Computational Scientist wissen, wie es brennt
Die Simulation von Bränden wird immer besser. Unterschiedliche Berechnungen zeigen, wie sich ein Brand ausdehnt. Dabei muss sie die physikalischen Wechselwirkungen von Wärmestrahlung, Temperaturübertrag auf Bauteile, Pyrolyse- und Verbrennungsprozesse und unterschiedlichste Materialparameter beachten.
Als Computational Scientist arbeitet Susanne Kilian im Berliner Ingenieurbüro hhpberlin. Hier prägt der Brandschutz das Tagesgeschäft. Die Ingenieure entwerfen maßgeschneiderte Sicherheitskonzepte für Flughäfen, Hotels oder Shoppingmalls. Mit ihrer Arbeit stellen sie sicher, dass brandschutzrechtliche Verordnungen eingehalten werden können. Dabei setzen sie auf die computergestützte Simulation unterschiedlicher Brandszenarien und erforschen deren Folgen. Kilian ist dabei zuständig für die Entwicklung und Anwendung von Fire Dynamic Simulator (FDS), einer Software zur Simulation von Brandereignissen. Mit komplexen Algorithmen und Supercomputern bekämpft sie Brände, noch bevor sie entstehen. Die physikalischen Strömungsvorgänge eines Brandes werden dabei simuliert und ausgewertet. Somit ist es möglich, Brände besser zu verstehen und vorherzusagen.
Virtuelle Einblicke in Brandströmungen
Die Durchführung von Realexperimenten gibt den Forschern und Entwicklern die Möglichkeit, Brandszenarien zu analysieren. Aber den experimentellen Methoden sind Grenzen gesetzt. Selten besteht die Chance durch ein Realexperiment ein umfassendes Gesamtbild zu erhalten. Dafür sind die betrachteten Brandphänomene zu komplex und die dabei entstehenden Kosten zu hoch. Dann kommen die rein rechnerischen Methoden der CFD zum Einsatz. Mit ihnen können komplexe Brandszenarien simuliert werden. Dies ist meist dann der Fall, wenn eine Bewertung über die bauordnungsrechtlichen Standardregelwerke nicht mehr möglich ist. Das kann bei einer komplexen Nutzung von Gebäuden der Fall sein, wie bei Bahnhöfen oder Einkaufszentren oder beim Umbau von Bestandsgebäuden. Die Simulation gewährt virtuelle Einblicke in Strömungsmuster von Feuer und Rauch, die ansonsten verborgen blieben. Hierzu müssen Algorithmen, die für die Brandsimulationen benötigt werden, effizient gestaltet werden und für die Anwendung auf Hochleistungscomputern verfügbar sein.
Simulationen entstehen am Computer
Die physikalischen und mathematischen Grundlagen der heutigen Simulationsmethoden haben vor mehreren Jahrhunderten Newton, Galilei und Bernoulli gelegt. Zusammen mit der zunehmenden Verfügbarkeit von leistungsfähigen Computersystemen, ab der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts, hat die Verwendung und Fortentwicklung numerischer Verfahren für unterschiedlichste wissenschaftliche Fragestellungen (z.B. Luftfahrt, Meteorologie) einen Schub bekommen. Spätestens mit dem Aufkommen moderner Parallelrechner ab den 1990er-Jahren hat sich das wissenschaftliche Rechnen zu einer eigenständigen Fachdisziplin entwickelt. Seitdem gewinnt sie immer mehr an Bedeutung. Auch die Simulation von Brandszenarien blickt bereits auf eine etwa 20-jährige Geschichte zurück. Bereits im Jahre 2000 wurde das Simulationsprogramm Fire Dynamics Simulator (FDS) am National Institute of Standards and Technology (NIST) in Maryland/USA ins Leben gerufen. Seitdem wird es kontinuierlich weiterentwickelt.
Brände mit mathematischen Gleichungen beschreiben
Für die Erstellung der Algorithmen der Brandsimulation beginnt Kilian damit, dass sie verschiedene physikalische Gesetzmäßigkeiten mithilfe mathematischer Gleichungen – sogenannter partieller Differenzialgleichungen – beschreibt. Wichtige Stichworte sind hier Masse-, Impuls- und Energieerhaltung. Die verschiedenen Gleichungen werden in einem System gekoppelt. Dieses System stellt sozusagen ein mathematisches Modell der real existierenden physikalischen Abläufe dar. In dieses Modell fließen viele Werte ein, die es sehr komplex machen. Es ist dadurch zu vielschichtig, um eine exakte analytische Lösung zu finden. Der einzige Ausweg besteht darin, die Gleichungen näherungsweise zu lösen.
Numerik löst die Komplexität der Brandsimulation auf
Um die Gleichungen in eine Form zu überführen, die zwar nicht exakt, aber dennoch möglichst genau dem Ausgangsproblem entspricht, gleichzeitig aber auch auf Computersystemen berechnet werden kann, wird die Numerik eingesetzt. Die numerischen Verfahren basieren darauf, die Differenzialgleichungen auf einer endlichen Menge von Punkten zu betrachten. Dies versteht man unter dem Begriff Diskretisierung. Dazu wird das Gebäude, für das eine Simulation erstellt werden soll, in mehr oder weniger kleine Gitterzellen unterteilt. Die interessierenden physikalischen Wechselbeziehungen (z. B. Anstieg der Temperatur, Ausbreitung von Rauch) werden dann nicht in allen unzählig vielen Punkten des Gebäudes berechnet, sondern lediglich zwischen ausgewählten Punkten innerhalb der Gitterzellen. Dieser Übergang ist notwendigerweise mit der Entstehung von Fehlern verbunden. Doch es ist Aufgabe der Numerik, diese Fehler so gut wie möglich zu bemessen und im Zaum zu halten.
