Auf CO2 bauen
Forschende des „Concrete & Asphalt Labs“ der Empa arbeiten aktuell daran, die Baubranche vom Klimakiller zur CO2-Senke umzubauen. So loten sie derzeit mit dem Einbringen von Pflanzenkohle in Beton etwa das Potenzial von CO2-neutralem oder gar CO2-negativem Beton aus. Die vorab zu Pellets verarbeitete Kohle soll schließlich handelsübliche Gesteinskörnungen ersetzen.
In Punkto Emissionseinsparung ist gerade der Baubereich als einer der Hauptemittenten besonders in der Pflicht. So werden alleine rund acht Prozent der globalen Treibhausgasemissionen durch die Herstellung von Zement verursacht. Gleichzeitig keimen erste Bestrebungen, den Bausektor mit seinem massiven Ressourcenverbrauch als mögliche Kohlenstoffsenke zu nutzen. Was paradox klingt, kann aber dann gelingen, wenn wir beginnen „mit CO2 zu bauen“ – beziehungsweise den Kohlenstoff zur Herstellung von Baumaterialien zu verwenden und dadurch langfristig der Atmosphäre zu entziehen, teilt die Schweizerische Forschungsinstitution Empa mit. Vorarbeiten hierzu werden momentan im „Concrete & Asphalt Lab“ der Empa geleistet. Ein Team rund um Abteilungsleiter Pietro Lura entwickelt dort ein Verfahren, wie Pflanzenkohle praxistauglich in Beton integriert werden kann.
Pellets statt Kohlenstaub
Pflanzenkohle entsteht durch einen pyrolytischen Verkohlungsprozess unter Luftabschluss. Ein großer Teil davon besteht aus reinem Kohlenstoff – jenem Kohlenstoff, den die Pflanzen beim Wachsen in Form von CO2 der Atmosphäre entnommen haben. Während bei der Verbrennung von Pflanzen das CO2 wieder entweicht, bleibt es in der Pflanzenkohle langfristig stabil. Bereits heute gibt es erste Betonprodukte mit integrierter Pflanzenkohle auf dem Markt. Dabei wird die Kohle aber häufig unbehandelt in den Beton eingebracht, was zu einigen Schwierigkeiten führen kann. Empa-Forscher Mateusz Wyrzykowski betont: „Die Pflanzenkohle ist sehr porös und absorbiert deshalb nicht nur viel Wasser, sondern auch teure Zusatzmittel, die bei der Betonherstellung verwendet werden. Außerdem ist die Handhabung schwierig und auch nicht ganz ungefährlich. Der Kohlenstaub ist problematisch für die Atemwege und birgt eine gewisse Explosionsgefahr.“
Aus diesen Gründen schlagen die Forschenden in einem aktuellen Paper vor, die Pflanzenkohle vorab in Pellets zu verarbeiten. Wyrzykowski: „Solche leichten Gesteinskörnungen gibt es heute bereits aus anderen Materialien wie Blähton oder Flugasche. Das Know-how im Umgang mit diesen Stoffen ist in der Branche vorhanden und damit steigen auch die Chancen, dass das Konzept in die Praxis übergeht.“
Erfolge insbesondere beim Leichtbeton sichtbar
Hergestellt werden können die Pellets in einem sogenannten Rotationsmischer. Vermengt man darin die Pflanzenkohle mit Wasser und Zement, dann erhält man durch die Rotation kleine Kügelchen mit einem Durchmesser zwischen 4 und 32 Millimetern. Diese Pellets wiederum können zur Herstellung von Normalbeton der Festigkeitsklassen C20/25 bis C30/37 – jener Klassen, die heute die grösste Verbreitung im Hoch- und Tiefbau haben – genutzt werden. Mateusz Wyrzykowski freut sich: „Bei einem Anteil von 20 Volumenprozent Kohlenstoffpellets im Beton erreichen wir Netto-Null-Emissionen. Das wiederum bedeutet, dass die gespeicherte Menge Kohlenstoff alle Emissionen kompensiert, die bei der Produktion der Pellets wie auch des Betons anfallen. Während man wohl beim Normalbeton (Dichte zwischen 2000 bis 2600 kg/m3) mit 20 Volumenprozent die Grenze noch nicht erreicht hat, wird das negative Emissionspotenzial bei Leichtbeton (Dichte ca. 1800 kg/m3) besonders sichtbar: Ein Anteil von 45 Volumenprozent Kohlenstoffpellets im Beton führen zu insgesamt negativen Emissionen von minus 290 kg CO2/m3. Zum Vergleich: Ein herkömmlicher Beton schlägt mit plus 200 kg CO2/m3 zu Buche.
Kolenstoff aus der Pyrolyse von Methangas soll Pflanzenkohle schon bald ersetzen
Für Abteilungsleiter Pietro Lura ist die Forschung in seinem Labor ein entscheidender Beitrag zur Erreichung der Klimaziele. Als wichtigste Kohlenstoffquelle sieht er aber nicht in erster Linie die Pflanzenkohle, die bei der aktuellen Forschung als Modellmaterial gedient hat. Vielmehr lenkt er den Blick auf das breit angelegte Konzept „Mining the Atmosphere“, das mehrere Forschungsabteilungen an der Empa verfolgen: die Produktion von synthetischem Methangas mithilfe von Sonnenenergie, Wasser und CO2 aus der Atmosphäre in sonnenreichen Regionen der Erde und die anschließende Pyrolyse des Gases. „Dadurch erhält man Wasserstoff, den man als Energieträger in der Industrie oder der Mobilität nutzen kann und festen Kohlenstoff, den wir – wie die Pflanzenkohle – zu Pellets verarbeiten und in den Beton einbringen können“, erklärt Lura.