Der schwebende Maurer-Roboter ist da
Ein neu entwickelter Seilroboter soll künftig umfangreiche Maurerarbeiten autark erledigen. Er kann dabei auch Höhenunterschiede über mehrere Stockwerke hinweg selbstständig überwinden und macht jungen Menschen die Baubranche schmackhaft.
Auch wenn die Digitalisierung und Robotik im Bauwesen insgesamt auf dem Vormarsch sind, weist der Mauerwerksbau in Deutschland einen eher geringen Automatisierungsgrad bei Baustellenprozessen auf. Innerhalb weniger Pilotanwendungen werden zwar schon programmgesteuerte mobile Roboter eingesetzt, die auf Bodenplatten oder Geschossdecken Mauerwerk fertigen können, jedoch sind diese relativ fehleranfälligen Systeme auf das reine Mauern beschränkt und müssen aufwendig zwischen Geschossen eines Bauwerks transportiert und neu eingerichtet werden.
Viele Arbeiten können zudem nur manuell durchgeführt werden: Sei es, dass Fugen nachgezogen oder Kimmlagen händisch erstellt werden müssen. Das soll der neu entwickelte Seilroboter in Zukunft ändern, der von der Forschungsvereinigung Kalk-Sand e.V. gemeinsam mit Forschenden der Universität Duisburg-Essen und des Instituts für Angewandte Bauforschung Weimar entwickelt und nun an der Universität Duisburg-Essen vorgestellt wurde.
Schweben an Stahlrahmen und Seilen
Etwa zwei Jahre haben die Fachleute aus Robotik und Bauwesen vom Lehrstuhl für Mechatronik der Universität Duisburg-Essen und der Forschungsvereinigung Kalk-Sand e.V. an diesem Prototyp getüftelt. Das Ergebnis ist ein an Stahlrahmen und Seilen befestigter Roboter, der über der Baustelle schwebt, selbstständig Kalksandsteine vom Lagerplatz holt, sich präzise den benötigten Mörtel vorlegt und die Steine vollautomatisch versetzt.
Möglich wird dies durch eine über vier Pylonen gespannte Seilkonstruktion, die um das Baufeld aufgestellt wird. Hier bewegt sich der Roboter dreidimensional hin und her und schwebt an äußerst festen und sehr leichten Kunststoffseilen über das Gebäude, ähnlich wie eine Stadionkamera. Was heute noch nach ferner Zukunft klingt, soll aber bereits in ein paar Jahren Wirklichkeit sein.
Nicht mehr nur mauern, schleppen, mörteln – Kollege Roboter macht den Beruf attraktiver
Der Einsatz von Seilrobotern hat viele Vorteile. So können große Bauvolumina – auch bei komplexen Geometrien – in kurzer Zeit errichtet werden. Innerhalb weniger Stunden mauert der Seilroboter aus handelsüblichen Kalksandsteinen eine ganze Etage. Er kann äußerst weitreichend arbeiten und benötigt selbst nur wenig Platz.
„Der Einsatz von Seilrobotern stellt die sachgerechte Verarbeitung der Baumaterialien auch in Zukunft sicher“, stellt Jan Dietrich Radmacher, der Vorstandsvorsitzende beim Bundesverband Kalksandsteinindustrie e.V. fest. Schon heute habe das Bauhandwerk große Schwierigkeiten, junge Menschen für die Ausbildung in den Bauberufen zu gewinnen. „Der Einsatz von Seilrobotern kann diesen Fachkräftemangel ausgleichen“, so seine Hoffnung.
Aussterben werde der Maurerberuf durch den Einsatz von Robotern allerdings nicht. Digitalisierung und Automatisierung werden neue Berufe und Berufsstrukturen schaffen, ist sich Jan Dietrich Radmacher sicher. „Den Maurerberuf, den wir heute kennen, wird es zwar auch in Zukunft geben, aber die Anforderungen werden sich deutlich verändern, um mit der Digitalisierung des Bauprozesses Schritt halten zu können.“ Die Möglichkeit, auch auf der Baustelle mit digitalisierter Technik zu arbeiten, kann für die kommende Generation attraktiv sein und sie für das Berufsfeld Mauerwerksbau neu begeistern.
BIM als Grundlage
Der neue Roboter kann auch Steine in unterschiedlichen Formaten versetzen, Stürze einziehen und die automatische Bemörtelung übernehmen. Grundlage ist das sogenannte BIM-Modell (Building Information Modeling). Dessen digitale Daten werden an den Roboter geschickt. „Damit unser Roboter auf der Baustelle auch wirklich sinnvoll und wirtschaftlich eingesetzt werden kann, müssen die Baustellenorganisation, die Baustellenplanung und auch der eigentliche Bauprozess neu gedacht werden“, betont Prof. Tobias Bruckmann, der das Forschungsthema im Bereich Robotik und Automatisierung am Lehrstuhl für Mechatronik der Universität Duisburg-Essen koordiniert. Der Lehrstuhl ist unter Leitung von Prof. Dieter Schramm bereits seit 1998 in der Seilrobotik aktiv.
Überdacht werden müssen laut Prof. Bruckmann mehrere Schritte, angefangen bei der erforderlichen Vorkonfektionierung der Steinlieferungen, bei der Planung von Anfahrtswegen über die Baustelleneinrichtung bis hin zum Transport und Einsatz des Roboters auf der Baustelle – der gesamte Prozess muss durchgängig digitalisiert und konsistent sein. „Wenn dies von der Bauwirtschaft berücksichtigt und entsprechend umgesetzt wird, können Kosten dauerhaft reduziert und die Produktivität konsequent gesteigert werden“, so Prof. Tobias Bruckmann.
Neue Geschäftsmodelle mit Robotern auf Baustellen
Bis der Roboter allerdings Marktreife erreicht hat, muss sich die Baubranche noch ein wenig gedulden. „Damit ist in den nächsten zehn Jahren zu rechnen“, ist die Erwartung von Dr. Wolfgang Eden, wissenschaftlicher Leiter bei der Forschungsvereinigung Kalk-Sand e.V. „In dieser Zeit wird die fortschreitende Digitalisierung und Automatisierung einen erheblichen Wandel in der Bauwirtschaft bewirken. Viele kleinere Bauunternehmen werden sich spezialisieren und neue Geschäftsmodelle werden entstehen: die Vermietung von Robotern beispielsweise oder ein Wiedereinstieg der Hersteller in das Baugeschäft, indem sie zum Beispiel die Roboter und die vorkonfektionierten Steine zusammen liefern. Wir blicken daher sehr gespannt in Richtung Zukunft.“
Finanziell unterstützt und gefördert wird das Projekt über die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF) und über das Programm „Digitalisierung der Bauwirtschaft und innovatives Bauen“ vom Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen.
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