Brückenertüchtigung, Carbonbetonstrukturen, Modulares Bauen
Die wissenschaftlichen Aufsätze im akademischen Hauptteil des Bauingenieur 07–08|2023 sind unserem Sprecher der Herausgeber Prof. Josef Hegger gewidmet, der in den Ruhestand wechseln wird. Dabei spiegeln sie das Wirken von Prof. Hegger auf Wissenschaft und Praxis wieder.
Hier die Übersicht der wissenschaftlich begutachteten und freigegebenen Fachaufsätze („reviewed papers“) aus dem Bauingenieur 07-08|2023, jeweils mit einer Zusammenfassung und Stichworten sowie DOI-Link.
Übrigens finden Sie eine Liste mit zahlreichen nützlichen Abkürzungen aus der Baubranche (samt Erklärungen) zum Nachschlagen und Ausdrucken in unserer Online-Rubrik Wissen.
Brückenertüchtigung
J. Feix (Prof. Feix Ingenieure), J. Konzilia (Universität Innsbruck), C. Waltl, M. Egger (Prof. Feix Ingenieure), N. Plattner (Amt der Vorarlberger Landesregierung)
Textilbetonverstärkung für ein typisches Brückenbauwerk aus den 1980er-Jahren
Alterung, Verkehrszunahme und zum Teil wenig dauerhafte Konstruktionen setzen der Verkehrsinfrastruktur zu. Viele ältere Tragwerke sind den gegebenen Belastungen nicht mehr gewachsen und benötigen eine statische Ertüchtigung. Dies gilt auch für die Krumbachbrücke in Österreich. Nach eingehender Untersuchung unterschiedlicher Verstärkungskonzepte soll das Tragwerk in einer Pilotanwendung mit Textilbeton unter laufendem Verkehr auf Querkraft und Torsion verstärkt und instandgesetzt werden. Im Zuge einer Versuchsbegleitung im Vorfeld der Baumaßnahme wurden die Traglaststeigerung des weiterentwickelten Verstärkungskonzeptes zur Querkraft- und Torsionsverstärkung von Plattenbalken mittels Textilbeton aufgezeigt und Ansätze für die Bemessung abgeleitet. So konnte das Konzept erfolgreich umgesetzt werden. Die Ausführungsarbeiten an der Brücke laufen seit Mai 2022.
doi.org/10.37544/0005-6650-2023-07-08-29
Carbonbetonstrukturen
G. Kikis, L. Mester, H. Spartali, R. Chudoba, S. Klinkel (RWTH Aachen)
Analyse des Trag- und Bruchverhaltens von Carbonbetonstrukturen im Rahmen des SFB/TRR 280
Die Entwicklung neuer leistungsfähiger Materialien sowie der Einsatz von maschinengestützten Fertigungsmethoden eröffnet neue Möglichkeiten im Bereich des Bauens. Der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Sonderforschungsbereich/Transregio 280 (SFB/TRR 280) beschäftigt sich mit neuen Konstruktionsstrategien für materialminimierte Carbonbetonstrukturen. Ein Teilbereich dieses Vorhabens, der hier vorgestellt wird, fokussiert sich auf die numerische Analyse des Trag- und Bruchverhaltens von Carbonbetonstrukturen. Eine Methode zur Analyse von Schalenstrukturen aus Carbonbeton wird entwickelt, bei der eine gekoppelte Mehrskalenmethode an die Schalenkinematik angepasst wird. Die Beschreibung der Mesostruktur erfolgt mithilfe von Computertomographie-Daten und der Isogeometrischen Analyse. Das nichtlineare Materialverhalten von Beton wird durch ein Microplane Schädigungsmodell beschrieben. Bei reinem Beton erfolgt die Regularisierung mithilfe der Crack Band Methode. Die Kalibrierung des Modells wird anhand eines Dehnkörperversuchs durchgeführt. Die Analyse des Dehnkörperversuchs mithilfe der vorgestellten Mehrskalenmethode zeigt eine gute Übereinstimmung mit den Versuchsdaten.
doi.org/10.37544/0005-6650-2023-07-08-40
Numerische Simulation
D. Macek (RWTH Aachen), A. Rjosk (TU Dresden), S. Ritzert (RWTH Aachen), T. Lautenschläger (TU Dresden), C. Neinhuis (TU Dresden), S. Reese (RWTH Aachen)
Pflanzengewebe als Inspiration für Carbonbeton-Strukturen: Morphologie und mechanisches Verhalten
Pflanzen zeigen eine Vielzahl unterschiedlicher Blattformen. Die mechanischen Eigenschaften der Blätter werden durch die innere Zusammensetzung der verschiedenen Gewebe bestimmt. Die biomechanischen Eigenschaften von peltaten Blättern wurden bisher nur wenig erforscht. Die komplexe Faserorganisation in dieser Art von Blättern kann als Inspiration für neuartige Carbonbeton-Strukturen dienen. Aufgrund der komplexen morphologischen Anatomie von Blättern können nicht alle Informationen über das mechanische Verhalten aus Experimenten gewonnen werden. Daher untersuchen wir in diesem Beitrag das mechanische Verhalten von peltaten Blättern von Stephania japonica mithilfe der numerischen Simulation. Für die Finite-Elemente-Simulationen wird ein kontinuumsmechanisches Materialmodell verwendet. Zunächst werden die numerischen Ergebnisse mit den realen Versuchen verglichen. Dann wird das Modell eingesetzt, um das Verhalten des Pflanzengewebes unter verschiedenen Belastungsbedingungen zu simulieren. Darüber hinaus werden auf der Grundlage der CT-Daten des Blattgewebes einige mögliche Carbonbeton-Strukturen vorgeschlagen.
