Weltweit einzigartige Modellfabrik für Carbonbeton in Leipzig eröffnet
Carbonbeton ist deutlich nachhaltiger als Stahlbeton, aber wird noch selten verwendet. Das neue Carbonbetontechnikum der HTWK Leipzig soll das nun ändern und treibt dazu auch die automatisierte Bauteilfertigung voran.
Um den Weg des neuen Verbundwerkstoffs in die breite Anwendung zu beschleunigen, wurde heute eine nach Angaben der HTWK Leipzig weltweit einzigartige Modellfabrik für die automatisierte Fertigung von Bauteilen aus Carbonbeton an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig eröffnet: An der Eröffnungsfeier für das rund tausend Quadratmeter große Carbonbetontechnikum in Leipzig-Engelsdorf nahmen rund hundert Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft teil.
Anpassung der Produktionsschritte und Maschinen an den neuen Baustoff
„Im Carbonbetontechnikum erforschen wir, welche Prozesse eine effiziente Produktion von Carbonbeton ermöglichen, um damit ökologisch und ökonomisch vorteilhafte Bauteile herzustellen“, erläuterte Prof. Klaus Holschemacher vom Institut für Betonbau der HTWK Leipzig. . Denn auch wenn Carbonbeton und Stahlbeton vergleichbare Anwendungsgebiete haben, müssen alle Produktionsschritte und Maschinen an den neuen Baustoff angepasst und zum Teil völlig neu gedacht werden. „Hier zeigen wir Bauunternehmen, wie sie ihre Produktionsstätten gestalten müssen, um Carbonbetonbauteile zu produzieren.“
Automatisierte Fertigung spart Ressourcen und Kosten
Drei Industrieroboter und 64 Meter an Rolltischen sorgen im Carbonbetontechnikum dafür, dass die Fertigung von bis zu 3,125 Meter breiten und 1,25 Meter langen Bauteilen automatisch abläuft. Die fertigen Bauteile können an einem speziell entwickelten Kipptisch per Kran entnommen werden. Anfang 2023 sollen die derzeit noch im Aufbau befindlichen Bereiche Betonage und Qualitätsprüfung in Betrieb gehen.
Besonders stolz sind die Leipziger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf eine Innovation: Im Carbonbetontechnikum fertigt ein Roboter die Bewehrung aus Carbon individuell vor Ort. Dazu legt er innerhalb von wenigen Minuten Carbongarn gitterförmig zu genau der Geometrie, die für ein bestimmtes Bauteil benötigt wird.
Die automatisierte Fertigung der Carbonmatten stellt einen großen Fortschritt dar: Wird bislang Carbon verwendet, so kommen fast immer vorgefertigte Carbonmatten mit Standardmaßen zum Einsatz. Sie müssen für die eigentliche Anwendung zugeschnitten oder zusammengelegt werden.
„Durch die direkte Garnablage sparen wir nicht nur Transportwege, sondern auch bis zu 40 Prozent des teuren und energieintensiven Materials Carbon“, rechnet Otto Grauer vor, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Betonbau der HTWK Leipzig. Er erwartet, dass damit die Herstellungskosten von Carbonbetonbauteilen auf das Niveau vergleichbar leistungsfähiger Stahlbetonbauteile fallen.
Modellfabrik erprobt Visionen der Carbonbetonbauweise
Für die Leipziger ist die direkte Garnablage eine Schlüsseltechnologie, denn sie ermöglicht es auch, nützliche Funktionen wie Heizelemente oder Sensorik direkt in Bauteile zu integrieren. „Nachdem ein Roboter die Gitterstruktur für die Bewehrung des Bauteils abgelegt hat, könnte er zukünftig an einer bestimmten Stelle eine zusätzliche Struktur aus Carbongarn legen und so beispielsweise einen kapazitiven Sensor nachbilden“, so der wissenschaftliche Mitarbeiter Tobias Rudloff vom Institut für Prozessautomation und Eingebettete Systeme der HTWK Leipzig. „Wer später an dieser Stelle an das Bauteil fasst, könnte das Licht an- und ausschalten – ähnlich einem Touchscreen, ganz ohne Schalter.“
Im Carbonbetontechnikum können Visionen wie diese erprobt und in die Anwendung überführt werden. Aktuell laufen fünf Forschungsprojekte zur Weiterentwicklung der Carbonbetonbauweise mit einem Fördervolumen von insgesamt 2,5 Millionen Euro.
„Leuchtturm sächsischer Ingenieurkunst“
„In Leipzig wird ein nächstes Kapitel für zukunftsfähiges Bauen aufgeschlagen. Wir weihen heute einen weiteren Leuchtturm sächsischer Ingenieurkunst ein. Das Carbonbetontechnikum ist ein sächsisches Markenzeichen – wie auch das Cube, das neue, weltweit erste Gebäude aus Carbonbeton in Dresden“, so Thomas Schmidt, Sächsischer Staatsminister für Regionalentwicklung. „Die einzigartige Modellfabrik der HTWK Leipzig schafft gute Grundlagen für ein digitales, ressourcen- und klimaschonenderes Zeitalter auf dem Bau. Ich freue mich über diese Innovationen aus Sachsen. Sie sind wichtig für die Baubranche und für die regionale Entwicklung im Freistaat.“
„Die HTWK Leipzig verzeichnet mit über 17,5 Millionen Euro die bisher höchste eingenommene Drittmittelsumme und ist damit eine der forschungsstärksten Hochschulen für Angewandte Wissenschaften in Deutschland“, freute sich Prof. Mark Mietzner, Rektor der HTWK Leipzig. „In der Kooperation kommen insbesondere unsere Kompetenzen auf dem Gebiet der Automatisierung von Fertigungsprozessen und unser Engagement für Klimaschutz und Nachhaltigkeit zum Tragen.“
Das Carbonbetontechnikum wurde im Rahmen von Deutschlands größtem Bauforschungsprojekt C³ – Carbon Concrete Composite durch das Bundeswissenschaftsministerium sowie durch den Freistaat Sachsen gefördert. Die Eröffnung war Programmpunkt der vom C³-Verband organisierten Carbon- und Textilbetontage in Dresden.
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