Berechnungen für Brände über einen langen Zeitraum
Trotz der genannten Beschränkung auf eine endliche Punktmenge, wird dennoch auf Abermillionen Gitterzellen Bezug genommen. Innerhalb dieser Gitterzellen müssen Berechnungen für vielzählige physikalische Größen durchgeführt werden. Darüber hinaus genügt es nicht, nur einen Schnappschuss für einen einzigen Zeitpunkt des Brandgeschehens zu erstellen. Typischerweise werden Brandzeiträume von 30 bis zu 90 Minuten simuliert. Für die Simulation dieser Zeiträume sind sehr viele Berechnungen möglich. Diese komplexe Arbeit ist immer noch sehr zeitaufwändig und kann daher leider noch nicht in Echtzeit simuliert werden. Die Simulation eines Szenarios kann daher schon mal Wochen bis Monate dauern. Alle Berechnungen müssen über die komplette Branddauer hinweg in kleinen Zeitintervallen wieder und wieder durchgeführt werden. Damit ist es möglich die zeitliche Dynamik des Brandes adäquat zu erfassen.
Die umfangreichen und langwierigen Berechnungen sind nur auf modernen Hochleistungscomputern, wie beispielsweise dem jüngst eingeweihten „Hawk“ am Höchstleistungsrechenzentrum Stuttgart, möglich. Die Speicherung und Berechnung aller benötigten Daten lässt sich für die hohe Anzahl an Gitterzellen auf einem normalen Home-PC nicht mehr abbilden. Gleichzeitig soll die Simulation in einer akzeptablen Zeit durchgeführt werden.
Herausforderungen der Brandsimulation
Im Verlauf der letzten Jahre konnten wichtige Fortschritte bei der numerischen Brandsimulation erzielt werden. Trotzdem befinden sich diese Ingenieurmethode noch in einem jungen Entwicklungsstadium und muss weiterhin aktiv beforscht werden. Die Herausforderung besteht darin, dass zusätzlich zu den für CFD-Simulationen auch das Wechselspiel vielzähliger physikalischer und chemischer Vorgänge berücksichtigt werden muss (Wärmestrahlung, Temperaturübertrag auf Bauteile, Pyrolyse- und Verbrennungsprozesse, unterschiedlichste Materialparameter etc.). Erschwerend kommt hinzu, dass aufgrund beschränkter Rechenressourcen nicht alle Prozesse in der erforderlichen geometrischen Genauigkeit erfasst werden können. Zur Auflösung der Geometrie eines großen Gebäudekomplexes können aus Speicherplatzgründen nur Gitterweiten im Dezimeterbereich verwendet werden. Die Modellierung feinskaliger Verbrennungs- oder Turbulenzprozesse würde dagegen Auflösungen im Millimeter-Bereich erfordern und ist darüber hinaus bis zum heutigen Tag noch nicht vollumfänglich verstanden. Daher können verschiedene Prozesse nur durch mehr oder weniger empirische Modelle abgebildet werden. Aufgrund der hieraus resultierenden Unsicherheiten muss die Plausibilität der erzielten Simulationsresultate fortlaufend durch geeignete Verifikations- und Validierungsuntersuchungen überprüft werden. In diesem Zusammenhang spielt die Durchführung von Realexperimenten eine herausragende Rolle. Sie bieten die Möglichkeit, durch gezielte experimentelle Betrachtung einzelner physikalischer und chemischer Phänomene ihrer Wechselwirkungen untereinander die Grundbestandteile des Simulationsprogramms kontinuierlich auf Korrektheit zu testen.
Dennoch sind Brandsimulationsprogramme universelle und leistungsfähige Werkzeuge zur technischen und wirtschaftlichen Optimierung von Brandschutzlösungen. Sie liefern zwar noch keinen vollständigen Ersatz für experimentelle Untersuchungen, können aber zu einer deutlichen Reduktion teurer Experimente beitragen. Es besteht die Hoffnung, dass die fortlaufende Weiterentwicklung der zugrunde liegenden Modelle und Verfahren sowie immer leistungsfähigerer Supercomputer zu einer Verbesserung der Qualität von Brandsimulationsprogrammen beitragen wird.
Unternehmen, die Simulationstechnologien einsetzen möchten, aber nicht über die notwendigen Rechnerkapazitäten, das erforderliche Know-how oder die finanziellen Mittel verfügen, finden Unterstützung bei der Sicos BW GmbH – neutral und kostenfrei. Das Unternehmen unterstützt speziell kleine und mittlere Unternehmen dabei, einen Zugang zu Simulation und Höchstleistungsrechnen sowie Big und Smart Data-Themen zu finden. Kontakt: Dr. Andreas Wierse, 0711–2172828–0, www.sicos-bw.de