Tragfähigkeit erhöhen
Offene und weite Räume sind mit einem Tragwerk aus verzweigten Stützen möglich. Dabei ist der Tragwerksknoten als Verbindungsbauteil komplexen Kräften ausgesetzt. Eine neue Materialverbindung aus Faserverbundkunststoff (FVK) und Beton ermöglicht einen effizienten Lastabtrag.
Ein interdisziplinäres Forschungsteam an der Universität Stuttgart und dem Deutschen Institute für Textil- und Faserforschung (DITF) hat einen neuen Tragwerksknoten entwickelt. Er soll die bisherigen Einschränkungen beim Bau von weiten Räumen überwinden. Neben dem neuen Tragwerknoten entwickelten die Forscherinnen und Forscher auch das entsprechende Herstellungsverfahren. Das neue Verbundbauteil besitzt eine Hülle aus Faserverbundkunststoffen (FVK). Der Kern des Bauteils ist aus Beton. In Kooperation mit der Universität Freiburg entstand das neue Bauteil innerhalb des von der DFG geförderten Projekts TRR-141 „Biologisches Design und integrierte Strukturen“.
Hülle und Füllung verstärken die Vorteile
Hervorragende mechanische Eigenschaften weisen technische Fasern wie zum Beispiel Carbonfasern aus. Im Bauteil müssen diese Fasern präzise ausgerichtet und angeordnet sein, um die Eigenschaften optimal auszunutzen. Diese Ausrichtung kann durch ein weiterentwickeltes Flechtverfahren zur Herstellung des Textils für die FKV-Hülle umgesetzt werden. Betrachtet man die Herstellung eines verzweigten Knotenelements, erfolgt im ersten Schritt das Flechten der Hülle aus Carbonfasern. Dabei ist die Hülle gleichzeitig die Gussform, denn im zweiten Schritt wird der Beton in die FVK-Hülle eingefüllt. Somit entsteht eine Synergie zwischen Beton und Carbonfaser, was die Vorteile beider Baustoffe hervorhebt und für den Tragknoten genutzt wird. Die auftretenden Druckkräfte können durch die Betonfüllung abgetragen werden. Die FVK-Hülle nimmt die Zug- und Biegespannungen auf. Die Druckfestigkeit des Betons wird dann noch durch den mehraxialen Spannungszustand in der FVK-Hülle gesteigert. Durch diesen FVK-Beton-Tragknoten können verzweigte Formen und Geometrien entstehen. Der Tragwerksplanung wird damit neue Möglichkeiten gegeben.
Faserorientierung verleiht Stärke
Die Forscher Larissa Born und Florian Jonas nehmen sich die Biomechanik pflanzlicher Verzweigungen für die Entwicklung neuer Tragknoten zum Vorbild. Sie konnten zusammen mit der Plant Biomechanics Group (PBG) der Universität Freiburg die Prinzipien zur Konstruktion mit faserartigen Materialien entwickeln, indem sie die natürlichen Verzweigungskonstruktionen von Pflanzen untersuchten. Diese Analyse führte zu den Herstellungsverfahren für den Tragknoten. Die abgeleiteten Prinzipien von Faser und Faserorientierung für den effizienten Lastabtrag führten zu dem Flechtverfahren. Die Fasern werden mit einer Radialflechtmaschine geflochten. 216 Fäden erzeugen gleichzeitig ein 3D-Textil mit drei Faserrichtungen. Ein vorgeformter Flechtkern wird mehrmals durch die Mitte der Flechtmaschine hin und her bewegt. Als textiler Schlauch umhüllen die Fäden den Kern. Die dichte Hülle für den Beton bilden die Fäden, die in Umfangsrichtung der Kerngeometrie eingebracht werden. Sie verstärken durch ihre Lage als Umschnürung die Druckfestigkeit des Betons. Die Stehfäden in axialer Richtung übernehmen die Aufgabe für den Abtrag von Zugkräften bei Biegebelastungen.
Gestaltungsfreiheiten bei der Tragwerksplanung
Die Eigenschaften des Textils für den FVK können durch Materialwahl und Prozessparameter eingestellt werden. Komplexe und große Bauteile können durch veränderte Flechtwinkel, Fadenzahl und Größe des Flechtrings verändert werden. Es entsteht auf dem Flechtkern eine Preform. Ist diese mit Kunststoff imprägniert und ausgehärtet, ist sie formstabil. Belastungsprüfungen und strukturmechanische Simulationen prognostizieren die Tragfähigkeit des neuen Verbundbauteils. In Kombination mit Traggliedern führen die Verbundbauteile aus FVK zu schlanken Konstruktionen. Dadurch, dass der Herstellungsaufwand bei unterschiedlichen geometrischen Konfigurationen gering ist, entsteht für die Tragwerksplanung eine höhere Gestaltungsfreiheit. Diese Erfindung ist zum Patent angemeldet.
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