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Forschung und Entwicklung 01.07.2019, 00:00 Uhr

Faseroptische Messung von Dehnungs- und Temperaturfeldern

Faseroptische Messsysteme ermöglichen eine nahezu kontinuierliche Aufnahme von Dehnung und Temperatur entlang einer Messfaser. Zur Dehnungsmessung sollte die Faser mit einem Klebstoff direkt auf dem Bauteil appliziert werden, bei Temperaturmessungen in der Regel geschützt und verbundlos in Kapillaren geführt sein. Feldartige, zweidimensionale Aufnahmen entstehen entweder, wenn die Fasern kreuzweise gerastert angeordnet sind oder aus Interpolationen zwischen mehreren, nach den erwarteten Gradienten gestaffelten Fasern einer Verlegerichtung. Der Beitrag stellt die grundlegenden Messprinzipien der Faseroptik, erzielbare Genauigkeiten, geeignete Applikationen in Stahlbetonbauteilen und die feldartige Messung von Dehnungen oder Temperaturen vor. Beispiele der Dehnungsmessung an Ankerschienen und der Temperaturfeldaufnahme in einem Stahlbetonbalken zeigen die praktische Anwendung.

 

 

Foto: PantherMedia / newlight

1 Einleitung

Der Erfassung von Dehnungs- und Temperaturwerten kommt im Bauwerksmonitoring oder in der experimentellen Forschung wichtige Bedeutung zu. Güte und Dichte der Messergebnisse sind dabei entscheidend für die Auswertung und Interpretation des untersuchten Tragverhaltens. Faseroptische Messsysteme ermöglichen eine quasikontinuierliche Messpunktfolge entlang einer Messfaser mit einer Auflösung im Millimeterbereich. Im Gegensatz zu konventioneller Messtechnik (z. B. Dehnungsmessstreifen) sind damit auch Untersuchungen lokaler Phänomene möglich, ohne zuvor deren Ort exakt kennen zu müssen. Die Fasern lassen sich flexibel biegen, sodass sie linienartig, in Schlaufen oder in räumlichen Kurven nutzbar sind. So lassen sich Messwerte an Linien (1D), in Flächen (2D) oder auch Räumen (3D) direkt beziehungsweise durch Interpolationen bestimmen. Neben hochauflösenden Anwendungen mit Sensorlängen im Meterbereich sind auch Messungen über große Längen, zum Beispiel mehrere Kilometer, möglich. Entsprechende Systeme weisen zwar größere Messpunktabstände auf, eignen sich dafür aber beispielsweise für das Monitoring von Rohrleitungen im Kilometermaßstab [1].

Aufgrund der geringen Querschnittsabmessung lassen sich faseroptische Sensoren auf der Oberfläche, aber auch innerhalb von Bauteilen applizieren ohne makroskopische Verhaltensweisen wesentlich zu beeinflussen. Dabei sind sie vielfältig einsetzbar, da sie sowohl starken magnetischen Feldern, hohen Temperaturen als auch chemisch aggressiven Medien standhalten und daraus kaum relevante Beeinflussungen der Messungen auftreten.

Die Entwicklung faseroptischer Messsysteme ist eng verbunden mit dem Fortschritt der glasfaserbasierten Telekommunikationstechnik. Durch das Einschreiben von Faser-Bragg-Gittern in Glasfasern waren in den 1990er-Jahren erstmals verteilt messende Systeme kommerziell verfügbar [1]. Weitere Entwicklungen auf Basis der optischen Rückstreuung, die zunächst auf die Prüfung von Fasern ausgerichtet waren, führten dazu, dass heute auch Systeme mit quasikontinuierlicher Messpunktfolge zur Verfügung stehen. Zudem führte die rasche Entwicklung im Telekommunikationsbereich zu einer deutlichen Kostenreduktion, auch im vergleichsweise kleinen Segment der faseroptischen Messtechnik.

