Geokunststoffbewehrte Arbeitsplattformen
Unterschiedliche Variablen beeinflussen die Ableitung der Zugkräfte der Bewehrung in den Baugrund beim Erstellen von Arbeitsplattformen. Verschiedene Bemessungsverfahren führen dabei zu unterschiedlichen Ergebnissen.
Die Bemessung der Geokunststoffbewehrung zur Errichtung einer wirtschaftlichen und grundbruchsicheren Kranstellfläche ist bei weichem Baugrund anspruchsvoll. Die Randbedingungen drücken sich in hohen und schnell aufgebrachten Lasten, unterschiedlichen Lastkombinationen aber oftmals nur geringen Tragfähigkeiten und hoher Kompressibilität des Baugrundes aus. In der Fachliteratur sind verschiedene Bemessungsverfahren zu finden, die teilweise unterschiedliche Bemessungsergebnisse liefern.
Eine auf dem weichen Baugrund unterhalb der Tragschicht verlegte Bewehrung erhöht die Tragfähigkeit der Kranstellfläche durch Aufnahme der Spreizspannungen in der Tragschicht. Dadurch wird die Spannungsverteilung verbessert und die vertikalen Spannungen infolge der Verkehrslast in der Verlegebene der Bewehrung verringert. Standsicherheit gegen Grundbruch wird somit erhöht und Setzungen reduziert. Die Ableitung der Zugkräfte der Bewehrung in den Baugrund ist durch folgende Variablen beeinflusst:
- Reibungsverhalten durch mikroskopische Verzahnung der Bodenpartikel mit der Oberfläche des Gitters,
- Verzahnung der Bodenpartikeln mit den Materialsträngen des Geogitters (Interlocking),
- Anpassungsfähigkeit der Geogitterstränge an die Unebenheiten des Bodens.
Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass aufgrund der Anpassungsfähigkeit an die Unebenheiten des Bodens gewebte und geraschelte Geogitter aus Multifilamenten eine bessere Performance unter zyklischer Belastung aufweisen als Geogitter mit weniger flexiblen Strängen [6]. Ähnlich ist es mit dem Verbundverhalten [5].
SVG-Verfahren
Nach [1] darf zur Ermittlung der Spannungsverteilung aus Verkehrslasten auf dem weichen Baugrund ein maximaler Lastausbreitungswinkel zwischen j und d = 45 + j/3 für eine bewehrte Tragschicht angenommen werden. Durch die Abnahme der Spannung in der fiktiven Ersatzdruckfläche wird die Sicherheit gegen Grundbruch erhöht und erwartete Setzungen reduziert.
BRE-Rechenverfahren
Bei dem BRE-Verfahren [2] werden neben den Schnittkräften innerhalb der Tragschicht entlang der Durchstanzfläche zusätzliche Widerstandskräfte der Geokunststoffbewehrung bei der Bemessung der Kranstellfläche berücksichtigt. Aus den am Fundamentrand hervorgerufenen Setzungsunterschieden resultieren vertikale Zugkräfte in der Geokunststoffbewehrung. Der Gesamtwiderstand gegen Grundbruch ergibt sich damit aus der Summe der oben genannten Kräfte und der Widerstandskraft des weichen Baugrunds. Die bewehrte Tragschicht darf ohne Berücksichtigung der Bewehrung eine Mindesttragfähigkeit für beide im Verfahren erwähnte Belastungsfälle nicht unterschreiten. Damit wird auch ohne Bewehrung eine minimale Grundbruchsicherheit gewährleistet.
Bewehrtes Gründungspolster nach EBGEO
Da sich die EBGEO [3] für diesen Anwendungsbereich derzeit in Überarbeitung befindet, wird darauf nur grob eingegangen. Die Grundbruchsicherheit des bewehrten Gründungspolsters wird analog zu DIN 4017 berechnet. Zur Erfassung des Bruchflächenverlaufs im inhomogenen Baugrund werden Korrekturfaktoren eingeführt. Zusätzlich zur Tragkraft erhöhenden Wirkung der verdichteten Tragschicht ergeben sich Widerstände aus den Geokunststoffeinlagen. Der Gesamtwiderstand gegen Grundbruch ergibt sich aus den Scherkräften der Tragschicht, des Weichbodens sowie den Zugkräften der Bewehrungen. Die Setzungsberechnung kann gemäß DIN 4019 durchgeführt werden.
Nachweis der Tragfähigkeit nach DIN 4084
Gemäß DIN 4017 kann der Nachweis der Grundbruchsicherheit mit den Verfahren nach DIN 4084 geführt werden, wenn bei einem geschichteten Untergrund die Reibungswinkel der Einzelschichten um mehr als fünf Grad vom arithmetischen Mittel abweichen. Die erforderliche Festigkeit der Geokunststoffbewehrung kann beim Einsatz dieses Rechenverfahrens ermittelt werden, indem die Bewehrung als rückhaltende Kraft berücksichtigt wird. Abhängig vom Bruchmechanismus kann entweder das Rechenverfahren nach BISHOP oder zum Beispiel das Blockgleitverfahren eingesetzt werden [4]. Es ist auch möglich, die erforderliche Bemessungszugkraft in Abhängigkeit von der Bauphase sowie vom Konsolidierungsverhältnis zu ermitteln.
