Robotik: Ein Naturfasergebäude wächst automatisch
Im Botanischen Garten der Universität Freiburg entstand der „livMats Pavillon“ in Kooperation der Universitäten Freiburg und Stuttgart. Es ist ein Modell für nachhaltiges Bauen. Naturfasern sind der prägende Baustoff, die von einem Roboter in ihre Bauform gewickelt wurden.
Weniger Ressourcen zu verbrauchen und eine nachhaltige Entwicklung sind die Herausforderungen des Bauwesens. Um hier einen wichtigen Schritt zu gehen, sind neue ressourceneffiziente Ansätze für den Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen nötig. Hier setzt das gemeinsame Projekt eines Forscherteams der Universität Freiburg und Stuttgart an. Sie haben mit Masterstudierenden der Universität Stuttgart einen Leichtbau-Pavillon entworfen. Das Modell im Botanischen Garten der Universität Freiburg steht für eine nachhaltige, ressourceneffiziente Alternative zu konventionellen Bauweisen. Mit der Kombination von natürlichen Materialien und dem Einsatz digitaler Technologien wird am Pavillon deutlich, wie zukünftige Architektur aussehen wird. Robotisch gewickelte Flachsfasern bilden die tragende Struktur des Pavillons. Das Forscherteam hat sich damit für ein nachwachsendes und biologisch abbaubares Material entschieden. Wird die Naturfaser mit einem effizienten Leichtbau kombiniert, ist es möglich, den ökologischen Fußabdruck von Gebäuden zu reduzieren. Benannt haben sie den „livMatS Pavillon“ nach dem Freiburger Exzellenzcluster Living, Adaptive and Energy-autonomous Materials Systems (livMatS).
Robotischer Fertigung ermöglicht Bau mit Naturfasern
„Faserverbundwerkstoffe weisen ein hervorragendes Verhältnis von Festigkeit zu Gewicht auf“, erklärt Prof. Dr.-Ing. Jan Knippers, Institut für Tragkonstruktionen und Konstruktives Entwerfen (ITKE) und Co-Sprecher des Exzellenzclusters Integrative Computational Design and Construction for Architecture (IntCDC) der Universität Stuttgart. „Diese Eigenschaft bietet eine ausgezeichnete Basis für die Entwicklung innovativer, materialeffizienter Leichtbaustrukturen.“ Mit dem „livMatS Pavillon“ hat das Forscherteam die Entwicklung von neuen Baumaterialien um den Einsatz von Naturfasern erweitert. „Im Hinblick auf das computerbasierte Design, die Arbeitsabläufe der robotischen Fertigung sowie die Maschinensteuerung stellten die Naturfasern und ihre biologische Variabilität uns Forschende vor neue Herausforderungen“, sagt Prof. Achim Menges vom Institut für Computerbasiertes Entwerfen und Baufertigung (ICD) und Sprecher des Exzellenzclusters IntCDC der Universität Stuttgart. Ursprünglich waren diese Prozesse für die synthetischen und homogenen Materialien entwickelt wurden. Nun mussten diese auf die Materialeigenschaften der Flachsfasern übertragen werden. Dadurch war es möglich, die heterogenen Materialeigenschaften in Entwurf und Planung einzubeziehen.
Inspiration der Konstruktion aus der Natur
Die Natur war Vorbild für die Entwicklung des Pavillons. Die netzförmige Anordnung der Naturfasern und die kernlose Wicklung der Bauteile des Pavillons schaute sich das Forscherteam vom Saguaro-Kaktus (Carnegia gigantea) und Feigenkaktus (Opuntia sp.) ab. Die Holzstruktur der beiden Kakteen ist besonders. Ein zylinderförmiges Skelett ist für den Saguaro-Kaktus prägend, das im inneren hohl ist und somit besonders leicht. Die Holzstruktur ist netzartig angeordnet, wodurch das Skelett noch mehr Stabilität erhält. „Diese Struktur entsteht, indem die einzelnen Elemente miteinander verwachsen“, erläutert Prof. Dr. Thomas Speck, Direktor des Botanischen Gartens und Mitglied des Sprecherteams des Exzellenzclusters Living, Adaptive and Energy-autonomous Materials Systems (livMatS) der Universität Freiburg. „Das Gewebe der abgeflachten Seitentriebe des Feigenkaktus durchziehen ebenfalls vernetzte Holzfaserbündel, die in Schichten angeordnet und miteinander verbunden sind. Hierdurch zeichnet sich auch das Gewebe des Feigenkaktus durch eine besonders hohe Belastbarkeit aus.“ Diese Netzstrukturen hat sich das Forscherteam abgeschaut und in abstrahierter Form auf das Wickeln, das „coreless winding“ der Naturfasern übertragen und damit die mechanischen Eigenschaften der Tragelemente auf die Leichtbau-Tragelemente übermittelt. „Durch seine Beschaffenheit bietet der Pavillon selbst Anknüpfungspunkte, um Ähnlichkeiten und Unterschiede von biologischen und technischen Materialien zu verdeutlichen und aufzuzeigen, welche Möglichkeiten sich durch Bioinspiration beispielsweise in der Architektur aber auch in anderen Bereichen der Technik ergeben“, sagt Prof. Dr. Jürgen Rühe vom Institut für Mikrosystemtechnik der Universität Freiburg und Mitglied des Sprecherteams des Exzellenzclusters livMatS.
Die Konstruktion aus Naturfasern im Detail
15 Flachsfaserelemente bilden die tragende Struktur des Pavillons. Sie bestehen aus Naturfasern, die in einem kernlosen Faserwickelprozess robotisch vorgefertigt wurden. Den Mittelpunkt der Struktur bildet ein Faser-Schlussstein. Die einzelnen Elemente des Bauwerks erinnern mit ihrem filigranen Oberflächenbild an Fachwerkkonstruktionen und an die biologischen Vorbildstrukturen. Im Durchschnitt wiegen die einzelnen Elemente 105 Kilogramm und variieren in ihrer Gesamtlänge zwischen 4,50 bis 5,50 Metern. Die Faserkonstruktion hat eine Gesamtfläche von 46 Quadratmetern und wiegt insgesamt circa 1,5 Tonnen. Der Industriepartner des Projektes, FibR GmbH Stuttgart, hat die Konstruktion umgesetzt.
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