doi.org/10.37544/0005-6650-2023-07-08-49
Modulares Bauen
A. Manny, F. Hofmann, L. Stempniewski, A. Stark (Karlsruher Institut für Technologie)
Entwicklung von Baukastensystemen für das modulare Bauen mit Betonfertigteilen
Während die Produktivität der deutschen Gesamtwirtschaft in den letzten drei Jahrzehnten signifikant angestiegen ist, verzeichnet das Baugewerbe im gleichen Zeitraum keine Fortschritte. Das Bauen ist nach wie vor ein hochindividualisierter Prozess mit geringem Vorfertigungsgrad, bei dem ein Großteil der Arbeit in händischer Form auf der Baustelle verrichtet wird. Effizienzsteigernde Effekte einer seriellen Vorfertigung mit hohem Automatisierungs- und Standardisierungsgrad bleiben so weitestgehend ungenutzt. Gleichzeitig steigt der Rohstoffbedarf, vor allem im Kontext des globalen Betonbaus, in rasantem Tempo immer weiter an. Im Hinblick auf die klimapolitischen Ziele und die durch den demographischen Wandel hierzulande sinkende Anzahl an verfügbaren Arbeitskräften ist ein zukünftig effizienterer Einsatz von Arbeitskraft und Ressourcen im Bauwesen alternativlos. Das modulare Bauen mit industriell vorproduzierten Bauteilen kann hierbei einen wichtigen Beitrag leisten. Im Rahmen des vorliegenden Beitrags werden die Anforderungen bei der Entwicklung entsprechender Baukastensysteme herausgearbeitet, beispielhafte Anwendungsfälle dargestellt sowie Forschungsergebnisse zur Entwicklung einer geeigneten Schnittstelle zwischen einzelnen Bauteilen präsentiert.
doi.org/10.37544/0005-6650-2023-07-08-56
Geotechnik
A. Brunner, R. Markiewicz, J. Pistrol, D. Adam (TU Wien)
Langzeiterfahrungen zur geothermischen Nutzung des Lainzer Tunnels in Wien
Thermisch aktivierte Gründungselemente bieten die Möglichkeit, statisch konstruktiv erforderliche Bauteile aus Stahlbeton synergetisch zur Energiegewinnung zu nutzen. Diese sogenannten Massivabsorber können bei Infrastrukturbauwerken aufgrund der ohnehin in großer Zahl erforderlichen Gründungselemente vor allem im urbanen Raum einen Beitrag zur Erreichung der Dekarbonisierung des Gebäudesektors beitragen. Im Baulos LT24 – Hadersdorf-Weidlingau des Lainzer Tunnels in Wien wurden Großbohrpfähle einer Bohrpfahlwand thermisch aktiviert, um ein angrenzendes Schulgebäude mit Erdwärme zum Heizen zu versorgen. Der vorliegende Beitrag gibt einen Überblick über die geothermische Versuchsanlage mit Fokus auf die aktivierte Bohrpfahlwand und die umfassende Instrumentierung der Anlage und der Energiepfähle. Das thermo-mechanische Verhalten wird mithilfe der vorhandenen Messdaten aus 19 Betriebsjahren analysiert, wobei die Leistungs- und Energiedaten der gesamten Anlage, die Temperaturverteilung in der Energiewand und die Dehnungen eines ausgewählten Energiepfahls diskutiert werden.
doi.org/10.37544/0005-6650-2023-07-08-65
Verbundbau
K. Wolters, M. Feldmann (RWTH Aachen)
Probabilistische Untersuchungen zu Systemeffekten in Verbundfugen mit spröden und duktilen Verbundmitteln
Verbundmittel wie zum Beispiel Kopfbolzendübel werden im Träger typischerweise in einer höheren Anzahl angeordnet. Daraus ergibt sich ein auf die Versagenswahrscheinlichkeit auswirkender Systemeffekt, der in den Normen nicht berücksichtigt wird. Dieser Artikel beschreibt solche Systemeffekte, die sich bei Anordnung mehrerer spröder oder duktiler Verbundmittel in Verbundfugen ergeben und zeigt deren maßgebliche Einflüsse in Parameterstudien. Die Systemeffekte haben in baupraktisch relevanten Fällen, auch bei Annahme von sich ideal-spröde verhaltenden Verbundmitteln, einen meist positiven Einfluss auf die Zuverlässigkeit der Verbundfuge und damit des Verbundträgers und zwar umso deutlicher, je stärker die Einzeltragfähigkeiten der Dübel streuen und je weniger diese untereinander korreliert sind. Unter Beibehaltung der normativen Anforderungen an die Zielzuverlässigkeit von Tragwerken könnte im Gegenzug das Bemessungsniveau der Verbundmittel durch eine Anpassung des Teilsicherheitsbeiwertes angehoben werden.
doi.org/10.37544/0005-6650-2023-07-08-79