Wie digitale Planung Bauen mit Holz vereinfacht
Digitale Planungswerkzeuge sollen dem Holz als Baumaterial und einer über hundert Jahre alten Dachbauweise zur Renaissance zu verhelfen.
Holz ist ein nachwachsender Rohstoff, der große Mengen Kohlenstoff langfristig bindet. Doch Bauen mit Holz ist meist teurer und aufwendiger als mit Stein oder Beton. Die Forschungsgruppe Flex an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK Leipzig) nutzt digitale Planungswerkzeuge, um Holz als Baumaterial zu einer Renaissance zu verhelfen.
Forschung verhilft Zollinger-Bauweise zur Renaissance
Verschiedene Ergebnisse aus aktuellen Projekten stellen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf der Europäischen Leitmesse für Denkmalpflege, Restaurierung und Altbausanierung Ende November in Leipzig vor. Blickfang des Ausstellungsstandes (siehe Bild unten) sind dort zwei gekrümmte Dachelemente in weiterentwickelter Zollinger-Bauweise.
Die Forschungsgruppe Flex arbeitet seit mehreren Jahren an der Renaissance der über hundert Jahre alten Dachbauweise des Merseburger Stadtrats Friedrich Zollinger. Da es kurze Massivholzstücke verwendet, eignet sich dieses Konstruktionssystem besonders auch für das Holz der Edelkastanie, das künftig eine wichtige Rolle als Konstruktionsmaterial einnehmen kann, wie im Bauingenieur kürzlich ausführlich dargestellt („Materialsparender Leichtbau: Dauerhafte Stabwerksstruktur aus Edelkastanienholz“).
Effiziente und materialsparende Bauweise
„Die Baumethode war effizient und materialsparend, doch der Aufbau der Dächer war sehr aufwendig. Noch dazu senkten sie sich mit der Zeit ab“, erklärt Professor Alexander Stahr. „Deshalb haben wir konstruktive Mängel beseitigt und den Bauprozess auf Basis der Möglichkeiten der Digitalisierung deutlich effizienter gestaltet.“ Dafür wurden Stahr und sein Team auf der Denkmal-Messe 2016 mit einer Goldmedaille für herausragende Leistungen in der Denkmalpflege in Europa ausgezeichnet.
Derzeit entwickeln die Forschenden die Bauweise dahingehend weiter, dass eine wirtschaftlich effiziente, automatisierte und digital gesteuerte Fertigung und Vormontage durch Zimmerei- und Dachdecker-Betriebe möglich wird. Dafür erhalten die Forschenden gemeinsam mit ihren sieben Projektpartnern aus Wissenschaft und Praxis rund eine Million Euro Förderung vom Bundeslandwirtschaftsministerium.
Holz als Baustoff für landwirtschaftlich genutzte Gebäude
Ein weiteres Flex-Projekt ist TimberPlan+, das auf eine Erhöhung der Nutzungsquote von Holz für den Bau landwirtschaftlich genutzter Hallen fokussiert. Eine digital basierte, parametrisierte Planungsmethodik soll dabei alle erforderlichen Fachplanungen integrieren und informationsverlustfrei verknüpfen, sodass im Ergebnis eine wirtschaftlich effiziente, voll- oder teilautomatisierte, NC-gesteuerte Fertigung und Vormontage durch regional agierende kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) möglich wird.
ReFlexRoof: Flexibles Berechnungstool für ressourceneffiziente Bogendachsegmente
Konkret angesprochen wird der Bau von materialeffizienten und robusten Sytemdachkonstruktionen aus Holz und Holzwerkstoffen in regionaler Produktion nach dem System ReFlexRoof. In diesem Forschungsprojekt soll eine segmentierte, kreisbogenförmige Brettrippendachkonstruktion aus Holz für die Anwendung im modernen Hallenbau entwickelt werden. Unter Werkstattbedingungen sollen hierbei einfach stapel- und transportierbare „Bogendachsegmente“ vorgefertigt werden.
Auf der Baustelle erfolgt die Komplettierung zu „Bogendachabschnitten“ und der Einbau per Kranmontage auf Stützen oder Wänden. Dadurch wird es möglich, die Dachfläche direkt zu schließen, eine Schalenwirkung zu erreichen, den Montageaufwand erheblich zu reduzieren und die Baukosten auf ein konkurrenzfähiges Maß zu senken.
Forschungsprojekte auf Messen zu sehen
Auf der Europäischen Leitmesse für Denkmalpflege, Restaurierung und Altbausanierung informieren vom 24. bis 26. November 2022 in Leipzig mehrere hundert Ausstellende über aktuelle Entwicklungen des Bauens im Bestand mit natürlichen Baustoffen wie Holz und Lehm sowie des klimaschonenden Bauens.
Zu finden sind die Forschenden der HTWK Leipzig am Gemeinschaftsstand mit der Bennert GmbH (Stand G45). Der auf die Denkmalsanierung spezialisierte Mittelständler aus Thüringen will in der nahen Zukunft gemeinsam mit der Forschungsgruppe Flex ein Schirmdach aus Holz für E-Tankstellen umsetzen. Das Design erinnert an einen Blütenkelch und wurde von Markus Schaller und Christopher Stolle im Rahmen ihres Architektur-Studiums an der HTWK Leipzig entworfen.
Augmented Reality für Zimmerleute
Auf der Messe präsentiert die Forschungsgruppe auch ein Assistenzsystem für die handwerkliche Vorfertigung von Holzständerwänden mithilfe von Augmented Reality. Besucherinnen und Besucher des Messestands können eine Daten-Brille aufsetzen und mit dieser Unterstützung an einem tischgroßen Modell im Maßstab 1:3 Schwelle, Stiele, Kämpfer und Rähm zum Ständerwerk eines Wandelements in Holzrahmenbauweise fügen.
Im zweiten Arbeitsschritt können sie durch die Schalungsplatten „hindurch“ die Lage der Hölzer sehen – eine große Hilfestellung für das millimetergenaue Einbringen von Nägeln, Schrauben, und Klammern. Dadurch wird die handwerkliche Vorfertigung im Holzbau effizienter.
Heritage Building Information Modeling zur digitalen Rekonstruktion
Auf der parallel stattfindenden Internationalen Fachmesse für Museums- und Ausstellungstechnik Mutec führt Ulrich Weferling, Professor für Vermessungskunde, in die Methode des Heritage Building Information Modeling ein und stellt seine Forschung zur digitalen Rekonstruktion der Villa Sette Bassi aus dem 2. Jahrhundert in Rom vor (Stand I20).
Direkt daneben präsentiert die HTWK Leipzig ihren Bachelorstudiengang Museologie sowie den Masterstudiengang „Museumspädagogik | Bildung und Vermittlung im Museum“ (Stand I16). Als weiterbildender Studiengang kann dieser auch berufsbegleitend absolviert werden. Der Bewerbungszeitraum für das Sommersemester 2023 beginnt am 1. Dezember.
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