FE-Simulation zur Tragwerksoptimierung
FE-Simulationen leisten einen Beitrag zur wirtschaftlichen Planung von Bauprojekten. Aus diesem Grund setzten die Tragwerksplaner eine Simulation bei der freitragenden Korkenzieherwendeltreppe des Photovoltaik-Forschungszentrums in Berlin ein.
Die Ingenieure von ahw nutzen die Finite-Elemente-Simulation zum Erstellen digitaler Prototypen von Großprojekten. Zudem setzten sie bei der Simulation eine Technologie aus der Luft- und Raumfahrtindustrie ein. Dabei wird das Tragwerk vollständig simuliert und es ist möglich, sämtliche geometrische und physikalische Parameter bei beliebigen Kraft- und Temperaturbeanspruchungen zu ändern. Der virtuelle Prototyp zeigt dadurch Wege für wirtschaftliche Lösungen auf, bevor diese gebaut werden.
Photovoltaik-Forschungszentrum entwickelt
Beim Neubau des Forschungszentrums für Photovoltaik am Berliner Adlershof, entworfen und geplant vom Architekturbüro HENN, setzten die Ingenieure in der Planung die FE-Simulation ein. Auf einer Bruttogrundfläche von 13.000 Quadratmetern entstand im Auftrag des Bauherrn WISTA Management, Berlin, ein multifunktionales Gebäude für Unternehmen der Photovoltaik-Branche sowie Firmen im Umfeld der erneuerbaren Energien. Das Gebäude wurde als Fünfeck konzipiert und besteht aus Erdgeschoss und drei Obergeschossen. Hinzu kommt ein Kellerbereich für Technikräume. Das Foyer des Forschungszentrums ist mit einer freitragenden Korkenzieherwendeltreppe über drei Geschosse geplant. Als energieeffizient realisiertes und genutztes Gebäude erhielt das Forschungszentrum das Zertifikat Silber der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (DGNB).
Brechnung der Korkenzieherwendeltreppe
Das Gelände wurde im Zuge der Schaffung von Gewerbeflächen neu erschlossen. Die Gründung der nicht unterkellerten Bereiche ist als Flachgründung mit Einzel- und Streifenfundamenten ausgeführt. Für den unterkellerten Bereich wurde eine elastisch gebettete Bodenplatte verwendet. Geschossdecken sind im Wesentlichen als Flachdecken ausgebildet. Gelagert werden diese auf Stützen und Randunterzüge. Im Hallenbereich sind die Decken liniengelagert auf Stahlbetonbalken. TT-Platten überspannen die einzelnen Module in den Innenhöfen. Außenwände sowie tragende Innenwände wurden in Stahlbeton errichtet. Nicht tragende Innenwände im Untergeschoss sind teilweise in Mauerwerk gebaut. Alle tragenden Stützen sind als Stahlbetonstützen ausgebildet. Der teilweise unterkellerte Bereich wurde als Weiße Wanne ausgeführt. Die Treppenläufe im Gebäude sind als Fertigteile mit einer Anschlussbewehrung für die Ortbetonpodeste realisiert, sodass die Stahlbeton-Treppenläufe und –podeste in den Fluchttreppenhäusern monolithisch miteinander verbunden sind. Das Treppenhaus 5 besteht aus einer Stahlkonstruktion. Die allgemeine Erschließung erfolgte über die massive freitragende Wendeltreppe im Foyer. Die Aussteifung des gesamten Gebäudes haben die Ingenieure über die Stahlbetonwandscheiben und Stahlbetondeckenscheiben realisiert.
Schalentragwerk aus Stahlbeton
Die freitragende Wendeltreppe stellt im gesamten Gebäude die statisch anspruchsvollste Konstruktion dar. Das räumlich gekrümmte Schalentragwerk aus Stahlbeton, bestehend aus Treppenläufen, Podesten und Brüstungen trägt die Lasten vor allem über die freitragenden Innen- und Außenbrüstungen und die Treppenplatte in die Gründung ab. Anteilig werden auch Lasten über die Verbindung mit den Geschossdecken in die lastabtragenden Bauteile in den Gebäudeachsen 8 und 9 geleitet.
Die Podeste sind mit den Deckenplatten monolithisch verbunden. Im Erdgeschoss und im 1. Obergeschoss wurde die Decke bis zur angrenzenden Wand modelliert. Die Einspannung der Decke in das benachbarte Deckenfeld und die Wand ist elastisch erfasst. Im 2. Obergeschoss liegt ein abweichendes Tragsystem vor, wobei die Auflagerung des Podests über eine elastische Lagerung erfolgt.
Software für komplexe Geometrien
Eine detaillierte Untersuchung für die Statik der Wendeltreppe nahmen die Bauingenieure mit der FEM-Software TRIMAS von RIB vor. Dadurch konnten die Geometrien direkt aus dem FEM-System der Software generiert werden. Es ist nicht erforderlich, die einzelnen Punkte des CAD-Modells aus der Architektur zu übernehmen. Mit den CAD-spezifischen dwg- oder dxf-Dateien könnten unerwartete Knicke in den Flächen entstehen. Durch die FEM-Software erhalten die Planer eine glatte Geometrie. Bei den doppelt gekrümmten Treppenläufen sind finite Elementansätze von Relevanz. Durch die quadratischen Ansatzfunktionen wird die Abbildung der Geometrie und des mechanischen Tragverhaltens über die Verwendung der Schalennormalen auch für diese helixförmige Struktur korrekt erfasst.
Isoparametrischen Vernetzung
Für das Forschungszentrum berechnen die Ingenieure zum ersten Mal eine freitragende Wendeltreppe mit der Software. Hier arbeiteten sie mit sogenannten isoparametrisch vernetzbaren Flächen für die Generierung eines doppelt gekrümmten FE-Netzes, welche für die Innen- und Außenbrüstung der Treppe und die Treppenläufe verwendet werden. Die Software bietet die Möglichkeit einer individuellen grafischen Eingabe.
Der Abschluss der Ingenieurarbeit ist dann die konstruktive Durchbildung der Wendeltreppe im Bewehrungsplan. Dort gilt es, die ermittelte Bewehrung so einzulegen, dass die Geometrie mit allen Anschlüssen auch über die einzelnen Betonierabschnitte hinweg vor Ort einwandfrei und effizient verlegt werden kann.
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Für den Neubau des Zentrums für Photovoltaik und erneuerbare Energien setzten die Planer komplexe Geometrien um. Abb.: Architekturbüro HENN
Die freitragende Wendeltreppe dient als Blickfang. Abb.: Architekturbüro HENN
Genaue mechanische Formulierung für doppelt gekrümmte Schalen. Abb.: ahw Ingenieure GmbH
Bewehrungsauszug für eine anspruchsvolle Geometrie. Abb.: ahw Ingenieure GmbH
Verlegung der Bewehrung, Verformung Gesamtsystem. Abb.: ahw Ingenieure GmbH