (2018/2001/EU). Die besonders Maschinen müssen dazu weder ausgetauscht noch umgerüstet werden. Als erstes Werk des Segments hat daher die Liebherr-Hydraulikbagger GmbH in Kirchdorf an der Iller ab Januar 2022 fossilen Diesel durch HVO-Kraftstoff ersetzt. Diese Umstellung soll neben der Erstbetankung aller Neumaschinen vor Auslieferung auch für Maschinenabnahmen, bei Vorführungen und Validierungseinsätzen im Werk gelten. Auch der Werksverkehr soll sukzessive auf HVO-Kraftstoff umgestellt werden.
Im Bereich der alternativen Antriebskonzepte präsentieren die Liebherr-Komponenten den ersten Wasserstoffmotor, den H964, mit hohen Wirkungsgraden und sehr niedrigen NOx-Emissionen bei gleicher Lebensdauer und gleichen Wartungsintervallen wie Dieselmotoren. Zudem werden die unterschiedlichen Einblaslösungen für Wasserstoff für Medium- und Heavy-Duty-Motoren sowie Großmotoren im Bereich von sieben bis 100 Liter Hubraum vorgestellt. Zu den Neuentwicklungen zählt außerdem das mobile Energiespeichersystem, welches zukünftig einen lokal emissionsfreien Betrieb von elektrifizierten oder hybrid versorgten Baustellen mit höchster Leistungsdichte, Effizienz und Qualität sichern wird.
Digitalisierung ein wichtiger Trend
Neben alternativen Antrieben, Akkus und Batterien ist aber die Digitalisierung ein wichtiges Trendthema der Bauma. So können Besucher etwa bei Hyundai in der Connect-Zone neue Technologien der Automatisierung der Baubranche entdecken. Außerdem finden Vorführungen für Concept X, eine unbemannte Automatisierungslösung, und XiteCloud, eine laut Herstellerr „intelligente“ Baulösung, statt. Und Komatsu zeigt, wie ein Wireless-Monitoring-System dabei unterstützen kann, die Ausrüstung effektiv einzusetzen oder die Kraftstoffeffizienz zu verbessern.
Datenbasiertes Assistenzsystem überwacht und erleichtert Betonverdichtung
Ein neues Assistenzsystem zur Betonverdichtung von Wacker Neuson (Messestand FN.915) hilft, Betonfertigteile einfacher und in reproduzierbarer Qualität zu fertigen. Durch das datenbasierte Assistenzsystem erhält der Anlagenbediener objektive Informationen über den Vorgang der Betonverdichtung und Echtzeit-Informationen über den Verdichtungsfortschritt.
Das zugrundeliegende Verdichtungsmodell berücksichtigt nach Angaben des Unternehmens nicht nur die Geometrie des Betonbauteils, sondern auch die Eigenschaften des Frischbetons. Außerdem fließen Informationen über die jeweils aktuellen Prozessgrößen, wie beispielsweise die Vibrationsstärke und -frequenz, während des Verdichtungsvorgangs in das Modell mit ein.
Resultat sei ein nicht personenabhängiges Verdichtungsergebnis, das damit von gleichbleibender Qualität ist. Der Bediener kann mithilfe des Assistenzsystems den gesamten Verdichtungsprozess überwachen, im Bedarfsfall korrigierend eingreifen und den Verdichtungsvorgang fundiert beenden.
Hohe Betonqualität bei über großen Temperaturbereich
Die KTI-Plersch Kältetechnik GmbH präsentiert auf der Bauma in München am Stand FS.911/4 ihre neue Eis-und Heißwasseranlage zur Temperierung von Frischbeton. Sie ermöglicht laut Hersteller ein sorgfältiges Aushärten und sorgt energieeffizient für eine hohe Betonqualität ohne später entstehende Risse. Möglich mache das in der schlüsselfertig im Container installierten CombiWater-Anlage eine Wärmepumpe, die je nach Bedarf sowohl im Heiz- als auch im Kühlbetrieb laufen kann.
Autonom agierende Baumaschinen noch in weiter Ferne
Digitale Unterstützung sowie verbesserte Geräte und Anlagen sind konkret sichtbare Neuheiten auf der Bauma 2022, während autonom fahrende und arbeitende Maschinen noch eher zu zu den großen Zukunftsvisionen der Baubranche gehören. Eine „echte“ Autonomie bei Baumaschinen sei in absehbarer Zeit kaum vorstellbar, da – anders als zum Beispiel im abgeschlossenen Arbeitsumfeld eines Steinbruchs oder Bergwerks – komplexe technische und sicherheitstechnische Herausforderungen existieren, argumentiert beispielsweise Tim-Oliver Müller. Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie e.V.
Nach seiner Einschätzung deutlich realistischer und für die Bauwirtschaft greifbarer sind die Entwicklung und der Einsatz „intelligenter“ Baumaschinen mit halbautomatisierten, automatisierten oder unterstützenden Funktionen – und dies bei ausgewählten Bauprozessen, beispielsweise im Erd-, Straßen- oder Spezialtiefbau. „Solche Lösungen haben das Potenzial für merkliche Effizienz- und Produktivitätssteigerungen“, unterstreicht Müller. So könnten sie den Maschinenführer oder die Maschinenführerin bei sich wiederholenden und ermüdenden Tätigkeiten entlasten. Intelligente Maschinen seien zudem unabhängiger von deren individuellen Fähigkeiten – in Zeiten des Fachkräftemangels ein nicht zu unterschätzender Vorteil, so der Branchenkenner.
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