Mit kosmischen Teilchenschauern Bauwerke und Produktionsanlagen durchleuchten
Unaufhörlich fliegen energiereiche kosmische Teilchen auf die Erde, die mehrere Meter Stahl oder Beton mühelos durchdringen und dazu genutzt werden könnten, um mehr über das Innere von Bauten oder industriellen Anlagen zu erfahren.
Sogenannte Myonen, die aus den Tiefen des Kosmos stammen, können mühelos mehrere Meter Stahl oder Beton durchdringen. Tomografie-Fachleute am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) wollen diese unvermeidbare Umgebungsstrahlung nutzen, um in das Innere von Bauwerken oder industrieller Anlagen zu blicken.
Myonen-Tomografie: an der Cheops-Pyramide erfolgreich erprobt
Für eine zerstörungsfreie Zustandsüberwachung entwickeln sie einen großflächigen und hochauflösenden Myonen-Detektor, der kostengünstig sein soll. Damit könnte dieses noch eher aufwendige Bildgebungsverfahren in der Breite einsetzbar werden.
Dass die Methodik prinzipiell Aufschluss über das Innere von Bauwerken geben kann, ist spätestens klar, seit japanische Forschende im Jahr 2016 mithilfe von Myonen-Tomografie in der ägyptischen Cheops-Pyramide von Gizeh einen Hohlraum entdeckt haben, der später genauer lokalisiert und als mindestens fünf Meter große leere Kammer identifiziert werden konnte.
Monitoring von Bauwerken und Produktionsanlagen
Doch das Verfahren kommt bislang nur in Spezialfällen zum Einsatz, weil es relativ hohe Kosten mit sich bringt. Anwendungsfälle gäbe es jedoch genug. So weist etwa jede zehnte Brücke in Deutschland laut dem Bundesamt für Straßenwesen gravierende Mängel auf, weil beispielsweise Korrosion die Armierung im Beton angreift. Ebenso wie solche Brücken regelmäßig überprüft werden müssen, ist für die Industrie das ständige Monitoring von Produktionsanlagen unerlässlich – und zudem mit immensen Kosten verbunden.
Bei der Herstellung wichtiger Chemikalien oder anderer Stoffe müssen dann bis zu 50 Meter hohe Destillationskolonnen, große Stahlguss-Anlagen oder Drehrohr-Öfen für die Verbrennung von Rückständen stillstehen, um Anzeichen von Verschleiß entdecken zu können. „Theoretisch eignet sich die Myonen-Bildgebung für solche Anwendungsfälle ganz hervorragend“, ist Prof. Uwe Hampel überzeugt, der Abteilungsleiter im Institut für Fluiddynamik des HZDR und denkt dabei auch an den Zustand abgebrannter Brennelemente aus Kernreaktoren, die sich in den derzeit 17 Zwischenlagern in Deutschland in Lagerbehältern befinden.
Bilder aus dem Inneren großer Bauwerke und Industrieanlagen
Myonen sind Teil der kosmischen Strahlung. Die geladenen Teilchen sind äußerst energiereich und dringen tief in Materialien ein. Mithilfe hochauflösender Detektoren lassen sich deshalb dreidimensionale Bilder aus dem Inneren großer Bauwerke und Industrieanlagen gewinnen.
„Für das Monitoring sind die vorhandenen Detektortypen jedoch nicht robust genug und viel zu teuer“, erläutert der Experte für bildgebende Messverfahren in der Energie- und Verfahrenstechnik. Die aufwendige Fertigung einerseits und die Anzahl der Elektronik-Kanäle, die für hochauflösende Bilder nötig sind, treiben die Kosten in die Höhe.
Kniff für günstige und robuste Detektoren
Der Myonen-Bildgebung zum Durchbruch verhelfen sollen nun neue Ideen: Dazu zählen Detektorkonzepte mit einer speziellen Matrixstruktur für die Elektronik, die Hampels Team ursprünglich für einen patentierten Gittersensor entworfen hatte.
„Unsere Struktur zeichnet sich dadurch aus, dass wir in der Fläche hocheffizient Signale orten und weiterleiten können, um sie anschließend mit eigens entwickelten Algorithmen auszuwerten. Dieses Schema auf Myonen-Detektoren zu übertragen, ist uns bereits gelungen“, berichtet Uwe Hampel. Dank des durchdachten Adressierungsschemas lassen sich sowohl die Anzahl der Elektronik-Kanäle als auch die Kosten für die Detektoren drastisch reduzieren.
Detektor-Prinzipien im Vergleich
In dem mit einer halben Million Euro geförderten Projekt Mytos treten die Fachleute am HZDR nun an, verschiedene Detektor-Prinzipien vergleichend zu analysieren. Ihre Matrixstruktur eignet sich prinzipiell sowohl für die Drahtelektroden eines Gasionisationsdetektors als auch für die optischen Fasern eines Szintillationsdetektors.
„Insbesondere interessiert uns dabei, ob sich die Testdetektoren im industriellen Umfeld – also bei Temperaturschwankungen oder Vibrationen – als robust erweisen“, erklärt Hampel. Mit dem gewonnenen Wissen will er mit seinem Team einen Prototyp bauen und gemeinsam mit potenziellen Anwendern experimentell erproben. Mit im Boot sind das EWN Entsorgungswerk für Nuklearanlagen, die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung sowie die BASF.
Noch ist die Idee darauf beschränkt, Anlagen und Bauwerke mit modular aufgebauten, mobilen Detektoren in Intervallen zu überprüfen. Doch Uwe Hampel verfolgt eine Vision: „Wir wollen langfristig die Kosten für Sensoren und Messtechnik so weit senken, dass eine stationäre Langzeit-Überwachung möglich wird.“
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