Eingeklebte Betonschrauben: Bauwerke nachträglich verstärken
Die Baubranche steht vor großen Herausforderungen: Sanierung, Umnutzung, Aufstockung und die Erweiterung von Bestandsbauwerken zählen zu den aktuellen, urbanen Bauaufgaben. Eine Verschwendung von Ressourcen kann so vermieden, der Erhalt historischer Bausubstanz gefördert und der Bau von neuem Wohn- und Arbeitsraum realisiert werden. Gleichzeitig bleiben Flächen von Versiegelung verschont.
Wird im Bestand gebaut, müssen Bauteile nicht selten verstärkt werden. Hierzu werden innovative Systeme benötigt.
1. Das Relast-System
Um ein solches System handelt es sich bei den eingeklebten Betonschrauben mit dem Namen Relast des Befestigungs- und Montagemittelherstellers Adolf Würth GmbH und Co. KG (Der Bauingenieur berichtete in der Dezember-Ausgabe 2023). Relast erzielt nicht nur einen hohen Verstärkungsgrad bei einer geringen Anzahl von Verstärkungselementen, sondern ermöglicht gleichzeitig eine schnelle und einfache Installation. Bauwerke lassen sich so hinsichtlich ihrer Querkraft- oder Durchstanztragfähigkeit effektiv und schnell verstärken.
Betonschrauben sind aus der Verankerungstechnik bekannt und haben die Aufgabe externe Lasten in die Struktur abzuleiten. Beim Einsatz als nachträgliche Bewehrung hingegen müssen interne Kräfte der bestehenden Struktur aufgenommen und wieder in der Struktur abgeleitet werden. Dementsprechend ist es erforderlich, dass nicht nur Kräfte an der Schraubenspitze über das Verbundgewinde aufgenommen werden, sondern diese am anderen Ende der Schraube auch wieder abgeleitet werden [1]. Hierzu wird bei Relast eine Druckverteilungsscheibe mit einer Keilsicherungsfederscheibe und eine Mutter am metrischen Gewinde der Schraube an der Außenseite des Tragwerks angeordnet (vgl. Bild 1). Über die Mutter an der Außenseite wird eine Vorspannung in der Schraube durch Andrehen mit einem definierten Anziehdrehmoment erzeugt.
2. Bemessung mit Relast Verbundankerschrauben
Um es dem verantwortlichen Ingenieur möglichst einfach zu machen, lehnen sich Bemessungsansätze sehr stark an die DIN EN 1992–1–1 an. Hierauf basierend und unter Annahme weiterer konstruktiver Regelungen war es möglich, bauaufsichtliche Zulassung des DIBt für die Querkraftverstärkung (Z-15.1–344, Z-15.1–377) und für die Durchstanzverstärkung (Z-15.1.345, Z-15.1–378) zu erlangen.
2.1 Anwendungsbereiche
Die Würth Verbundankerschraube Relast kann als nachträgliche Querkraft- oder Durchstanzverstärkung in Stahl- und Spannbetonbauteilen aus Normalbeton der Festigkeitsklassen C20/25 bis C50/60 bei statischen und quasi-statischen sowie ermüdungsrelevanten Beanspruchungen eingesetzt werden. Dabei muss das zu verstärkende Bauteil eine Mindestbauteildicke von hmin = 200 mm aufweisen. Die maximale Bauteildicke der Durchstanzverstärkung liegt bei hmax = 1 100 mm und die maximale Bauteildicke der Querkraftverstärkung bei hmax = 2 250 mm.
2.2 Querkraftverstärkung
Wie bereits erwähnt basieren die Gleichungen auf dem Eurocode. Der Nachweis der Druck- und Zugstrebe wird in Übereinstimmung mit den Regelungen von DIN EN 1992–1–1 in Verbindung mit DIN EN 1992–1–1/NA für α = 90° und θ = 45° mit folgenden Gleichungen geführt:
VRd,s = asw · z · fywd,ef
Die Versuche zeigten, dass die volle plastische Tragfähigkeit der Zugstrebe nicht erreicht werden kann, also die Schraubenverankerung versagt, bevor es zum Fließen der Schraube kommt. Dies wird durch die Definition einer sogenannten ausnutzbaren Spannung berücksichtigt [1], welche mit Hilfe der folgenden Formel berechnet wird:
Die Parameter c1 und c2 berücksichtigen den Schraubendurchmesser sowie die Setztiefe der Schrauben, vgl. Bild 3.