Im Beitrag werden die Grundlagen der faseroptischen Messung dargestellt und anschließend auf die quasikontinuierliche Messung eingegrenzt. Beispiele von feldweiser Temperatur- wie Dehnungsmessung zeigen die praktische Anwendung.

Lichtstreuung in faseroptischen Sensoren nach [5]

Bild 1. Lichtstreuung in faseroptischen Sensoren nach [5]

2 Grundlagen der faseroptischen Messung

2.1 Messprinzipien

Faseroptische Messsysteme erfassen Dehnungs- und Temperaturänderungen entlang einer Messfaser über die Auswertung von Rückstreusignalen eines emittierten Lichtstrahls. Je nach Messsystem werden unterschiedliche Rückstreusignale verwendet. Es wird zwischen Rayleigh-, Brillouin- und Raman-Rückstreuung unterschieden (Bild 1). Die spektralen Komponenten der Rückstreuungen resultieren aus der Interaktion des Lichtes mit der Glasfaser. Dabei ist die Rayleigh-Rückstreuung auf Schwankungen des Brechungsindexes infolge von Inhomogenitäten des Glasfaserkerns, wie Dichteschwankungen und Einschlüssen, zurückzuführen. Der Raman-Effekt entsteht durch thermisch-molekulare Schwingungen und die Brillouin-Rückstreuung durch Photonen-Phononen-Interaktionen [1], [2]. Die Komponenten des Rückstreusignals unterscheiden sich in ihrer Intensität und Frequenz. Die Intensität der Rayleigh-Rückstreuung ist nahezu unabhängig vom Temperatur- und Dehnungszustand der Faser [3]. Sie weist keine Frequenzverschiebung zum eingesendeten Lichtsignal auf und ist der stärkste Streuprozess [4]. Inelastische Streuprozesse wie die Brillouin- und Raman-Rückstreuung sind hingegen dadurch gekennzeichnet, dass die Frequenz des rückgestreuten Lichtes kleiner oder größer als die Frequenz des emittierten Lichtes ist. Der Frequenzversatz ist dabei materialabhängig. Die Intensität beider Komponenten ist abhängig von der Temperatur, die der Brillouin-Streuung zusätzlich von der Dehnung der Messfaser.

Klassifizierung faseroptischer Messsysteme nach [1]

Bild 2. Klassifizierung faseroptischer Messsysteme nach [1]

Den Eigenschaften der Rückstreukomponenten entsprechend, eignen sich die darauf basierenden Messverfahren für unterschiedliche Anwendungen. Ein Unterscheidungsmerkmal ist dabei die Ortsauflösung der jeweiligen Systeme, die von diskreten Punktsensoren bis zu einer quasikontinuierlichen Messpunktfolge reicht (Bild 2).

Verteilt messende Systeme, die auf der Raman- und Brillouin-Rückstreuung basieren, ermöglichen Temperatur- oder Dehnungsmessungen auf großen Längen von bis zu 50 km [1]. Sie eignen sich zum Beispiel für das Monitoring von Brücken, langen Rohrleitungen oder Deichen und können dort konventionelle Messtechniken ersetzen oder sinnvoll ergänzen [6], [7], [8]. Aufgrund der geringen Intensität des Rückstreusignals beträgt der minimale Messpunktabstand der Sensoren in diesen Fällen 1 m [1].

Quasikontinuierliche Messungen mittels Rayleigh-Rückstreuung eignen sich für vergleichsweise geringe Strecken bis zu 100 m [9], ermöglichen allerdings eine Messpunktfolge im Millimeterbereich. Sie bieten sich für Messungen an vergleichsweise kleinen Prüfkörpern und Detailuntersuchungen wie Spannungslokalisierungen an.