Gegenüberstellung der Rechenverfahren
Beim SVG-Rechenverfahren wird das Geogitter indirekt über die Definition einer Mindestdehnsteifigkeit berücksichtigt. Da eine große Setzung zur Auflockerung des Tragschichtmaterials und demzufolge zur Verringerung des Reibungswinkels führt, eignet sich das Verfahren nur bei geringen zu erwartenden Setzungen sowie bei ausreichender Tragschichtdicke und Steifigkeit. Nach Ermittlung der reduzierten Spannung in der Geokunststoffebene kann wie üblich der Grundbruch nach DIN 4017 gerechnet werden.
Das BRE-Verfahren ist das einzige Verfahren, das speziell für Dimensionierungen von Kranstellflächen entwickelt wurde. Es wird eingesetzt, wenn der Baugrund steife bis weiche Konsistenz aufweist. Die Form des Bruchkörpers (Durchstanzen) wird beim BRE-Verfahren stark vereinfacht. Das Verfahren sieht jedoch keine detaillierte Setzungsberechnung vor, da spezielle Sicherheitsfaktoren für zwei Belastungsfälle eingeführt werden. Zur Ermittlung der notwendigen Verankerungslängen fehlen Berechnungshinweise. Das BRE-Verfahren unterscheidet sich gegenüber [3] und [4] ferner durch das zugrunde liegende Sicherheitskonzept. Im Gegensatz zu [3] werden hier die Abminderungsfaktoren A1 bis A5 (gemäß EBGEO) nicht explizit berücksichtigt. Stattdessen wurde ein globaler Abminderungsfaktor von 2 eingesetzt. Dagegen fehlen gegenüber [3] Empfehlungen zu Anzahl der Bewehrungslagen, deren Anordnung und erforderliche Mindestlängen. Die Rechenverfahren [3] und [4] liefern im Vergleich mit [2] konservative Ergebnisse für die Bewehrung.
Empfehlungen
Aufgrund fehlender Normen zur Bemessung von Kranstellflächen unter Berücksichtigung von Geokunststoffen werden einige Hinweise zur Vorgehensweise unterbreitet.
Das SVG-Verfahren sollte eingesetzt werden, wenn keine großen Setzungen zu erwarten sind und eine ausreichend steife Tragschicht unterstellt werden kann.
Für die Anwendung des BRE-Verfahrens stellen die Konsistenzgrenzen des Untergrundes die einzigen Anwendungsbeschränkungen dar. Für die Wahl der Geokunststoffbewehrung ist jedoch im Einzelfall zu überprüfen, ob der implementierte Abminderungsfaktor von 2 für die Bestimmung der Bemessungsfestigkeit ausreichend ist.
Das EBGEO-Verfahren eignet sich eher für Gründungspolster bei statischen Lasteinwirkungen. Daher sind die Ergebnisse im Vergleich zum BRE-Verfahren eher konservativ.
Eine Bemessung nach DIN 4084 ist für die Kontrolle der Böschungsbereiche einer Kranstellfläche zu empfehlen, insbesondere für die Definition von Mindestabständen zwischen Lastansatzpunkt und Böschungsrand.
Ferner sollten die üblichen Nachweise zur Gleitsicherheit, der Lage der Resultierenden gemäß DIN 1054 sowie speziell bei Weichschichten auch der Nachweis gegen Ausquetschen gemäß EBGEO in Betracht gezogen werden.
Zusätzlich zu den Bemessungsansätzen im Rahmen der angesprochenen Verfahren wird empfohlen, den angenommenen Bruchmechanismus durch Einsatz nummerischer Verfahren wie FEM zu verifizieren. Weiterhin liefern Zeitsetzungsanalysen für die Standzeit des Kranes wichtige Anhaltspunkte für die Beurteilung und der Gebrauchstauglichkeit der Tragschicht während des Bauprozesses.
www.huesker.de
Literatur
[1] Rüegger, R.; Hufenus, R.: Bauen mit Geokunststoffen. Ein Handbuch für den Geokunststoff-Anwender. Schweizer Verband für Geokunststoffe, St. Gallen, 2003.
[2] Skinner, H.: Working platforms for tracked plant, good practice guide to the design, installation, maintenance and repair of ground-supported platforms. BRE Electronic Publications, Watford, 2004
[3] Deutsche Gesellschaft für Geotechnik e.V. (Hrsg.): Empfehlungen für den Entwurf und die Berechnung von Erdkörper mit Bewehrungen aus Geokunststoffen (EBGEO). 2. Auflage, Ernst & Sohn, Berlin, 2010.
[4] DIN 4084, Baugrund- Geländebruchberechnung, Beuth Verlag, 2009
[5] Meyer, N.: Durchführung von großmaßstäblichen statischen Herausziehversuchen. TU Claustal, Institut für Geotechnik und Markscheidewesen, 2008.
[6] Lackner, C.: Prestressed reinforced soil concept, investigations and recommendations. TU Graz, PhD thesis, 2012.
Dr.-Ing. Adham Sarhan, Huesker Synthetic GmbH