2.3 Durchstanzverstärkung
Der Bemessungsansatz zur Durchstanzverstärkung mit Relast Verbundankerschrauben beruht ebenfalls auf den bekannten Gleichungen des EC 2. Der Durchstanzwiderstand mit Durchstanzbewehrung wird mit folgender Gleichung ermittelt:
Die Tragfähigkeit kann um 40 % (kmax = 1,4) gesteigert werden, was dem Wert konventioneller Bügelbewehrung nach EC 2 entspricht [1].
Die effektive Spannung fywd,ef wird abweichend vom EC 2 wie folgt berechnet:
Der Faktor dK,1 steht für den Durchmesser der gewählten Schraube im Bereich des Betonschneidegewindes.
3 Ausgewählte Projekte
3.1 Querkraftverstärkung einer denkmalgeschützten Sporthalle
Im Rahmen der Sanierungsmaßnahmen wurde die Galerie, welche das Gebäude auf drei Seiten umgibt, verstärkt. Die Tragkonstruktion der Galerie besteht aus Kragbalken, welche in die Stützenvorlagen der Umfassungswände einbinden, sowie aus Querträgern, auf denen die Deckenplatte ruht. Wie zum Zeitpunkt der Erstellung üblich, wurde bei den Balken nur eine geringe Bügelbewehrung verwendet, da damals Aufbiegungen der Längsbewehrung aus der unteren in die obere Lage einen Großteil der Schubkraftübertragung abdeckten. Im vorliegenden Fall stellte sich jedoch heraus, dass keine Aufbiegungen vorhanden waren. Bei den Abtragsarbeiten wurde bei mehreren Kragbalken die Bügelbewehrung freigelegt und war somit wirkungslos (siehe Bild 4). Da das Gebäude unter Denkmalschutz steht, durfte die Verstärkungsmaßnahme nicht sichtbar sein. Zur Verstärkung wurden insgesamt 113 Relast Verbundankerschrauben mit einem Durchmesser von 16 mm und unterschiedlichen Längen von oben in das Bauwerk eingebaut. Der Überstand der Schrauben wurde anschließend vom Fußboden verdeckt.
3.2 Querkraftverstärkung einer Brücke in Bad Reichenhall
Die Brücke in Bad Reichenhall über die Deutsche Bahn und die Frühlingsstraße wurde 70 Jahre nach der Errichtung umfangreich saniert. Unter anderem wurde eine nachträgliche Querkraftverstärkung mit Relast Verbundankerschrauben durchgeführt. In der ursprünglichen Statik der Brücke wurde der Nachweis der Querkrafttragfähigkeit über die Hauptspannungen geführt, hierdurch wurde die Brücke damals fast ohne Querkraftbewehrung hergestellt. Aufgrund dieses Defizits wurden nachträglich 1 224 Relast Verbundankerschrauben mit einem Durchmesser von 22 mm eingebaut. Hierfür wurden Anker in der Standardlänge 1 000 mm verwendet, die nach dem Einbau bis zur geplanten Einbindetiefe auf der Baustelle gekürzt wurden. Der Korrosionsschutz wurde anschließend mit Hilfe einer Hutmutter wiederhergestellt. Die Verstärkung der Brücke erfolgte innerhalb von 20 Arbeitstagen unter laufendem Verkehr. Dadurch wurden Umfahrungsstrecken vermieden und CO2-Emissionen aufgrund von zusätzlichen Wegstrecken eingespart. Der Einfluss der Verstärkungsmaßnahme auf den Individualverkehr als auch auf den ÖPNV (auf und unterhalb der Brücke) war vernachlässigbar klein.
www.wuerth.de/relast
Literatur
- Feix, J.; Lechner, J.: Das neue bauaufsichtlich zugelassene System Relast zur nachträglichen Bauwerksverstärkung: Von der Grundidee über die wissenschaftliche Forschung bis hin zur Zulassung. In: Planermagazin pl2/8 – Das Magazin für Ingenieure, Planer und Architekten 14 (2020), Heft 19.
- Strobl, F.: Eingeklebte Betonschrauben zur nachträglichen Bauwerksverstärkung. In: Bauingenieur BD. 98 (2023) Heft 12.
Fabian Strobl,
Adolf Würth GmbH & Co. KG
Foto: Würth