„Wickelwalnuss“-Betonkanu wird Konstruktionssieger
Können Kanus aus Beton schwimmen? Dazu müssen sie ausreichend dünnwandig sein. Besonders ressourceneffizient klappt das mit einer Wickeltechnik.
Studierende des Studiengangs Bauingenieurwesen der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS) haben in jeweils einem Studienprojekt mit rund 15 Teilnehmern im Wintersemester 2021/22 und im Sommersemester 2022 zwei Kanus aus Beton in unterschiedlichen Verfahren gebaut. Bei der Betonkanu-Regatta 2022 in Brandenburg an der Havel angetreten holten sie mit einem davon, der „Uffgeblähten Wickelwalnuss“, den ersten Platz in der Kategorie „Konstruktion“.
Aufgeteilt in verschiedene Teams befassten sich die Studierenden über ein Semester mit den einzelnen Aspekten, die es für die Konstruktion des Betonkanus braucht. Neben der Herstellung von Schalungen setzten sie sich beispielsweise auch mit statischen Berechnungen und der Auswahl und Zusammensetzung der Ausgangsstoffe für ein nachhaltiges Kanu auseinander.
Dünnwandige Konstruktion aus Massivbaustoff
„Wir alle kennen Beton als massiven Baustoff. Darum würde man auf den ersten Blick nicht vermuten, dass man aus ihm ein schwimmfähiges Kanu bauen kann“, erklärt Prof. Dr.-Ing. Petra Rucker-Gramm, Professorin für Baustoffe, Bauphysik, Bauwerkserhaltung und Ressourcenoptimiertes Bauen an der Frankfurt UAS, die gemeinsam mit Prof. Dr.-Ing. Michael Horstmann, Professor für Massivbau und Konstruktiver Ingenieurbau, die Projekte betreute. Durch die dünnwandige Konstruktion, die Wasserverdrängung und den daraus resultierenden Auftrieb kann es dennoch schwimmen. Die Herausforderung sei dabei weniger, die Schwimmfähigkeit sicherzustellen, als vielmehr die Entwicklung und Anwendung innovativer Entwurfs- und Materialkonzepte.
Die Studierenden des Wintersemesters entwarfen für das Kanu „Uffgeblähte Wickelwalnuss“ zunächst ein CAD-Modell und konstruierten anschließend zwei baugleiche, rund 5,5 Meter lange Schalungen aus einem dünnen, biegsamen Sperrholz. Mittels eines ausgeklügelten Stecksystems konnten beide Schalungen aufeinander geschoben und zu einem kokonartigen Korpus gefügt werden. Der Korpus wurde in seiner Achse drehbar auf zwei Böcken gelagert.
Gesteinskörnung aus recycltem Altglas
Parallel entwickelten die angehenden Bauingenieurinnen und -ingenieure einen Beton, der sowohl leicht und nachhaltig als auch wasserundurchlässig und fest ist. Hierfür haben sie mit einer Gesteinskörnung gearbeitet, die aus Altglas recycelt wurde und somit eine leichte, ressourcenschonende Alternative zu anderen Gesteinskörnungen darstellt. Der Beton wurde mit Textilien aus Glas verstärkt. Darüber hinaus haben die Studierenden unterschiedlichste Parameter bestimmt, darunter beispielsweise die Ökobilanz des Kanus.
Die Herstellung des Kanus erfolgte schließlich durch das überlappende Aufwickeln von Textilbetonbahnen – ähnlich wie bei einem Gipsverband. Dafür haben die Studierenden eine Methode gefunden, mit der der Beton sehr dünn um die Schalung gewickelt werden kann: Sie umwickelten die beiden ineinander gesteckten, zuvor in Folie geschlagenen Schalungen mit der eigens hierfür entwickelten Betonmischung.
Während einige der Studierenden stets neuen Beton anmischten, arbeiteten andere an der „Produktionsstraße“, um den Beton gleichmäßig auf das Textil aufzutragen. Direkt im Anschluss wurde der Beton-Textil-Verbund auf der drehbaren Schalung aufgewickelt. Nach einer kurzen Trockenphase von nur wenigen Tagen durchtrennten die Studierenden diese „Walnuss“ und lösten die beiden nun entstandenen Kanus von ihrer Schalung. Eines davon wurde für die Betonkanu-Regatta vorbereitet.
Ein zweites Kanu entstand im Sommersemester
Den Studierenden des Sommersemesters 2022 stand für ihre Arbeiten eine Zeitspanne von nur sechs Wochen zur Verfügung. Sie entwarfen für ihr Kanu „Schepp gewiggelt“ eine eigenständige Schalung, die aus dem 3D-Laserscan eines Wettkampfkanus abgeleitet wurde. Mit einem 3D-Konstruktionsprogramm wurde der Schalungskorpus entlang seiner Längsachse in mehr als 30 Scheiben aufgeteilt. Mit Papierschablonen wurden dann mehr als 30 Styroporscheiben zurechtgeschnitten, die auf einer Stahlachse aneinandergereiht und mit Vliesen umwickelt den Schalungskörper ergaben.
Die Betonrezeptur wurde von der „Uffgeblähten Wickelwalnuss“ übernommen und dessen Wickelverfahren weiter optimiert, so dass die Frankfurt UAS mit einem zweiten gewickelten Kanu auf der Regatta vertreten war. Die Studierenden trieben zudem den Multimediaauftritt und den Präsentationsstand beider Kanus voran und haben den Konstruktionsprozess beider Kanus dokumentiert.
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