2.2 Sensorfasern

Übliche Glasfasern für faseroptische Messungen bestehen aus einem inneren Kern (Core) als Lichtwellenleiter, einem Mantel (Cladding) sowie einer äußeren Beschichtung (Coating). Der innere Kern sowie der Mantel bestehen zumeist aus SiO2-Glas (Quarzglas) und unterscheiden sich in ihrem Brechungsindex [4]. Die Bruchdehnung solcher Fasern liegt bei circa 2 % bis 5 % [5]. Ohne eine äußere Beschichtung ist die Faser aufgrund der zu hohen Bruchgefahr kaum nutzbar. Die zum Schutz aufgetragene Beschichtung kann der Anwendung angepasst werden und besteht üblicherweise aus Kunststoffen wie Polyimid oder Acryl beziehungsweise Gold für den Einsatz bei hohen Temperaturen. Derart beschichtete Fasern eignen sich aber nur für den Einsatz unter Laborbedingungen. Zusätzliche Kabelmäntel, je nach Anforderung auch stahlbewehrt, ermöglichen den Einsatz in der Praxis, zum Beispiel der Geotechnik [10]. Robust ausgeführte Faserkabel können auch direkt in eine Betonmatrix eingebettet werden, um die Dehnung direkt im Betonbauteil zu erfassen [2], [11].

 

Der vollständige Beitrag ist erschienen in:

Bauingenieur 7./8.2019, Seite 292-300

 

Literatur

[1] Künzel, A.: Parameteridentifikation auf Basis faseroptisch gemessener quasikontinuierlicher Dehnungssignale. Berlin, Technische Universität, Dissertation, 2016.

[2] Henault, J.-M.; Salin, J.; Moreau, G. et al.: Qualification of a truly distributed fiber optic technique for strain and temperature measurements in concrete structures. AMP 2010 – International Workshop on ageing management of nuclear power plants and waste disposal structures, Toronto, Kanada, 2011.

[3] Engelbrecht, R.: Fiber Optic Strain and Temperature Sensing: Overview of Principles. In: AMA Conferences – Proceedings Sensor 2017, Nürnberg, 2017.

[4] Engelbrecht, R.: Nichtlineare Faseroptik – Grundlagen und Anwendungsbeispiele. Springer Verlag, Berlin, 2014.

[5] Peters, K. J.; Inaudi, D.: Fiber optic sensors for assessing and monitoring civil infrastructures. In: Wang, M. L.; Lynch, J. P. (eds.): Sensor Technologies for Civil Infrastructures, Bd. 1, Woodhead Publishing Limited, 2014, pp. 121-158.

[6] Sanio, D.; Ahrens, M. A.; Rode, S. et al.: Untersuchung einer 50 Jahre alten Spannbetonbrücke zur Genauigkeitssteigerung von Lebensdauerprognosen. In: Beton- und Stahlbetonbau 109 (2014), Heft 2, S. 128-137.

[7] Sanio, D.; Löschmann, J.; Mark, P. et al.: Bauwerksmessungen versus Rechenkonzepte zur Beurteilung von Spannstahlermüdung in Betonbrücken. In: Bautechnik 95 (2018), Heft 2, S. 99-110.

[8] Ahrens, M. A.; Mark, P.: Lebensdauersimulation von Betontragwerken – Stochastische Strukturberechnung über die Zeit am Beispiel einer gealterten Bogenbrücke. In: Beton- und Stahlbetonbau 106 (2011), Heft 4, S. 220-230.

[9] Henault, J.-M.; Quiertant, M.; Delepine-Lesoille, S. et al.: Quantitative strain measurement and crack detection in RC structures using a truly distributed fiber optic sensing system. In: Construction and Building Materials, Vol. 37 (2012), pp. 916-923.

[10] Kindler, A.; Großwig, S.: Distributed Strain Sensing in der Geotechnik – Empfehlungen für ortsverteilte faseroptische Dehnungsmessungen in der Geotechnik. In: Bautechnik 95 (2018), Heft 5, S. 385-393.

[11] Fischer, O.; Thoma, S.; Crepaz, S.: Quasikontinuierliche faseroptische Dehnungsmessung zur Rissdetektion in Betonkonstruktionen. In: Beton- und Stahlbetonbau 114 (2019), Heft 3, S. 150-159.

