Hanf, Flachs und Popcorngranulat als Baustoff
Bezahlbarer Wohnraum aus umweltschonendem und CO2-neutralem Baumaterial: Wissenschaftler haben ein Verfahren entwickelt, mit dem sich Paneele aus Hanf, Flachs und Popcorngranulat herstellen lassen.
Großer Vorteil dieses Granulats, das aus „technischem“ Mais gewonnen wird, der auch als Zusatzstoff bei der Papier- oder Farbherstellung etc. genutzt wird: Es handelt sich nach Angaben der Georg-August-Universität Göttingen, an der das Herstellungsverfahren entwickelt wurde, um eine biobasierte, umweltschonende und nachhaltige Alternative zu den bisher in der Industrie verwendeten Produkten auf Erdölbasis oder Gips. Das Material besitze hervorragende Dämmeigenschaften und biete guten Brandschutz. Über die kommerzielle Nutzung hat die Universität Göttingen einen weltweiten exklusiven Lizenzvertrag mit dem Unternehmen Smarter Habitat abgeschlossen.
Verbundwerkstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen
Nachhaltiges Bauen ist in Anbetracht von Wohnraummangel, steigenden Baupreisen und der hohen Luftverschmutzung durch Zementherstellung und Bauwirtschaft ein zentrales internationales Thema. Speziell im Trockenbau dominiert die Anwendung von Gipskartonplatten mit all ihren Nachteilen: Schmutz beim Einbau, Probleme mit Feuchtigkeit, keine Möglichkeit der Wiederverwertung und aufwendige Entsorgung als Bauschutt.
Die Arbeitsgruppe „Chemie und Verfahrenstechnik von Verbundwerkstoffen“ an der Fakultät für Forstwissenschaften und Waldökologie der Universität Göttingen forscht schon seit Jahren im Bereich nachwachsender Rohstoffe. Als Verbundwerkstoff mit Laminaten aus Hanf und Flachs soll der bisher für Paneele benutzte Polyurethan-Schaum (PU-Schaum) künftig durch das nachhaltige und leistungsfähige Produkt aus Popcorn ersetzt werden. Smarter Habitat möchte damit Paneele für den Trockenbau und weitere Anwendungen bis hin zu tragenden Außenwänden herstellen und unter dem Namen „Ecohab“ vertreiben. Neben den guten physikalischen Eigenschaften ist das Material wiederverwendbar, recyclebar und kompostierbar.
„Mit diesem neuen, an die Kunststoffindustrie angelehnten Verfahren lassen sich nunmehr mit reinen Naturprodukten kosteneffizient Paneele für viele Bereich des Bauens im Industriemaßstab herstellen“, erklärt der Leiter der Forschungsgruppe, Prof. Dr. Alireza Kharazipour.
Datty Ruth, Gründer und CEO der Smarter Habitat ergänzt: „Wir werden unsere gesamte Kreativität einsetzen, um mit diesem zirkulären Material einen dringend benötigten Paradigmenwechsel in der Bauindustrie anzustoßen.“
Vermittlung durch Patentverwertungsagentur
Den Lizenzvertrag zwischen Universität und Smarter Habitat hat die MBM ScienceBridge GmbH vermittelt, eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Georg-August-Universität Göttingen Stiftung Öffentlichen Rechts. Die Patentverwertungsagentur agiert für insgesamt neun niedersächsische Hochschulen und wissenschaftliche Einrichtungen: Sie prüft wissenschaftliche Erfindungen auf die Möglichkeit einer Patentanmeldung und auf wirtschaftliches Potenzial. Anschließend kümmert sie sich um die weltweite Vermarktung sowie die Verhandlung, Betreuung und Überwachung von Lizenzverträgen. Das aktuelle Portfolio enthält Projekte aus der Biomedizin, Medizintechnik, Messtechnik, Chemie, Physik und den Forst- sowie Agrarwissenschaften.