Getemperte Tone als Klinkerersatz im Zement
In Oberbayern wird jetzt an einer CO2-Einsparung bei der Zementherstellung getüftelt. Dazu soll der aus Kalkstein und Mergel gewonnene Zementklinker durch getemperte Tone ersetzt werden. Aber auch an einer umweltfreundlichen Energiebereitstellung sowie an einem baldigen Produktivgang wird gearbeitet.
Der oberbayerische Baustoffhersteller Rohrdorfer Zement startet jetzt mit seinem Net Zero Emission-Team ein Pilotprojekt, um die prozessintegrierte Herstellung getemperter Tone zu untersuchen. Hierzu wird im Zementwerk in Rohrdorf eine Pilotanlage entwickelt, die in den Werksbetrieb integriert werden soll. Ziel jedoch ist es, ein Verfahren zu entwickeln, das auf andere Zementwerke übertragbar ist und von der gesamten Industrie adaptiert werden kann. Das Projekt wird zu 50 Prozent vom Bundesministerium für Wirtschaft- und Klimaschutz (BMWK) und der Europäischen Union im Rahmen des Programmes „NextGenerationEU” gefördert.
Eine zukunftsweisende Alternative zu herkömmlichen Bindemitteln
Damit Zement CO2-neutral produziert werden kann, müssen sowohl dessen Herstellungsschritte als auch die Inhaltsstoffe dekarbonisiert werden. Ein wichtiger Hebel bei diesem Prozess ist der teilweise Ersatz des Zementklinkers mit CO2-armen oder CO2-freien Alternativen. Darunter fallen zum Beispiel mineralische Komponenten wie Tone. Deren bindende Eigenschaften müssen durch eine thermische Behandlung („tempern“) aktiviert werden. Aufgrund des geringen Kalkgehaltes im Rohton wird beim Tempern vergleichsweise wenig CO2 freigesetzt.
Ein Meilenstein für die gesamte Zementindustrie
In einer Pilotanlage soll das Tempern mit einem Flash-Calzinator nun getestet werden. Auch die Integration in ein aktives Zementwerk ist ein Meilenstein: Bisherige Versuchsanlagen waren bislang laut Rohrdorfer Zement als Stand-Alone-Anlage vom Zementherstellungsprozess abgekoppelt. Gelingt die Integration, erwartet das Unternehmen eine zügige Verbreitung der Technologie in der gesamten Zementindustrie. Aufgrund des hohen Innovationspotenzials erhält das Projekt vom BMWK und der Europäischen Union eine Förderung von bis zu 8,65 Mio. Euro.
Weitere CO2-Einsparung durch umweltfreundliche Energieträger
Um den Primärenergiebedarf zur thermischen Behandlung der Tone zu reduzieren, soll außerdem die vorhandene Abwärme aus der Klinker-Produktion genutzt werden. Für die weitere Wärmemenge wird unter anderem die Verwendung von Wasserstoff als zukunftsfähigem Energieträger ins Visier genommen. Die beim Betrieb entstehenden Abgase werden nach Verlassen der Pilotanlage gereinigt und in den Produktionsprozess rückgeführt. Es entstehen damit keine zusätzlichen Emissionen.
CO2– Einsparungen von 16 – 18 Prozent möglich
Nach erfolgreicher Erprobung soll eine Großanlage und damit ein signifikanter Rückgang des Klinker-/Zementfaktors realisiert werden. Bei gleichbleibendem Energiemix sind CO2– Einsparungen von 16 – 18 Prozent möglich. Sollte die Energiebereitstellung CO2-frei erfolgen, können mit der Großanlage bis zu 30 Prozent der CO2-Emissionen eingespart werden, gibt der Baustoffhersteller bekannt. Dr. Helmut Leibinger, Leiter des Rohrdorfer Net Zero Emission-Teams, freut sich schon jetzt: „Getemperte Tone tragen als Zementbestandteil wesentlich zur Vermeidung von CO2 bei. Mit dem Pilotprojekt zur prozessintegrierten Herstellung von getemperten Tonen werden wir in unserer Dekarbonisierungs-Roadmap nicht nur einen Schritt, sondern einen Sprung machen.“
Forschungsprojekt läuft bis Ende 2026
Das Jahr 2024 werde von der Planung des Pilotprojektes und zahlreichen Prozesssimulationen geprägt sein. Die Inbetriebnahme der Pilotanlage ist für das Frühjahr 2025 geplant. Ende 2026 soll das Projekt dann abgeschlossen sein.