[12] Luna Innovations Inc.: Datenblatt: High-Definition Fiber Optic Strain Sensors, http://lunainc.com/wpcontent/uploads/2016/10/Sensors_DataSheet_Template_final_092216.pdf [Zugriff am 18.12.2018].

[13] Speck, K.; Vogdt, F.; Curbach, M. et al.: Faseroptische Sensoren zur kontinuierlichen Dehnungsmessung im Beton. In: Beton- und Stahlbetonbau 114 (2019), Heft 3, S. 160-167.

[14] Schmidt-Thrö, G.; Scheufler, W.; Fischer, O.: Kontinuierliche faseroptische Dehnungsmessung im Stahlbetonbau. In: Beton- und Stahlbetonbau 111 (2016), Heft 8, S. 496-504.

[15] Billon, A.; Henault, J.-M.; Quiertant, M. et al.: Qualification of a distributed optical fiber sensor bonded to the surface of a concrete structure: a methodology to obtain quantitative strain measurements. In: Smart Materials and Structures, Vol. 24 (2015), Iss. 11, p. 13.

[16] Brault, A.; Hoult, N.: Monitoring Reinforced Concrete Serviceability Performance Using Fiber Optic Sensors. In: ACI Structural Journal, Vol. 116 (2019), Iss. 1, pp. 57–70.

[17] Bathe, K.-J.: Finite Element Procedures. Prentice-Hall, New Jersey, 1996.

[18] Bocklenberg, L.; Winkler, K.; Mark, P. et al.: Low Friction Sliding Planes of Greased PTFE for High Contact Pressure. In: Open Journal of Civil Engineering, Vol. 6 (2016), Iss. 2, pp. 105-116.

[19] Haefliger, S.; Mata-Falcon, J.; Kaufmann, W.: Application of distributed optical measurements to structural concrete experiments. SMAR 2017 – Fourth Conference on Smart Monitoring, Assessment and Rehabilitation of Civil Structures, Zürich, 2017.

[20] Samiec, D.: Verteilte faseroptische Temperatur- und Dehnungsmessung mit sehr hoher Ortsauflösung. In: Photonik (2011), Heft 6, S. 34-37.

[21] Konertz, D.; Mahrenholtz, C.; Mark, P.: Ankerschienen unter räumlicher Belastung – Experimente zur Horizontallastinteraktion. In: Breit, W. (Hrsg.): Beiträge zur 5. DAfStb-Jahrestagung mit 58. Forschungskolloquium, Bd. II, Kaiserslautern, 2017, S. 189-200.

[22] Konertz, D.; Kocur, G.K.; Clauß, F. et al.: Anchor Channels under 3D-Load Interaction – New Approaches to Load Distribution and Design. fib Symposium 2019 – Innovations in Materials, Design and Structures, Krakau, 2019. [Im Druck]

[23] Sanio, D.; Mark, P.; Ahrens, M. A.: Temperaturfeldberechnung für Brücken – Umsetzung mit Tabellenkalkulationen. In: Beton- und Stahlbetonbau 112 (2017), Heft 2, S. 85-95.

[24] Heek, P.; Tkocz, J.; Mark, P.: A thermo-mechanical model for SFRC beams or slabs at elevated temperatures. In: Materials and Structures, Vol. 51 (2018), Iss. 4, pp. 1-16.

Von Dustin Konertz, M. Sc., Jens Löschmann, M. Sc.,Felix Clauß, M. Sc. und Prof. Dr.-Ing. habil. Peter Mark

Dustin Konertz, M. Sc. dustin.konertz@rub.de

Jens Löschmann, M. Sc. jens.loeschmann@rub.de

Felix Clauß, M. Sc. felix.clauss@rub.de

Prof. Dr.-Ing. habil. Peter Mark peter.mark@rub.deRuhr-Universität Bochum, Lehrstuhl für Massivbau Fakultät für Bau- und Umweltingenieurwissenschaften Universitätsstraße 150, 44801 Bochum